In den USA lässt er ihnen weitgehend freie Bahn und sie spielen im Gegenzug nach seinen politischen Regeln. Regeln, die direkt auf Kollisionskurs mit den EU-Gesetzen sind. "Linke Zensur", so hat Mark Zuckerberg, Herr über Facebook und Instagram, erst vor Tagen die Kontrolle von Inhalten, also Postings auf seinen Plattformen genannt - und sie weitgehend aufgehoben.
Zensurvorwürfe von Rechtsparteien
Doch genau diese Kontrolle verlangt der DSA von den Plattformen in der EU. "Zensur" rufen also jetzt auch die Vertreter rechtspopulistischer Parteien in Europa, wie etwa der FPÖ, oder des belgischen Vlams Belang: Die Meinungsfreiheit sei gefährdet - und zwar genau dann, wenn es diese Meinungen den meist linksliberalen, politischen Entscheidungsträgern nicht passen würden.
Doch die EU-Gesetze üben keine Kontrolle über die Inhalte auf den Plattformen aus, wie die Experten in der EU-Kommission betonen. Sie würden lediglich die Betreiber der Plattformen für diese Inhalte und vor allem die Konsequenzen dieser Inhalte verantwortlich machen. Was nach EU-Recht oder dem Recht eines EU-Staates als illegal gilt, ist auch auf Internet-Plattformen illegal: Und da ist es egal, ob auf "X" eine Hakenkreuz-Fahne gezeigt oder auf der chinesischen Billig-Verkaufsplattform "Temu" giftiges Kinderspielzeug angeboten wird.
Doch die EU macht dort noch nicht halt. Ergänzend zum DSA hat man Verhaltensregeln formuliert, die zumindest grob vorgeben, was man auf "X" und Co. nicht machen darf: "Hassrede", "Desinformation" oder "Manipulation von Wahlen".
In der Brüsseler EU-Kommission dafür zuständig ist Digitalkommissarin Henna Virkkunen. Ihr untersteht ein Team, das derzeit auf mehr als 200 Experten aufgestockt wird, das sich alleine mit der Durchsetzung des DSA beschäftigt. Haben gerade die großen Internet-Plattformen ihre Benutzer im Auge? Registrieren sie Fake News, Hassreden mit Aufrufen zur Gewalt, oder die millionenfache Verbreitung von politischer Propaganda durch gleichgeschaltete Benutzer, hinter denen kein Mensch, sondern Computer-Netzwerke stehen, sogenannte "Bots"?
EU fordert Gegenmaßnahmen
Für die EU-Behörden geht es nicht um einzelne Verfehlungen, sondern, um deren explosionsartige Vermehrung, also dann, wenn die Plattformen die Kontrolle verloren oder bewusst eingestellt haben. Stellen die EU-Experten solche gefährlichen Entwicklungen fest, müssen die Plattformen beweisen, dass sie Gegenmaßnahmen gesetzt haben. Wenn nicht, drohen Strafen - und die sind schwerwiegend. Bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes müsste etwa "X" bezahlen.
Doch die Überwachung einer so riesigen digitalen Spielwiese, die sich ständig und in Sekundenbruchteilen ändert, ist aufwändig. Zwar gibt der DSA den EU-Behörden das Recht auf den Einblick in interne Dokumente, ja sogar die Computer-Algorithmen von "X", doch der Nachweis von Missbrauch oder Manipulation muss stichhältig sein - so stichhältig, dass er der Gegenwehr von ganzen Brigaden von Anwälten, die etwa X beschäftigt standhält, der teuersten und besten Anwälte der Welt, wie man in der EU-Kommission betont. Die steht unter wachsendem politischen Druck, etwas zu tun, vor allem seit Musks politischen Ausritten.
Zu langsam sei man in der Kommission, betonen ebenfalls mit dem Konflikt befasste EU-Parlamentarier wie die Dänin Christel Schaldemose: "Es geht um die Verteidigung unserer Demokratie - wir wollen endlich Taten sehen." Bald, vielleicht sehr bald, werde man gegen X vorgehen, lassen Experten in der Kommission wissen, allerdings nur unter der Hand.
Offiziell will man sich den Stand der Ermittlungen auf keinen Fall entlocken lassen. Zu gefährlich, Musks Anwaltsteam würde jede Äußerung aus Brüssel sofort aufgreifen, versuchen, sie als Vorverurteilung zu brandmarken - und damit eine Strafe vor Gericht abzuwehren. Systematische Manipulation, systematisches Unterlaufen der eigenen Kontrollen, Reichweite, die man mit Geld erkaufen konnte: Solche Verdachtsmomente müssten bewiesen werden - direkt in den Datensätzen von X. Und das, ist aus der Kommission zu hören, lasse sich von Politikern sehr leicht fordern und sei umso schwerer umzusetzen.
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