Riesenpatzer? Sternstunde? Schlammschlacht? Was das erste Duell Trump gegen Harris bringt
Es wird einer dieser historischen Fernseh-Abende, da sind sich die meisten sicher.
Wenn sich die US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump am Dienstagabend im „National Constitution Center“ in Philadelphia vor den Kameras des Senders ABC gegenüberstehen, werden sich Dutzende Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen versammeln - 64 Jahre nachdem John F. Kennedy und Richard Nixon das Format des TV-Job-Interviews fürs Weiße Haus aus der Taufe gehoben hatten.
Der Schauplatz
Das „National Constitution Center“ in Philadelphia. Beginn. 21 Uhr Ostküstenzeit, d.h. 3 Uhr früh am Mittwoch in weiten Teilen Europas.
Die Spielregeln
Spickzettel verboten. Auch keine Gespräche untereinander. Wer nicht dran ist, dessen Mikrofon ist stumm. Johlendes Publikum bleibt draußen. Die Duellanten stehen hinter einem Rednerpult.
90 Minuten
dauert das Spektakel für den US-Sender ABC. Es gibt zwei Werbepausen. Die Moderation übernehmen David Muir und Linsey Davis.
Acht Wochen vor der Wahl liefern sich die nachgerückte Demokratin und der Republikaner, der bereits von 2017 bis 2021 Präsident war, in Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Anders als sonst wird der Debatte darum hohe Bedeutung für die Wahl am 5. November beigemessen. Riesenpatzer oder Sternstunde - wie das Kräftemessen ausgeht, weiß niemand. Aber die Ausgangslage hat es in sich:
Wie kann Harris gewinnen?
Indem sie nüchtern und besonnen ihre auf Chancengerechtigkeit angelegte Zukunftsvision für Amerika ausbreitet, dabei nicht den Faden verliert und Störmanöver weglächelt. Gelingt es ihr, die selbstzerstörerischen Instinkte Trumps zu triggern, dabei selber sympathisch und präsidial zu wirken, wäre sie im Vorteil. Ihr größtes Plus: Harris ist nicht Trump, den Amerika zu Genüge kennt und entweder hasst oder vergöttert. Kamala Harris ist dagegen für viele noch ein weißes Blatt Papier. Sie hat die einmalige Chance, sich selbst zu definieren.
Wo liegen für sie die größten Gefahren?
Trump liebt Schlammschlachten. Er will nicht um Ideen ringen. Er will sein Gegenüber fertigmachen. Harris muss sich in Acht nehmen. Fährt sie ihm in die Parade, dann nicht motzig und rechthaberisch. Sondern mit Augenmaß. Eine Frau mit Haaren auf den Zähnen gewinnt in Amerika keine Sympathien bei weiten Teilen der Bevölkerung.
Was müsste Trump gelingen, um zu siegen?
Der chronisch selbstbezogene, häufig lügende und neuerdings vorbestrafte Mann müsste diszipliniert bei der Sache bleiben, vulgo: Fragen beantworten, Egozentrisches unterdrücken, Harris bei den Sachthemen kenntnisreich Paroli bieten, seine Konzepte verständlich dagegenstellen und dabei vernünftig wirken. Nur so könnte er über die nibelungentreue Stammkundschaft hinaus neue Wähler gewinnen.
Wo sind die größten Risiken für ihn?
Dass er sich Komplettaussetzer leistet, oder zu frauenfeindlichen oder rassistischen Flegeleien hinreißen lässt. Was moderate Wähler abstoßen könnte. Die frühere Staatsanwältin Harris verfügt über inquisitorische Fähigkeiten. Wo Trump salbadert, ist sie im Detail meist sattelfest. Trump muss sich hüten, seine Widersacherin wie bisher für dumm zu halten. Außerdem: Legt Trump wieder nur die alte „Platte“ auf vom angeblichen korrupten Wahlsystem und einer Verschwörung gegen ihn, werden viele inhaltlich abschalten. Sie können es nicht mehr hören.
Was werden die wichtigsten Themen sein?
Harris wird sich dem Kampf für ein freies Abtreibungsrecht, der Senkung der Lebenshaltungskosten, neuen sozialen Leistungen für die Mittelschicht und dem Einsatz für die Demokratie widmen. Überschrift: Mit mir geht es in die Zukunft, mit meinem autokratisch veranlagten Konkurrenten in die Vergangenheit. Trump wird dagegen versuchen, Harris haftbar zu machen für hohe Inflation, Millionen illegaler Einwanderer, hohe Preise im Supermarkt, grassierende Kriminalität, außenpolitisches Versagen (Ukraine, Gaza), eine politisierte Justiz.
Wer hat mehr zu verlieren?
Donald Trump. Seit Harris den Platz von Biden eingenommen hat, sind seine Umfragenvorsprünge dahin. Alle Versuche, Harris aus der Balance zu bringen oder ihr einen Skandal anzudichten, sind bisher gescheitert. Die Debatte, vielleicht die einzige vor der Wahl, ist Trumps letzte Chance, der knapp 20 Jahre jüngeren Konkurrentin das Momentum zu klauen.
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