"Jetzt werden die Griechen trotzig und zeigen es der EU"
Der Linkspolitiker Theodoros Paraskevopoulos diskutierte Montagabend auf Puls 4. Der KURIER traf ihn vorab zum Gespräch.
KURIER: Herr Paraskevopoulos, die Banken sind geschlossen, Griechenland steht vor der Pleite. Wie geht es Ihnen?
Theodors Paraskevopoulos: Angenehm ist es nicht. Unsere EU-Partner haben ein Ultimatum an ein souveränes Land gestellt, das konnten wir nicht annehmen. Das Referendum ist eine notwendige Gegenmaßnahme, denn die Euro-Gruppe zielte darauf ab, Panik zu erzeugen.
Wie wird die Frage lauten?
Akzeptieren sie den letzten Vorschlag der Euro-Gruppe? Die Regierung empfiehlt, mit Nein zu stimmen.
Was ist, wenn das Volk Ja zum EU-Hilfspaket sagt?
Dann ist die Regierung in großen innenpolitischen Schwierigkeiten. Tsipras wird jede Entscheidung akzeptieren. Ein Ja ist aber sehr unwahrscheinlich. Alle Parlamentsparteien sind gegen den EU-Vorschlag.
Was passiert, wenn die Bürger mit Nein votieren und Griechenland dann definitiv pleite ist?
Dann werden neue Verhandlungen über unsere Vorschläge aufgenommen. Ich halte die EU-Partner für erwachsene Leute. Kein vernünftiger Mensch will das europäische Projekt gefährden.
Das letzte Angebot der EU an Athen war großzügig. Warum haben es Tsipras und Varoufakis abgelehnt?
Das war ein unverschämtes Angebot mit dem Versuch, in souveräne Rechte eines Landes einzugreifen.
Tsipras und Varoufakis wollten kein Ergebnis, oder?
Das verstehe ich nicht, sie wollten ein Ergebnis.
Verhandlungen sind immer ein Kompromiss. Warum hat Griechenland keine Kompromissbereitschaft gezeigt?
Wir haben viele Positionen aufgegeben, zum Beispiel bei der Privatisierung, bei der Verwendung der Mittel des Primärüberschusses.
Warum haben Sie nicht mehr gemacht gegen Steuerhinterzieher und Korruption?
Wir haben dem Parlament ein Gesetz für gläserne Konten vorgelegt. Jede Transaktion soll dadurch für das Finanzamt sichtbar sein, auch Schwarzgeld. Wir haben deutsche Landesregierungen um technische Hilfe gebeten. Viele haben jetzt Angst, dass der Gerichtsvollzieher anklopft.
Syriza verliert an Unterstützung, die Wut der Bürger gegenüber Tsipras wächst. Haben Sie keine Angst vor Revolten und dem Sturz der Regierung?
Wir reden mit der Bevölkerung, das ist der Weg in der Demokratie. Die EU-Haltung bewirkt das Gegenteil: Jetzt werden die Menschen trotzig und zeigen es der EU. Jetzt erst recht und gebt nicht nach, das ist die Stimmung.
Die aktuelle Krise stärkt die Neofaschisten. Ist das Ihr Ziel?
Dass die Neonazis noch einmal stärker werden, das ist richtig. Man weiß, sie sind Verbrecher. Der griechische Staat zeigt Härte, wir müssen das ausfechten.
Sie haben keine Freunde mehr in der EU. Warum ist das so?
Wir haben Freunde: Gewerkschaften, Teile der Evangelischen Kirche und der Sozialdemokratie, linke Parteien. Wir haben nicht die Unterstützung von Regierungen, sie wollen nicht, dass Linke regieren. Die Ablehnung und die Härte der EU rührt von ideologischer Borniertheit her – und von Interessen.
Wird Griechenland heute die Rate an den IWF zahlen?
Das nehme ich nicht an.
Und die EZB-Rate am 20. Juli?
