Verräter oder Friedensstifter? Warum Erdoğan und Co. Trumps Plan für Gaza unterstützen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus am 25. September 2025.
"Ich lobe die Bemühungen und die Führung von US-Präsident Donald Trump, das Blutvergießen in Gaza zu beenden und einen Waffenstillstand zu erreichen." So pries der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Trumps Friedensplan für Gaza. Dabei lässt dieser Fragen über die eigenständige Zukunft des Gazastreifens und die Existenz eines palästinensischen Staats unbeantwortet. Doch die sind für viele arabische und muslimische Staaten eigentlich unverhandelbar.
Vor allem der türkische Präsident gehört – trotz anhaltender Handelsbeziehungen mit Israel – zu den heftigsten Kritikern der israelischen Regierung: In der Vergangenheit verglich er Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Hitler und lobte die "heldenhaften Söhne und Töchter Gazas", die mit Waffen Widerstand leisteten. Auch andere muslimische Staaten, in denen die Hamas nicht als Terrororganisation gesehen wird und deren Bevölkerungen die Palästinenser bedingungslos unterstützten, stehen hinter Trumps Plan: die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Katar, Jordanien, Ägypten, Indonesien und Pakistan. Sie riskieren inneren Druck, einige Analysten strafen die Länder bereits als "Verräter" ab.
Angst vor Massenexodus
All diese Länder wollen das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen seit dem Hamas-Massaker vor zwei Jahren stoppen – über 66.000 Palästinenser sollen seitdem getötet worden sein. Die Unterstützung des Plans lässt sich vor der eigenen Bevölkerung damit argumentieren, dass man geholfen habe, den Genozid, den die Länder Israel vorwerfen, zu beenden. Vor allem das Nachbarland Ägypten fürchtet, dass ein Weiterführen des Krieges doch noch zu einer Massenvertreibung der Palästinenser führen könnte. Kairo hat deswegen rund 40.000 Soldaten, Luftabwehrsysteme und Panzer an die Grenze auf der Sinaihalbinsel abgestellt.
Gegen eine Entwaffnung der Hamas haben die meisten arabischen Länder wenig einzuwenden – auch wenn öffentlich die Solidarität mit dem palästinensischen Volk meist mit Unterstützung der Hamas einhergeht. Doch gerade Ägypten, Saudi-Arabien und die VAE sehen in der Hamas als Ableger der Terrororganisation der Muslimbruderschaft eine Bedrohung für die eigene Stabilität – in Ägypten ist die Muslimbruderschaft seit Abd al-Fattah as-Sisis Putsch an die Macht verboten.

Am Tisch (von links nach rechts) der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, US-Präsident Donald Trump, Jordaniens König Abdullah II., Ägyptens Premierminister Mostafa Madbouly und der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al Saud am Rande der UN-Generalversammlung am 23. September 2025.
Annäherung an Israel
Ein Friedensschluss wäre für die arabischen Länder auch aus wirtschaftlichen Gründen profitabel: Die Kataris, Saudis und die VAE führen Gespräche mit den USA über den Wiederaufbau Gazas. Mit einem Friedensschluss ließen sich Versuche einer Normalisierung mit Israel vor der eigenen Bevölkerung argumentieren, von dem sich die Länder Vorteile versprechen. Vor dem 7. Oktober 2023 standen Israel und Saudi-Arabien vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen; die USA hatten Riad ein ziviles Atomprogramm in Aussicht gestellt.
Und dann ist das auch noch das Motiv der Beziehungspflege zu den USA und Donald Trump. Im Gegenzug erwarten sich die arabischen Länder lukrative Handelsdeals und militärische Sicherheiten: Erdoğan will nach wie vor amerikanische F-35-Kampfjets, die USA hatten die Lieferung nach Erdoğans Kauf eines russischen Luftabwehrsystems ausgesetzt. Katar hat von Trump nach dem Angriff Israels gegen Verhandlungen mit der Hamas in Doha im September jetzt eine Sicherheitsgarantie bekommen, die auch militärische Vergeltungsmaßnahmen beinhalten. Die USA haben in Katar ihre größte Militäreinrichtung im Nahen Osten.
Die Hoffnungen Indonesiens und Pakistans, die zusammen fast ein Viertel der muslimischen Weltbevölkerung beheimaten, sind ähnliche: Indonesien konnte im Sommer den von Trump angedrohten Zollsatz von 32 auf 19 Prozent herunterhandeln; Pakistan will sich als konstruktiver Partner darstellen.
Trumps Plan sieht vor, auch wenn Details noch offen sind, dass die arabischen Länder Einfluss auf das "Board of Peace", dem er vorstehen will, haben, die "Übergangsregierung palästinensischer Technokraten" beaufsichtigen und am Aufbau einer Stabilisierungstruppe beteiligt sind.
Was dem Plan fehlt: ein Mitspracherecht für die Palästinenser. Und nach wie vor die Zustimmung der Hamas.
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