Nach dem Umsturz in Syrien: Hoffnung auf Gaza-Deal

Menschen in Syrien zeigen das Victory- Zeichen. Ein verbreitetes Symbol für den Sieg im Nahost. Symbolbild. 
Wandel in Nahost. Der Umsturz in Syrien bringt auch neue Hoffnung auf Frieden und Waffenruhe in Israel und der Region.

Nach dem Umsturz in Syrien schöpfen die Vermittler im Gaza-Krieg Hoffnung auf einen Durchbruch bei den Verhandlungen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas. Die Hamas sei jetzt zu einer Vereinbarung bereit, die es Israels Truppen bei Einstellung der Kämpfe erlauben würde, vorübergehend im Gazastreifen zu bleiben, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf arabische Vermittler.

Die Hamas habe zudem den Vermittlern eine Liste mit Geiseln übergeben, die sie im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung freilassen würde. Wie das Außenministerium in Wien auf APA-Nachfrage mitteilte, könne man derzeit nicht sagen, ob Tal Shoham auf der Liste stehe. Der 39-jährige Doppelstaatsbürger ist die einzige österreichische Geisel in Gaza. Er wurde am 7. Oktober mit seiner Familie von der Hamas entführt.

UNO-Vollversammlung fordert sofortige Waffenruhe in Gaza

Kurz zuvor hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen per Resolution eine sofortige, bedingungslose und andauernde Waffenruhe gefordert sowie die sofortige Freilassung der Geiseln. Österreich und 157 weitere Mitgliedsländer stimmten für den Entwurf, neun dagegen - darunter die USA und Israel. Israels Verteidigungsminister Israel Katz sagte seinem US-Kollegen Lloyd Austin jedoch, es gebe jetzt eine Chance für ein Abkommen.

Zudem verabschiedete die UNO-Vollversammlung nun eine Resolution, die das Mandat des zuletzt umstrittenen UNO-Palästinenserhilfswerks UNRWA unterstützt. 159 Länder stimmten dafür, neun dagegen, elf enthielten sich, darunter auch Österreich. Beide Resolutionen bekamen somit die notwendigen Zweidrittelmehrheiten.

Resolutionen der UNO-Vollversammlung sind nicht bindend, haben aber politische Symbolkraft. Im vergangenen Jahr verabschiedete das Gremium bereits zweimal ähnliche Resolutionen, diesmal ist die Sprache des Papiers jedoch deutlicher und die Forderung vehementer formuliert.

Österreich stimmte für Waffenruhe

In einer Aussendung des österreichischen Außenministeriums zur Abstimmung in der UNO-Vollversammlung hieß es: "Israelis sind traumatisiert vom 7. Oktober 2023. 100 Geiseln, darunter ein österreichischer Familienvater, werden noch immer von Hamas-Terroristen festgehalten." Auf der anderen Seite hätten "zehntausende Palästinenser ihr Leben verloren". Die humanitäre Lage in Gaza sei "katastrophal". Damit dieses Leiden ein Ende habe, "wird in der Resolution ein dringender Waffenstillstand gefordert; damit die Geiseln endlich freikommen und mehr humanitäre Hilfe die Zivilbevölkerung in Gaza erreicht." Die Befreiung aller Geiseln und der ungehinderte humanitäre Zugang seien seit vielen Monaten österreichische Kernforderungen.

Enthaltung Österreichs bei UNRWA-Resolution

Zur Resolution bezüglich des UNO-Palästinenserhilfswerks UNRWA hielt das Außenministerium fest, Österreich habe seit dem 7. Oktober 2023 53 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza und der vom Konflikt schwer gebeutelten Region bereitgestellt. UNRWA sei "in der jetzigen Situation in Gaza das logistische Rückgrat der gesamten humanitären Hilfe". Mit der Annahme der Gesetzesentwürfe in der Knesset werde die Arbeit von UNRWA "de facto lahmgelegt". Kurzfristig gebe es keine Alternative zur Arbeit von UNRWA. "Wir erwarten dringend einen glaubwürdigen und realistischen Plan Israels, wie besonders die humanitäre Hilfe in Gaza sichergestellt werden kann."

Österreich habe das seinen israelischen Partnern gegenüber auch unmissverständlich klargemacht, zuletzt beim Treffen von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) mit seinem israelischen Amtskollegen Gideon Saar Anfang Dezember. Gleichzeitig stehe aber außer Frage, dass nach den Berichten über Verwicklungen von UNRWA-Mitarbeitern in den Terrorangriff der Hamas "sehr viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit zerstört" worden sei. Es liege noch viel Arbeit vor UNRWA, wenn es darum geht, den eingeschlagenen Reformpfad fortzusetzen. Daher habe sich Österreich bei der Abstimmung enthalten.

