Trübe Aussichten am Genfer See

Syrien-Konflikt: Beide Seiten unversöhnlich. Lokale Waffenruhen, humanitäre Korridore aber denkbar.

Dort, wo alljährlich im Juli beschwingte Rhythmen beim Jazz-Festival für Stimmung sorgen, herrscht heute der Blues: 30 Außenminister und höchstrangige Vertreter von internationalen Organisationen treffen in Montreux am Genfer See, Schweiz, mit Repräsentanten des syrischen Regimes und der Opposition zusammen, um eine Lösung des Konflikts im nahöstlichen Bürgerkriegsland zu orchestrieren. Man stellte sich auf massive Dissonanzen ein. Zumal schon das Präludium vergeigt wurde.

Denn nachdem UN-Generalsekretär Ban Ki-moon auch dem Iran einen Part im Konzert der Teilnehmer zugedacht hatte, zog er diese Einladung wieder zurück. Er sei enttäuscht, dass sich Teheran entgegen vorherigen Zusagen nicht zu den Zielen der Konferenz bekenne, die am Freitag nach Genf übersiedelt und dann erst so richtig startet, argumentierte der Südkoreaner. In Wahrheit hatten die USA und die syrische Exilopposition Druck ausgeübt. Letztere hatte für den Fall der Anreise einer iranischen Delegation gar mit Boykott gedroht.

Opposition zerstritten

Im Grund soll in Montreux und Genf an der Partitur weitergeschrieben werden, die im Juni 2012 unvollendet blieb und im syrischen Kriegswirbel sang- und klanglos unterging: Eine Übergangsregierung, der Teile des jetzigen Regimes und die Opposition angehören, diese solle eine neue Verfassung ausarbeiten, ehe Neuwahlen erfolgen.

Der Haken dabei: Für die zerstrittene Opposition ist jede künftige Variante, in der Assad auch nur den kleinsten Einfluss haben könnte, inakzeptabel. Doch dieser sitzt aufgrund der militärischen Erfolge des vergangenen Jahres fester im Sattel als zu Beginn des Bürgerkrieges 2011 – ermöglicht wurde dies durch russische Waffenlieferungen sowie der Kampf-Unterstützung durch libanesische Hisbollah-Milizionäre (3000– 5000) und iranische „Revolutionsgardisten“ (bis zu 20.000). Und er geriert sich als Bollwerk gegen radikal-islamische Verbände, die jegliche Gespräche ablehnen und mit saudischer und katarischer Hilfe eine dominante Kraft unter den Aufständischen geworden sind, was den Westen aufschreckt.

Dementsprechend selbstbewusst tritt der Damaszener Tyrann auf. In einem Interview mit der französischen Nachrichtenagentur AFP deutete Assad an, im kommenden Juni wieder für die Präsidentschaft kandidieren zu wollen. Einer Beteiligung von oppositionellen Exil-Politikern erteilter er eine Absage. Das sei unsinnig.

Insofern erwartet niemand den großen Wurf. Im Idealfall können sich die Konfliktparteien auf lokal begrenzte Feuerpausen und die Öffnung von humanitären Korridoren einigen, um die Not leidenden Menschen zu versorgen. Denn in Wahrheit, zitiert die New York Times einen westlichen Diplomaten, gehe es je nach Standort darum, „die Macht zu erhalten oder an sie zu gelangen. Und zu Sommerende sprechen wir von 150.000 bis 200.000 Toten (derzeit 130.000)“.

Die Unterhändler des Regimes und der Opposition sind am Dienstagabend am Ort der Syrien-Friedenskonferenz in Montreux in der Schweiz eingetroffen. Die Regierungsdelegation erreichte die Stadt am Genfer See nach einem mehrstündigen Zwischenaufenthalt auf dem Athener Flughafen in den späten Abendstunden.

Kurz zuvor waren schon die Vertreter der Opposition in Montreux eingetroffen. Neben den beiden Delegationen nehmen auch Vertreter von rund 40 Ländern und regionalen Staatenbünden an den Gesprächen teil.

Außenminister nannte Assads Zukunft "rote Linie"

Die politische Zukunft von Syriens Staatschef Bashar al-Assad ist für dessen Regierung bei der Friedenskonferenz im schweizerischen Montreux nicht verhandelbar. "Fragen, die den Präsidenten und das Regime betreffen, sind rote Linien für uns und das syrische Volk", sagte Außenminister Walid Muallim am Dienstag laut der amtlichen Nachrichtenagentur Sana. "Die Präsidentschaft ist unantastbar."

