Trump kündigt Raketen via Twitter an: "Russland, mach dich bereit"

Trump kündigt Raketen via Twitter an: "Russland, mach dich bereit"
Der Streit um einen Chemiewaffeneinsatz in Syrien droht zu eskalieren. Der US-Präsident zeigt sich dabei widersprüchlich. Putin hofft auf "gesunden Menschenverstand".

US-Präsident Donald Trump hat als Vergeltung für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Duma einen Raketenangriff auf Syrien angekündigt. " Russland, mach Dich bereit“, twitterte Trump am Mittwoch. Russland solle sich nicht mit einem "Tier" verbünden, das mit Gas töte. Damit meint Trump offensichtlich Syriens Staatschef Baschar al-Assad. "Dieser tötet seine eigenen Leute und genießt es", schrieb Trump.

Raketen würden kommen, und sie seien "hübsch und neu und 'intelligent'". Damit spielt Trump darauf an, dass Russland zuvor angekündigt hatte, alle auf Syrien abgefeuerten US-Raketen abzuschießen.

Mittwoch Nachmittag kamen beschwichtigende Worte aus dem Kreml: "Wir hoffen, dass sich der gesunde Menschenverstand durchsetzt", sagte Russlands Präsident Wladimir Putin. Russland werde alle seine Verpflichtungen nach dem Völkerrecht respektieren und konstruktive Beziehungen zu seinen Partnern im Ausland aufbauen.

Zick-Zack-Kurs

Trump setzt aber offenbar seinen politischen Zick-Zack-Kurs gegenüber Russland fort. Denn kurz nach seiner Raketendrohung setzte Trump eine Twitter-Nachricht ab, die wieder einlenkend klang: "Unser Verhältnis zu Russland ist schlechter als es je war, den Kalten Krieg eingeschlossen", schrieb der US-Präsident nur vierzig Minuten später. Dafür gebe es keinen Grund, meinte er. Russland sei auf wirtschaftliche Hilfe der Vereinigten Staaten angewiesen, die diese "sehr einfach" leisten könnten. Trump rief zudem alle Staaten zur Zusammenarbeit auf und stellte folgende Frage in den Raum: "Wollen wir das Wettrüsten beenden?"

Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums bezeichnete diesen Vorschlag als "eine tolle Idee". Man solle mit den Chemiewaffen der USA beginnen.

Das US-Verteidigungsministerium lehnte am Mittwochnachmittag eine Stellungnahme zu potenziellen künftigen Militär-Aktionen ab. In einer Mitteilung erklärt das Pentagon, Fragen zu Trumps Twitter-Ankündigung sollten an das Weiße Haus gerichtet werden.

Trump fährt seit Monaten Russland gegenüber eine Doppelstrategie. Einerseits pflegt er weiterhin Kontakt zu Präsident Wladimir Putin und betont seine fortbestehende Dialogbereitschaft. Andererseits prangert er regelmäßig die Rolle Russlands als Verbündeter von Machthaber Bashar al-Assad in Syrien an.

Russische Drohung beantwortet

Zuletzt eskalierte der Streit nach einem mutmaßlichen Giftgasangriff auf eine Rebellenhochburg in Syrien. Washington drohte zusammen mit Paris und anderen Ländern mit einem Militärschlag. Russland hatte am Mittwoch über seinen Botschafter im Libanon mit Vergeltungsschlägen gegen US-Streitkräfte gedroht, sollten sie Syrien mit Raketen angreifen. "Wenn es einen Angriff der Amerikaner geben sollte, dann ... würden die Raketen abgeschossen", sagte Botschafter Alexander Sasypkin am Dienstagabend dem Hisbollah-Fernsehsender al-Manar.

Es würden aber auch die Abschussvorrichtungen angegriffen, von denen aus die Raketen abgefeuert würden, sagte er unter Berufung auf eine Erklärung des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des russischen Armeechefs. Potenzielle Angriffsziele wären damit auch US-Kriegsschiffe in der Region, wenn von denen Marschflugkörper abgefeuert würden. Damit würde eine direkte Konfrontation der beiden Atommächte drohen.

Russland mahnt zur Vorsicht

Russland hat die USA indes zur Vorsicht gemahnt. Die Geschosse sollten in Richtung Terroristen und nicht auf rechtmäßige Regierungen fliegen, erklärte das Außenministerium in Moskau am Mittwoch. Der Einsatz „intelligenter Raketen“ könne ein Versuch sein, Beweise für einen mutmaßlichen Angriff mit Chemiewaffen in Syrien zu zerstören.

Schon zuvor hatte der Kreml den Westen vor einem Vergeltungsangriff gewarnt. Es müsse alles vermieden werden, "was die bereits instabile Lage in der Region destabilisieren würde", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau.

"Alle Seiten" müssten Schritte unterlassen, die in Wirklichkeit "durch nichts gerechtfertigt" seien, so Peskow. Die Lage sei bereits "sehr angespannt".

Noch am Vortag hatte Vize-Außenminister Michail Bogdanow die Gefahr einer militärischen Konfrontation als gering bezeichnet und erklärt, es gebe auf Arbeitsebene Kontakte zwischen Vertretern beider Mächte wegen Syrien. Er glaube, dass sich der gesunde Menschenverstand durchsetzen werde.

Syrien wirft USA "rücksichtslose Eskalation" vor

Die syrische Führung hat den USA eine Verschärfung der Krise vorgeworfen. "Diese rücksichtslose Eskalation durch ein Land wie die USA, das Terrorismus in Syrien unterstützt hat und noch immer unterstützt, überrascht uns nicht", zitierte die Nachrichtenagentur Sana eine ungenannte Quelle im Außenministerium.

