In den vergangenen Jahren wurde die Dürre in der Region zu einem ernsten Problem. Und das dürfte sich künftig vor allem in der iranischen Grenzregion verschärfen – denn Mitte Mai begannen die Taliban mit dem Bau eines Staudammes beim Fluss Farah, der einen wichtigen iranischen See speist. 100.000 Hektar Land sollen damit in Afghanistan bewässert werden können, vor allem aber soll die Stromversorgung gewährleistet werden. Wasser, das wiederum dem Iran fehlen dürfte.
Bereits Anfang Mai rief der iranische Präsident Ebrahim Raisi die Taliban dazu auf, den Wasserfluss nicht weiter zu behindern und berief sich auf ein Wasser-Abkommen aus dem Jahr 1973, als beide Staaten noch keine Gottesstaaten waren. Der Damm beim Farah-Fluss ist allerdings nicht das einzige Projekt, das die Wasserzufuhr in den Iran drosseln wird: Auch am Hari-Fluss weiter nördlich ist ein Damm geplant, vor zwei Jahren wurde der Kamal Khan-Damm am Fluss Helmand fertiggestellt, einer der wichtigsten Lebensadern.
Konflikte ums Wasser
Auch wenn eine große militärische Eskalation zwischen Teheran und Kabul derzeit nicht sehr wahrscheinlich ist (mehr dazu später), ist das Wasser in einigen Konflikten ein brisantes Thema. Der türkische Atatürk-Staudamm am Euphrat lässt die Sorgen vor Dürren in Syrien wachsen, der „Grand Ethiopian Renaissance Dam“ sorgt seit Jahren für Spannungen zwischen Ägypten, dem Sudan und Äthiopien. Im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland kappte Kiew die Süßwasserversorgung zur Krim – mit verheerenden Folgen.
Dass – wie 1985 der ägyptische Diplomat und spätere UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali prophezeit hatte – bald Kriege ums Wasser geführt werden, ist noch nicht eingetreten, wiewohl die Ressource immer wieder eine Rolle bei Kriegsgründen spielt (bereits lange vor 1985).
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Und auch die aktuellen Spannungen zwischen Iran und Afghanistan dürften sich nicht zu einem Krieg auswachsen: Ginge es um das Wasser an sich, müsste der Iran weite Teile des Landes einnehmen – und davor schreckte man bisher stets aus gutem Grund zurück. Weder die Sowjetunion noch die USA noch Alexander der Große konnten sich in Afghanistan nachhaltig durchsetzen. Dazu ist der Iran mit den Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan, Protesten und Spannungen im Westen beschäftigt, dürfte sich keine weitere große Front leisten wollen.
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Wahrscheinlicher sind – von iranischer Seite - Handelsbeschränkungen und Grenzschließungen, die Ausweisung von Taliban-Diplomaten aus dem Land und die Ausweisung aller afghanischen Flüchtlinge. Dies hätte schwerwiegende Auswirkungen auf die ohnehin schon schwierige soziale und humanitäre Lage im Nachbarland. Doch auch die Taliban, die ihre Regierung legitimieren und der Bevölkerung zeigen wollen, dass sie neben der militärischen auch die zivile Komponente beherrschen können, sind auf keinen Krieg aus.
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