Wenn das so weitergeht, nicht.
Was passiert dann?
Dann kommt es zu einer großen Finanzkrise. Wir haben keine andere Wahl. Wir lassen uns nicht kaufen.
Herzlich und gastfreundlich; aber bei Einhaltung von Verabredungen – einerlei ob inhaltlich oder zeitlich – chaotisch bis zum Anschlag. Wer jüngst mit Griechenland nicht nur als Tourist zu tun hatte, kehrt mehr denn je mit dem zwiespältigem Urteil zurück: Ein wunderschönes Land mit liebenswerten Menschen, aber mehr als gewöhnungsbedürftigen Zumutungen. Zwiespältig auch der Befund, wie die Griechen nach sechs Jahren Dauerkrise zum Verbleib in EU & Euro und zur eigenen Führung stehen: Die Mehrheit will in der EU bleiben und nicht zur Drachme zurück. Gleichzeitig fand der harte Kurs der Syriza-Regierung gegenüber Brüssel frenetischen Applaus: Regierungschef Alexis Tsipras erfreute sich bislang höchster Beliebtheitswerte.
Mit seiner Volte beginnt sich die Lage dramatisch zu drehen. Denn mit dem Referendum über das EU-Rettungspaket hat sich Tsipras in eine Sackgasse verrannt. Sein Finanzminister, von vielen als "Rising Star" gefeiert, hatte sich schnell als Sternschnuppe entzaubert. Jetzt entpuppt sich der Premier bald so verbohrt wie sein Wirtschaftsberater, der in Interviews die wahre Mission seiner Regierung predigt: Am griechischen Wesen soll ganz Europa genesen.
Die Vorstellung, gestärkt mit dem empfohlenen "Nein" des Volkes an den Verhandlungstisch in Brüssel zurückzukehren, ist weltfremd. Dabei hätte ein Referendum angesichts des massiven Widerstands in den eigenen Syriza-Reihen eine gute Idee sein können: als krönender Abschluss eines Rettungspakets, zu dem beide Seiten stehen. Tsipras jetzt gewählte Dramaturgie muss scheitern: Hie Brüssel, das an frisches Geld für Athen Bedingungen wie Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen knüpft; dort das griechische Volk, das logischerweise auch jedes künftige Verhandlungsergebnis mit Daumen rauf oder runter bewerten müsste – das kann sich kein Geldgeber von Brüssel über Berlin bis Paris bieten lassen.
20. Juli: Neues Rettungspaket oder Verarmung
Dabei ist noch völlig offen, wie die Griechen am Sonntag stimmen werden: Umfragen besagen, dass sie entgegen der Tsipras-Empfehlung "Ja" zum EU-Vorschlag sagen könnten. In diesem Fall bliebe Tsipras nur der Rücktritt, allen anderen nur die neuerliche Rückkehr an den Start.
Die Würfel im Griechenland-Poker fallen so erst nach dem kommenden Sonntag: Denn der entscheidende Stichtag ist nicht der 1. Juli, an dem um 0 Uhr Washingtoner Zeit (6 Uhr Früh in Mitteleuropa) die nächste Milliarden-Rückzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig wird. Die wahre nächste entscheidende Deadline ist der 20. Juli, wenn eine Milliarden-Rückzahlungsrate Athens an die EZB fällig wird. Die EZB wird nicht wie der IWF noch einmal ein Auge zudrücken können, sondern den roten Alarmknopf drücken müssen: Griechenland wäre dann in der Tat zahlungsunfähig, mit allen dramatischen Folgen: Pleite, Grexit, Drachme – und einer weiteren massiven Verarmung. Etwas, das niemand dem liebenswerten griechischen Volk wünschen kann und will. Es sei denn, die EU knüpft nach dem Referendum gemeinsam mit den Griechen ein neues Auffangnetz .
Die Weichen dafür stellen die Griechen selber– bei ihrer Volksabstimmung am kommenden Sonntag.
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