Es sei nicht ungewöhnlich für "das amerikanische Regime, das als Luftwaffe für Daesh" gedient habe, sich die "Erfindungen und Lügen" der "Terroristen in Ost-Ghouta" anzueignen, um Syrien zur Zielscheibe zu machen, hieß es am Mittwoch. Daesh ist der arabische Name für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).

Syrien sei bereit, mit einem "unabhängigen und nicht-politisierten" Komitee neutraler Länder zu kooperieren, um Vorwürfen einer mutmaßlichen Giftgasattacke in der Stadt Douma (Duma) nachzugehen, hieß es weiter.

Unklarheit über Giftangriff

Die USA und andere westliche Staaten werfen Russland vor, für mutmaßliche Giftgasangriffe im syrischen Duma am Samstag mitverantwortlich zu sein, bei denen nach Angaben von Hilfsorganisationen bzw. der UNO rund 50 Menschen starben. Als Hauptverantwortlichen betrachten die USA die Regierung Assad Russland erklärte hingegen, die Rebellen hätten den Angriff nur inszeniert.

Laut der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gibt es sehr "schwere Indizien" für eine Verantwortung der syrischen Regierung für den jüngsten berichteten Chemiewaffeneinsatz. "Wir sehen, dass alle Umstände darauf hinweisen, dass es einen neuen C-Waffeneinsatz gegeben hat", sagte Merkel am Mittwoch.

Sie bedaure "außerordentlich", dass sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht auf den amerikanischen Vorschlag habe einigen können, sofort ein UNO-Team zur Untersuchung des Vorfalls vor Ort in der Region Ost-Ghouta entsenden zu können. "Es gibt schwere Indizien, die auf das syrische Regime weisen", sagte sie.

Die Kanzlerin wollte ausdrücklich keine Stellung nehmen zu eventuellen Militäraktionen, über die sich die USA derzeit mit Großbritannien und Frankreich abstimmen. "Über weitere Dinge möchte ich jetzt nicht reden", sagte sie.

Nahost-Experte bezweifelt Gifteinsatz durch Assad

Der deutsche Nahost-Experte Günter Meyer von der Universität Mainz bezweifelt hingegen, dass der mutmaßliche Giftgasangriff auf das Konto der Regierung von Assad geht. Die Erkenntnisse für eine solche Schuldzuweisung reichten absolut nicht aus, sagte der Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt am Mittwoch dem Sender hr-info.

Auch ergebe eine solche Attacke aus Sicht der syrischen Regierung "absolut keinen Sinn". Meyer erinnerte daran, dass zum fraglichen Zeitpunkt die letzten islamistischen Aufständischen vor dem Abzug aus ihrer ehemaligen Hochburg Ost-Ghouta standen.

Der Professor geht von einem Angriff "unter falscher Flagge" aus. "Wenn es überhaupt einen solchen Angriff gegeben hat, dann wurde er insbesondere von der Gruppe der sogenannten Weißhelme inszeniert, die eine Vielzahl von ähnlichen Fällen bereits über die Bühne gebracht haben." Diese wollten so ein Eingreifen der USA in den Konflikt provozieren.

Syriens Außenministerium wirft den USA laut einem Bericht des staatlichen Fernsehens vor, mit Lügen einen Vorwand zu schaffen, um das Land ins Visier zu nehmen. Die Amerikaner sorgten gedankenlos für eine Eskalation, hieß es am Mittwoch. Überraschend sei das aber nicht.

Im April 2017 hatten die USA als Reaktion auf einen mutmaßlichen Giftgas-Angriff auf die von Rebellen gehaltene Stadt Khan Sheickoun von zwei Kriegsschiffen im Mittelmeer aus einen syrischen Luftwaffenstützpunkt mit Marschflugkörpern beschossen.

Belastungen auf mehreren Ebenen

Mit dem Syrien-Konflikt begründet die Regierung in Washington auch die vor wenigen Tagen verhängten Wirtschaftssanktionen gegen russische Oligarchen, Regierungsvertreter und Firmen. Die Börse in Moskau brach daraufhin ein. Als weitere Gründe für die Sanktionen gelten unter anderem "boshafte Cyberaktivitäten" Russlands und Versuche, westliche Demokratien zu "untergraben" sowie der Konflikt in der Ost-Ukraine.

Russland erwägt als Reaktion auf die jüngsten US-Sanktionen Gegenmaßnahmen für amerikanische Produkte. Ministerpräsident Dmitri Medwedew sagte am Mittwoch im Parlament in Moskau, sein Land sollte bei einer möglichen Vergeltung US-Güter und von US-Firmen in Russland produzierte Waren im Blick haben. Er kritisierte die US-Sanktionen als "unlauteren Wettbewerb", die lediglich dazu dienten Russlands wirtschaftliche Entwicklung einzuschränken.

Die Beziehungen zwischen Washington und Moskau sind zudem durch die kürzlichen gegenseitigen Ausweisungen von jeweils 60 Diplomaten schwer belastet. Die Ausweisungen erfolgten im Zuge des Streits um den Giftanschlag in England auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter. London, die USA und weitere westliche Länder machen dafür die russische Regierung verantwortlich. Moskau weist dies vehement zurück.

Spaltung im UNO-Sicherheitsrat

Am Dienstag sind die Differenzen zwischen den beiden Großmächten im UNO-Sicherheitsrat offen zutage getreten: Russland legte erwartungsgemäß sein Veto gegen einen von den USA vorgelegten Resolutionsentwurf zu dem jüngsten mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien ein.

In dem Entwurf wurde ein neuer "unabhängiger Mechanismus" zur Untersuchung der Giftgasvorwürfe vorgeschlagen. Zwei von Russland zur Abstimmung vorgelegte Resolutionsentwürfe wurden ebenfalls abgelehnt.

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