Der aktuelle Vizepräsident steht aus der Sicht Pekings viel zu nahe bei den USA und tritt für viel zu viel Abstand von China ein. Von einer Unabhängigkeit der Insel redet aber nicht einmal William Lai – er weiß genau: Für China wäre das ein Kriegsgrund.
Chinas Trolle
Warum dann überziehen Pekings Trolle die Insel mit fake news, hetzten gegen Lai und drohen gar nicht besonders dezent mit Kriegsszenarien? Für Chinas allmächtigen Staatschef Xi Jinping ist es ein Pflichtprogramm: Taiwan und China müssen wiedervereinigt werden, bevorzugt friedlich – aber wenn das nicht geht, dann früher oder später auch mit Gewalt.
Und ein möglicher Wahlsieger William Lai, das ist aus der Perspektive Pekings einer, der die Insel in die falsche Richtung führt.
Seeblockade
Leider kann das chinesische Grollen in Richtung Taiwan auch in Österreich niemandem so egal sein, als ob in China ein Reissack umfiele.
Da würde schon eine chinesische Seeblockade gegen die Insel reichen – und bei uns schießen wieder die Preise in lichte Höhen. Denn die Gewässer der Taiwan-Staße gehören zu den wichtigsten Seerouten: Fast die Hälfte aller Containerschiffe der Welt fahren zwischen der Volksrepublik und der freien Insel hindurch.
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Aber noch viel fataler: Weitgehend blockiert wäre auch der Export von Halbleitern aus Taiwan, dem mit Abstand weltweit größten Hersteller von Mikrochips. Das Land produziert mehr als 70 Prozent der Halbleiter weltweit, und mehr als 90 Prozent der allermodernsten Chips.
Ohne diese aber geht in der Technik nichts mehr; sie stecken in fast allem: Smartphones, Laptops, Autos, Kühlschränke, Fernseher, Maschinen, Waffen.
China würde sich damit ins eigene Fleisch schneiden. Durch den totalen Handelsstopp mit Taiwan würde Chinas BIP im ersten Jahr um fast 9 Prozent einbrechen, haben Experten der Wirtschaftsagentur Bloomberg errechnet. Sogar die weltweite Wirtschaftsleistung würde um 5 Prozent sinken.
Aber das Beispiel Russland hat bewiesen: Was vernünftig gewesen wäre, nämlich tunlichst alle Finger von einem verheerenden Krieg gegen die Ukraine zu lassen, muss noch lange nicht Ziel des Kremlherrn sein. Und so sollte man auch im Fall Chinas nicht blind darauf vertrauen, dass die Vernunft in der Taiwan-Frage in Peking siegt.
10.000.000.000.000. Dollar
So richtig schlimm aber wäre ein militärischer Überfall Chinas. Dass die USA dann einfach nur zusehen, gilt als ausgeschlossen. Immer wieder hat US-Präsident Joe Biden versichert : "Ja" – im Angriffsfall würden die Vereinigten Staaten Taiwan beistehen. Auf dem Papier wären sie wegen eines 40 Jahre alten Abkommens ohnehin dazu verpflichtet.
Was dann auf die Welt zukäme, wäre von den wirtschaftlichen Folgen her gesehen katastrophaler als Covid-Pandemie und Ukraine-Krieg zusammen: 10 Billiarden, also 10.000 Milliarden Dollar betrüge der Schaden – in etwa ein Zehntel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Chinas BIP würde um knapp 17 Prozent sinken, jenes von Taiwan um verheerende 40 Prozent und das der USA um 6,7 Prozent: Wie die Experten bei Bloomberg errechneten, würde bei diesem Szenario nicht nur der gesamte Handel mit China einbrechen, auch jener mit Japan, Südkorea und den meisten anderen südostasiatischen Staaten würde schwer leiden. So heftig also wären die Folgen, dass so mancher China-Experte darauf hofft: Vor solch einer Katastrophe werde Peking doch wohl zurückschrecken.
Bleibt noch der letzte unsichere Kantonist in diesem geopolitischen Hochrisiko-Poker: Die USA beziehungsweise deren Präsident. So viele offene Fragen: Gibt Biden angesichts all der anderen Kriege dem Druck Chinas nach - oder drängt ihn ein polternder Donald Trump im Wahlkampf zu einer Überreaktion?
Würde ein US-Präsident Trump Taiwan nicht verteidigen, wie er schon in seiner ersten Amtszeit versichert hatte? Oder würde er die bedrängte Insel gegen China nutzen?
Millionen Taiwaner werden jedenfalls am Samstag an die Urnen gehen – aber über Krieg und Frieden auf ihrer Insel, über die daraus resultierenden Folgen für die ganze Welt – darüber entscheiden andere.
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