Syrische Armee beherrscht fast ganz Ost-Aleppo

Zerstörung, wohin das Auge blickt.
Von Russland verkündete Feuerpause nicht eingehalten. Syrisches Regime nach Luftschläge wieder auf. Tausende aus Ost-Aleppo geflüchtet.

Die syrische Luftwaffe hat nach Angaben von Aktivisten Stunden nach einer von Moskau verkündeten Feuerpause am Freitagnachmittag erneut den Osten der Stadt Aleppo angegriffen. Die Angriffe galten den nur noch wenigen noch von Aufständischen kontrollierten Gebieten, wie die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, die den Rebellen nahe steht.

Zuvor hatten die Beobachtungsstelle und ein AFP-Reporter in Ost-Aleppo berichtet, seit dem Vorabend habe es keine Luftangriffe mehr auf Aleppo gegeben, allerdings seien Rebellengebiete die Nacht über mit Artillerie beschossen worden.

Russland, ein Verbündeter der syrischen Führung, hatte am Donnerstagabend überraschend eine Feuerpause in Aleppo verkündet. Die syrische Armee habe ihre "Kampfeinsätze" in von Rebellen gehaltenen Ostteilen der Stadt eingestellt, um eine großangelegte Evakuierungsaktion zu ermöglichen, sagte Außenminister Sergej Lawrow

Tausende Menschen verlassen die Stadt

Syrische Armee beherrscht fast ganz Ost-Aleppo
People, who evacuated the eastern districts of Aleppo, wait in a government held area of Aleppo, Syria December 9, 2016. REUTERS/Omar Sanadiki
Der russische Verteidigungsminister Sergej Rudskoj sagte, die syrische Armee habe mittlerweile 93 Prozent von Ost-Aleppo eingenommen. In den vergangenen 24 Stunden hätten 12.500 Menschen Ost-Aleppo verlassen, darunter 4000 Kinder. 30 Aufständische hätten die Waffen niedergelegt.

Von den jüngsten Angriffen besonders betroffen war nach den Informationen der Beobachtungsstelle das Stadtviertel Bustan al-Qasr. Das von Aufständischen kontrollierte Gebiet ist innerhalb weniger Tage stark geschrumpft.

Lawrow: "Angriffe gegen Banditen"

Syrische Armee beherrscht fast ganz Ost-Aleppo
ABD0015_20161209 - Der russische Au§enminister Sergej Lawrow spricht am 09.12.2016 in den Messehallen in Hamburg auf einer Pressekonferenz am Rande der Sitzung des OSZE-Ministerats. Foto: Christian Charisius/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Der russische Außenminister Sergej Lawrow lehnte am Freitag eine Einstellung der Luftangriffe auf die noch von Rebellen kontrollierten Gebiete ab. "Die Angriffe werden so lange weitergehen, wie noch Banditen in Aleppo sind", sagte Lawrow am Rande des OSZE-Ministerrats in Hamburg. Lawrow relativierte seine Ankündigung vom Donnerstagabend zu einer begrenzten Feuerpause. Er sprach nun von einer "humanitären Unterbrechung" der Angriffe. Ziel sei gewesen, "dass Zivilisten die Stadt verlassen konnten, die dies wollten". Von einer Einstellung der Kampfhandlungen sei nie die Rede gewesen. Russland unterstützt das syrische Regime im Kampf gegen Rebellen.

Lawrow kritisierte, die USA verträten in den Verhandlungen mit der russischen Regierung zu Syrien eine seltsame, widersprüchliche Position. Er sehe dennoch weiter gute Chancen für eine Einigung mit den USA. Voraussetzung sei aber, dass diese sich an einem Militärexperten-Treffen zu Aleppo am Samstag in Genf beteiligten.

Einst blühende Kulturmetropole

Syrische Armee beherrscht fast ganz Ost-Aleppo
ATTENTION EDITORS - REUTERS PICTURE HIGHLIGHTA man stands inside Aleppo's historic citadel, overlooking Aleppo city, Syria December 11, 2009. Picture taken December 11, 2009. REUTERS/Khalil Ashawi TPX IMAGES OF THE DAYREUTERS NEWS PICTURES HAS NOW MADE IT EASIER TO FIND THE BEST PHOTOS FROM THE MOST IMPORTANT STORIES AND TOP STANDALONES EACH DAY. Search for "TPX" in the IPTC Supplemental Category field or "IMAGES OF THE DAY" in the Caption field and you will find a selection of 80-100 of our daily Top Pictures.REUTERS NEWS PICTURES. TEMPLATE OUT
Aleppo war früher eine blühende Wirtschafts- und Kulturmetropole, geriet dann aber in den Mittelpunkt des Bürgerkriegs. Die seit Jahren umkämpfte Stadt war bis vor kurzem in einen von der Regierung kontrollierten Westen und einen von Aufständischen gehaltenen Osten geteilt. Mitte November startete die syrische Führung eine neue Großoffensive, um Aleppo vollständig zurückzuerobern.

Es gebe "sehr besorgniserregende" Angaben, wonach Hunderte Männer aus Aleppo vermisst würden, nachdem sie in von Regierungstruppen kontrollierte Gebiete geflohen seien, sagte der Sprecher des UNO-Menschenrechtshochkommissariats, Rupert Colville. Zugleich gebe es Hinweise, dass Zivilisten von syrischen Aufständischen daran gehindert würden, den umkämpften Osten Aleppos zu verlassen. Verantwortlich sei die Fateh-al-Sham-Front, die frühere Al-Nusra-Front.

Zwölf Tote bei Angriff der türkische Armee

Bei Angriffen der türkischen Armee und syrischer Rebellen auf die vom IS kontrollierte Stadt Al-Bab im Norden Syriens sind unterdessen mindestens zwölf Menschen getötet worden. Zehn Menschen seien durch Artillerie und Luftschläge verletzt worden, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, die Luftwaffe habe in Nordsyrien zehn Ziele der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) beschossen. Dabei habe es sich unter anderem um Verstecke und Lager gehandelt. Opfer erwähnte Anadolu nicht. Die türkische Armee und Rebellen hätten zuvor eine neue Offensive auf Al-Bab begonnen, erklärten die Menschenrechtler. Anadolu zufolge verlegte Ankara weitere 300 Soldaten an die Grenze. Die Türkei bekämpft in Syrien neben dem IS auch die Kurdenmiliz YPG, die eng mit der verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei verbunden ist.

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