Den Gesprächen am Genfer See wolle seine Regierung dennoch zum Durchbruch verhelfen, sagte Muallim (al-Muallem) nach der Ankunft am Abend: "Wir setzen uns dafür ein, dass diese Konferenz ein Erfolg wird und ein erster Schritt auf dem Weg zu einem Dialog zwischen Syrern auf syrischem Boden." Die Ausladung des Irans von der Konferenz bezeichnete Muallim als einen "großen Fehler". UN-Generalsekretär Ban hatte die Islamische Republik am Sonntag zu der Syrien-Konferenz eingeladen und dies weniger als 24 Stunden später wieder rückgängig gemacht.

Der von den USA – weil leicht gängelbar – auf den Schild gehobene UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ist nicht dafür bekannt, mutige Entscheidungen zu treffen. Am Sonntag traf er aber eine und bat den Iran zu den Syrien-Friedensgesprächen nach Genf. Ein kluger Ansatz, ist doch Teheran als wichtigster regionaler Verbündeter des Machthabers in Damaskus, Bashar al-Assad, ein Schlüsselspieler in dem weit über Syrien hinausreichenden Konflikt. Doch nach nicht einmal 24 Stunden knickte der Südkoreaner auf Druck aus Washington ein und lud den Iran wieder aus. Das ist ein erbärmliches Präludium für die Schweizer Konferenz.

Die Erfolgsaussichten? Gegen null. Die zerstrittene Opposition eint nur eines: Assad muss weg. Dieser denkt nicht daran und philosophiert über eine weitere Amtszeit. Er macht dies aus einer Position der Stärke: Auf dem Schlachtfeld hat er sich mit iranischer (und russischer) Hilfe erfangen, und unter westlichen Diplomaten setzt sich mehr und mehr die Überzeugung durch, dass ein säkularer Tyrann das kleiner Übel ist im Vergleich zu den Dschihadisten, die Syrien in einen Gottesstaat verwandeln wollen. Sie lehnen jeden Dialog ab und ziehen in ihren „Heiligen Krieg“. Somit geht das Schlachten in Syrien weiter.

Sein dienstlicher Auftrag war es, Fotos zu machen –von all den Opfern des Assad-Regimes, die in deren Gefängnissen grausam zu Tode gefoltert werden waren. 11.000 dieser Fotos hat Caesar, so sein heutiger Deckname, angefertigt. Eigentlich waren sie dazu da, um den Tod der Häftlinge für die Verwandten zu dokumentieren. Jetzt aber dokumentieren sie die systematischen Menschenrechtsverletzungen des syrischen Assad-Regimes vor der Weltöffentlichkeit.

Der Fotograf schaffte es, die Bilder samt der dazugehörigen Unterlagen auf elektronische Datenträger zu speichern und aus dem Land zu schmuggeln. Dort übergab er sie drei Rechtsanwälten, die in der Vergangenheit Erfahrungen im Umgang mit derartigen Dokumenten gemacht hatten. Desmond de Silva, Geoffrey Nice und Desmond Crane haben an den UN-Tribunalen über die Kriegsverbrechen in Sierra Leone und im ehemaligen Jugoslawien mitgewirkt.

Die drei Juristen überprüften das Material eingehend und interviewten auch den Überbringer, Caesar, ausführlich. Ihr Befund: Er sei glaubwürdig und erzähle die Wahrheit, die gelieferten Dokumente seien überzeugend.

Was sie zeigen, ist Folter und grausame Tötung von meist jungen Männern durch alle nur erdenkbaren Arten von Grausamkeiten. Die Opfer waren ausgehungert, oft verstümmelt und sie trugen Zeichen der Behandlung mit tödlichen Stromstößen. Manchen waren die Augen ausgestochen worden, andere mit Kabeln oder Schnüren erwürgt worden.

Ein 31-seitiger Bericht wurde erstellt, der an UN-Behörden, internationale Menschenrechtsorganisationen und an zwei Medien übergeben wurde, den US-Nachrichtensender CNN und die britische Zeitung The Guardian. Doch das Material, so beurteilen es die drei Rechtsexperten, könnte in Zukunft noch weit größere Bedeutung bekommen: Als Beweise für einen Prozess gegen den syrischen Diktator vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

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