Trudeau sucht in der Ära Trump die Nähe zu Merkel

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Als erster kanadischer Regierungschef sprach Justin Trudeau vor dem EU-Parlament, heute trifft er in Berlin die deutsche Bundeskanzlerin.

Beim Antrittsbesuch in Washington demonstrierte Kanadas Premier Justin Trudeau Nähe und Einigkeit mit US-Präsident Trump. Aber hinter den Kulissen schwelen die Differenzen weiter. Deswegen will Trudeau die Beziehungen zu Gleichgesinnten stärken - und startet in Berlin. Schon der Auftakt von Justin Trudeaus Europa-Reise war geschichtsträchtig: Als erster kanadischer Premierminister sprach er vor dem Europaparlament. Erst tags zuvor hatten die Abgeordneten mehrheitlich das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA gebilligt. Aber das sei nur der "Anfang" gewesen, sagte Trudeau am Donnerstag. "Für Kanada und die Europäische Union wird das Beste erst noch kommen."

Verbindungen vertiefen

Nun steht Angela Merkel auf dem Besuchsprogramm. Über "Außenpolitik und Handelsprioritäten für Kanada und Deutschland" wollen die beiden am Freitag in Berlin sprechen, hieß es von Trudeaus Sprecher. Zuletzt haben sich die beiden im Juli 2016 am Rande des NATO-Gipfels in Warschau gesehen, seitdem nur telefonisch gesprochen, unter anderem als Trudeau nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt sein Beileid aussprach. Der Besuch diene nun dazu, die "engen Verbindungen zwischen Kanada, Deutschland und der EU weiter zu vertiefen" und Kanadas Rolle als "Anführer bei der progressiven Handels- und Investmentpolitik" zu unterstreichen, hieß es aus Ottawa. "Deutschland ist ein wichtiger Freund und Partner und ich freue mich darauf, Kanzlerin Merkel zu treffen und diese Beziehung weiter zu stärken", hatte Trudeau im Vorfeld gesagt. Die beiden Länder hätten bereits "robuste Handelsbeziehungen" und Kanada sei "immer offen für neue Wege diese Beziehungen auszubauen".

Andere Ansichten

Deutschland ist einer der zehn größten Investoren in Kanada und mit einem Volumen von 21 Milliarden Dollar 2016 der sechstwichtigste Handelspartner, die EU insgesamt ist der zweitwichtigste. An erster Stelle steht für Kanada der südliche Nachbar USA - und genau dort liegt auch ein wichtiger Anlass für Trudeaus Europa-Besuch. Zwar präsentierte er sich Anfang der Woche freundlich und einig beim Antrittsbesuch in Washington, aber hinter der Fassade könnten seine Ansichten sich kaum mehr von denen des neuen US-Präsidenten Donald Trump unterscheiden. Trudeau, immer wieder gerne als der "Kennedy Kanadas" bezeichnet, präsentiert sich stets als extrem liberal, weltoffen und macht mit seiner offensiven Pro-Flüchtlingspolitik Schlagzeilen. Trumps "America first"-Politik und seine Einreiseverbote können ihm nicht gefallen, auch wenn er in Washington höflich zu Protokoll gab, dass er in dieser Hinsicht "keine Vorträge" halten wolle.

Mit Trumps Vorgänger Barack Obama verband Trudeau in den Augen vieler Beobachter gar eine Art "Bromance", eine innige Männerbeziehung, aber in den Zeiten Trumps muss Trudeau die Beziehungen zu Staatschefs intensiveren, die ihm ähnlicher gesinnt sind - und Merkel ist da der erste Anlaufpunkt. Das Treffen sei eine symbolische Betonung gemeinsamer Werte in der Ära Trump, hieß es aus deutschen Diplomatenkreisen. Kanada müsse ein noch wichtigerer Partner werden.

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