Die Hamas scheint sich zu bewegen

Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, will am Donnerstag in Israel mit Regierungschef Benjamin Netanyahu sprechen, bevor er nach Katar und Ägypten weiterreist. Die beiden arabischen Länder vermitteln zusammen mit den USA seit Monaten zwischen Israel und der Hamas, da die beiden Kriegsparteien nicht direkt miteinander verhandeln. Auch US-Außenminister Antony Blinken führt erneut Gespräche im Nahen Osten und wird heute in Jordanien und in der Türkei erwartet, wie das Außenministerium in Washington mitteilte.

Monatelang hatte die Hamas darauf bestanden, dass sie einem neuen Abkommen nur dann zustimmen würde, wenn es ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen vollständigen Abzug der israelischen Truppen aus Gaza beinhaltet. Nun scheint neue Bewegung in die Sache zu kommen. Die Deutsche Presse-Agentur hatte bereits vor Tagen aus Hamas-Kreisen erfahren, dass Katar und Ägypten Namen einiger Geiseln für eine mögliche Freilassung genannt worden seien. Die Hamas zeige sich bei den Verhandlungen jetzt flexibler als zuvor, hieß es aus Vermittlerkreisen.

Wie die Macht des Mullah-Regimes schwindet

Der inzwischen in Gaza getötete Hamas-Anführer Jihia al-Sinwar hatte ursprünglich gehofft, mit dem Terrorüberfall auf Israel vor mehr als 14 Monaten die gesamte sogenannte Widerstandsachse des Irans im Kampf gegen den Erzfeind Israel zu vereinen. Doch nach den Schlägen Israels gegen die mit dem Iran verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon und nun auch mit dem Sturz des syrischen Machthabers Bashar al-Assad schwindet Teherans Macht in der Region.

Israel sei dabei, Irans "Achse des Bösen" zu zerlegen, sagte Netanyahu am Mittwoch. Während die Armee vor allem im Norden des Gazastreifens weiter intensiv gegen die Hamas vorgeht und nach eigenen Angaben zwei weitere am Oktober-Massaker beteiligte Terroristen tötete, kamen auch im Südlibanon nach Angaben des örtlichen Gesundheitsministeriums bei israelischen Angriffen erneut mehrere Menschen ums Leben - trotz einer Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah. Ob es sich um Mitglieder der Schiitenmiliz handelte, war unklar. Israels Militär äußerte sich zunächst nicht.

Aus dem Ort Chiam im Süden des Libanons zog sich Israels Armee unterdessen zurück. Die dortige Mission sei erfüllt, teilte das Militär mit. Es würden nun im Einklang mit dem Abkommen über eine Waffenruhe Soldaten der libanesischen Armee sowie die UN-Friedenstruppe Unifil dort Stellung beziehen. Zunächst bleibe die israelische Armee aber noch in mehreren Gegenden im Südlibanon stationiert, um im Rahmen des Waffenruhe-Abkommens noch gegen Bedrohungen vorzugehen.

Rückkehrappell an syrische Flüchtlinge

Israels Armee weiter in Pufferzone in Syrien

Vier Kampfgruppen der israelischen Armee sind Militärangaben nach zudem auch im Süden Syriens weiter im Einsatz. Ein Brigade-Kampfteam gehe dort etwa gegen Bedrohungen entlang der Grenze vor, teilten die Streitkräfte am Abend mit. Dabei seien auch mehrere nicht mehr genutzte Panzer der syrischen Armee beschlagnahmt worden. Ziel des israelischen Einsatzes sei es, die Sicherheit der Zivilbevölkerung im Norden Israels zu gewährleisten.

Israels Armee hatte nach der Übernahme der Kontrolle durch Rebellen in Syrien Truppen in die Pufferzone zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und dem Nachbarland verlegt. Israelischen Medienberichten zufolge sind die Kampftruppen mitunter auch etwas außerhalb dieser Pufferzone aktiv. Frankreich rief Israel dazu auf, sich aus der Zone zurückzuziehen und die Souveränität und die territoriale Integrität Syriens zu respektieren.

35 Menschen bei Luftangriff getötet 

Laut palästinensischen Angaben, die unter der Kontrolle der islamistischen Hamas stehen, seien bei neuen israelischen Luftangriffen im Gazastreifen, mindestens 35 Menschen getötet worden. In Gaza-Stadt seien bei einem Angriff auf ein Wohngebäude sieben Menschen ums Leben gekommen, meldete die Nachrichtenagentur WAFA. Weitere 15 Menschen seien bei der Bombardierung eines Hauses im Zentrum des Gazastreifens getötet worden.

In der südlichen Grenzstadt Rafah seien 13 Palästinenser getötet worden. Hier soll eine Gruppe getroffen worden sein, die für den Schutz von Lkws mit Hilfsgütern zuständig gewesen sei. Laut dem Sprecher der Zivilschutzbehörde, Mahmud Basal, habe es rund 30 Verletzte gegeben. Die mit Mehl beladenen Lastwagen seien auf dem Weg zu Lagern des UNO-Palästinenserhilfswerks UNRWA gewesen. Im benachbarten Khan Younis wurden Sanitätern zufolge mehrere Menschen bei einem Luftangriff auf eine solche Schutztruppe verletzt. Eine Stellungnahme Israels lag zunächst nicht vor.

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