Golan: Syrien provoziert Israel

Ein Soldat steht neben einem beschädigten Militärfahrzeug.
Das Assad-Regime bekennt sich zu Beschuss. Israels Nichteinmischung ist auf dem Prüfstand. Ein Abzug des Österreich-Kontingents wird diskutiert.

Granatfeuer aus Syrien richtete sich in der Nacht zum Dienstag auf eine israelische Militärstreife. Zum dritten Mal in einer Woche. Zum ersten Mal im Norden der Golan-Höhen am Hermon-Berg. Und erstmals erklärte die syrische Armeeführung, ihre Einheiten hätten ein israelisches Fahrzeug zerstört, das auf syrisches Staatsgebiet vorgedrungen sei.

Diesmal schoss Israel zurück. Mit einer 100.000-Euro-Rakete vom Typ Tammus. „Wir werden uns nicht zugunsten einer der Kampfseiten einmischen“, so Israels Premier Benjamin Netanyahu noch am Montag, „doch wird israelisches Interesse direkt bedroht, werden wir aktiv.“

Immer häufiger wird Israels Nichteinmischungsabsicht von Grenzgeplänkeln gestört, die sich über Nacht von einem taktischen zu einem strategischen Problem ausweiten können. In den letzten Monaten reagierte die israelische Armee drei Mal mit Gegenfeuer auf Fehlfeuer, das fast täglich auf israelisch kontrolliertem Gebiet einschlägt. Drei Mal griffen israelische Kampfflugzeuge seit Februar syrische Waffentransporte an die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah auf syrischem Boden an.

Bei den Grenzgeplänkeln ist oft kaum festzustellen, ob regierungstreue Truppen oder Aufständische schossen. Aber Medienberichte, dass syrische Raketen auf Israel gerichtet seien, haben Besorgnis ausgelöst. Und eine Erklärung der libanesischen Hisbollah zur „Befreiung Palästinas vom zionistischen Feind vom Boden Syrien aus“ wird in Jerusalem jedenfalls ernst genommen.

Aus dem Iran kam eine fast gleichlautende Erklärung, die den Bürgerkrieg in Syrien als Vorstufe zur „Rückeroberung Palästinas“ sieht. Teheran versucht mit Hilfe der verbündeten Hisbollah und auch eigener Kräfte verstärkt in die Kämpfe in Syrien einzugreifen.

Für Israel stellt sich in Sachen Syrien jedenfalls schon lange nicht mehr die Frage: Hilfe oder Nichteinmischung? Es geht um Abwägungen, deren Auswirkungen letztlich unberechenbar sind. Die Frage lautet nun: Was ist falscher?

Auf der einen Seite das berechenbarere Assad-Regime, das über Jahrzehnte an der Grenze zu Israel Ruhe wahrte. Dessen Zerschlagung aber die schiitische Achse Iran-Syrien-Libanon auflösen würde.

Sorge vor Islamisten

Andererseits eine völlig unberechenbare aufständische Seite, deren radikale Elemente Israel in einen neuen Terrorkrieg ziehen können: Neben Raketen der Hisbollah aus dem Libanon drohen dann auch Raketen von Islamisten aus Syrien, wenn das Land langfristig zum Ausgangspunkt sunnitisch-salafistischen Terrors würde.

Assad und Netanyahu stehen vor einem Dilemma, für viele ist es dasselbe: Je stärker Israel in syrische Kämpfe verwickelt wird, desto weniger Kraft hat es für einen Angriff auf den Iran. Desto geringer aber auch die Aussichten Assads, sein Regime zu retten.

Jordanien macht Grenzen für Flüchtlinge dicht

Vor dem heutigen Treffen der „Freunde Syriens“ in der jordanischen Hauptstadt Amman hat Jordanien die Grenzen für syrische Flüchtlinge dicht gemacht. In einem Grenzort alleine sollen mindestens 1000 Flüchtlinge auf der syrischen Seite festsitzen. 470.000 Syrer sind bereits seit Beginn des Krieges nach Jordanien geflohen. Jordanien wolle mit der Aktion auf seine Situation aufmerksam machen, so ein Diplomat.

Da „Österreicher (von dem Zwischenfall – siehe oben) überhaupt nicht betroffen“ gewesen seien, sagte ein Sprecher des heimischen Verteidigungsministeriums der APA, habe sich an der Gefährdungslage der rund 375 Bundesheersoldaten auf dem Golan nichts geändert. Seit Beginn der UN-Mission 1974 habe es schon mehrere derartige Situationen gegeben.

Außenminister Michael Spindelegger sieht den Einsatz der Blauhelme dennoch in Gefahr: „Wenn wir das Waffenembargo für die syrische Opposition aufheben, dann wird es für uns sehr, sehr schwierig, das Mandat zu erfüllen“, so der VP-Chef. In diesem Fall könnte die Situation so unübersichtlich werden, dass über einen Abzug nachzudenken sei.

Hintergrund: Mit Ende Mai laufen die EU-Sanktionen aus, auch das Waffenembargo. Vor allem Großbritannien will es nicht mehr verlängert sehen. Mit der Causa wird sich auch der EU-Gipfel am Mittwoch beschäftigen.

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