Syriens Diktator setzt auf Doppelstrategie

Bashar al-Assad lässt eine Art Mehrparteiensystem zu. Seine Sicherheitskräfte schießen aber weiter auf alle, die mehr verlangen.

Jahrelang pumpte das Tourismusministerium in Damaskus viel Geld in die Werbung im Ausland für Syrien als Urlaubsdestination. Eines der Highlights: Die historischen Wasserräder in Hama. Heute parken keine Touristenbusse in der dortigen Altstadt, sondern Panzer.

Die Einwohner von Hama haben ihren Protest gegen das Regime mit Dutzenden Toten bezahlt. Die wenigen Stimmen aus der von Sicherheitskräften umstellten 70.000-Einwohner-Stadt, die das Ausland erreichen, sprechen von maßloser Gewalt, von Panzergeschoßen und Maschinengewehrfeuer. Und vom Gefühl, von der Welt verlassen zu sein.

Verlassen sind sie aber nicht nur von der Staatengemeinschaft, die sich nur zu wenig effizienten Sanktionen und einigen Worten des Entsetzens durchringen kann. Verlassen sind die Aufständischen auch von den eigenen Leuten. Denn nach wie vor bleibt der im März begonnene Protest gegen den Diktator und seine Helfershelfer auf die Provinz und bestenfalls auf Vororte der Metropolen beschränkt.

Stumme Oberschicht

Die Mittel-, erst recht die Oberschicht in der zweitgrößten Stadt Aleppo und jene in Damaskus halten still. Denn viel zu viel haben all jene zu verlieren, die ihr komfortables Leben dem Assad-System verdanken. Es sind nicht nur die höheren Beamten, die Chefs der Sicherheitsdienste, sondern auch die schwerreichen Geschäftsleute.

"Assads Machtzirkel haben so viel zu verlieren, dass sie nur Sieg oder Untergang kennen", analysiert der Tagesspiegel . "Die Familienclans und Personenverbände des Baath-Systems (der regierenden sozialistischen Partei, Anm.) halten alle Fäden in der Hand und sind durch zahllose wechselseitige Loyalitäten ineinander verstrickt."

Diese Baath-Partei, die 1963 zum Machtapparat wurde, bekommt nun politische Konkurrenz. Ein Gesetz, wonach Syrien ein Mehrparteiensystem verpasst wird, hat Bashar al-Assad jetzt unterzeichnet. Aber so wie der studierte Augenarzt nach den Großdemonstrationen in seinem Reich das Jahrzehnte geltende Ausnahmerecht außer Kraft setzte, ohne dass sich dies im Alltag niedergeschlagen hätte, und so wie er ein paar nicht mehr tragbare Gouverneure in die Wüste schickte, glauben Demokratie fordernde Syrer nun auch nicht, dass sie tatsächlich politischen Pluralismus erleben werden. Schließlich finden sich im neuen Gesetz Beschränkungen: Keine Parteien auf ethnischer oder religiöser Basis. Und jede neue Partei muss die Vormachtstellung der Baath-Partei anerkennen.

Nicht zuletzt weiß jeder Syrer, dass echte Demokratisierung bedeutete, der Apparat müsste seine eigene Entmachtung betreiben. Und dass Assad für die USA und die Regionalmacht Israel noch immer das kleinere Übel ist, weswegen man ihn gewähren lässt. Denn nach ihm könnte in dem geostrategisch, ethnisch und religiös so brisanten Land das Chaos mit Blutbädern zwischen Volks- und Religionsgruppen folgen wie im Irak.

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