Vom Feind zum Freund: Al-Scharaa trifft Trump im Weißen Haus

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Als erster Präsident Syriens wurde al-Scharaa im Weißen Haus empfangen. Syrien braucht ausländische Investitionen, und US-Präsident Trump ist ein Geschäftsmann.

Der Mann, auf dessen Kopf einst ein Kopfgeld von zehn Millionen US-Dollar ausgesetzt war, lässt den Basketball kurz aufspringen, zielt – und trifft ins Netz. Dann gibt er den US-Militäroffizieren die Hand, einem klopft er freundschaftlich auf die Schulter. Das Video des syrischen Präsidenten Ahmed al-Scharaa, wie er in weißem Hemd und mit Krawatte Basketball spielte, ging viral. Bei einem der Offiziere soll es sich um den US-Navy Admiral Brad Cooper handeln, der im Irakkrieg diente. Auch al-Scharaa kämpfte im Irak – als Dschihadist gegen die US-Truppen.

Seit dem Sturz des Assad-Regimes vor noch nicht einmal einem Jahr ist al-Scharaa ein gern gesehener Gast, dessen Land zum Wiederaufbau auf ausländische Investitionen dringendst angewiesen und somit attraktiv für Geschäftsmänner aller Welt ist – und so einer ist US-Präsident Donald Trump nach wie vor. Als erster syrischer Präsident betrat er am Montag das Weiße Haus. Trump hatte er bereits im Mai in Riad und Ende September in New York bei der UN-Generalversammlung getroffen.

Trump will Syrien "Chance auf Größe" geben

Aus der US-Regierung hieß es nun: Präsident Donald Trump wolle sein Versprechen halten und Syrien "eine Chance auf Größe" geben. Die Regierung verlängerte demnach die Aussetzung bestimmter Sanktionen um ein halbes Jahr. Ganz aufgehoben, wie es al-Scharaa eigentlich will, wurden sie jedoch nicht, wie aus einem Dokument des Finanzministeriums hervorgeht. Die Aufhebung muss im US-Kongress beschlossen werden.

Die Lockerungen sollten Syriens Wiederaufbau und Stabilität fördern.

Zunächst äußerte sich nur Außenminister Asaad al-Shaibani, der ebenfalls im Weißen Haus empfangen wurde. Er bezeichnete das Treffen als konstruktiv. Es sei monatelang vorbereitet worden. Aus dem Außenministerium hieß es zudem, beide Seiten hätten sich auf die Umsetzung eines Fahrplans zur Zusammenarbeit verständigt. Ziel sei die Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen auf Botschafterebene, die Wiedereröffnung gemeinsamer Institutionen sowie die Stärkung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Zwischen Putin und Trump

Rechtzeitig vor der Reise hatte der UN-Sicherheitsrat für die Aufhebung der Sanktionen gegen al-Scharaa gestimmt – sowohl die Unterstützung der USA als auch Russland waren dafür notwendig. Russlands Rückendeckung hatte sich al-Sharaa vor ein paar Wochen in Moskau zusichern lassen. Die bilaterale Beziehung ist eine schwierige, Kremlchef Wladimir Putin unterstützte den gestürzten Machthaber Baschar al-Assad und bietet ihm Asyl in Moskau. Doch Syrien bekommt Getreide, Öl, Gas, Stahl und jahrzehntelang auch Waffen aus Russland. Der Kreml wiederum will auf seinen Marinestützpunkt in Tartus und die Luftwaffenbasis Hmeimim in Syrien nicht verzichten. Die Annäherung an Russland war auch Gespräch in Washington.

Gemeinsam gegen den IS

Die USA wollen nicht, dass Russland seinen strategischen Brückenkopf in Syrien wieder aufbaut. Stattdessen sollen die Eingliederung der kurdischen Milizen in die Armee, die die USA einst als Bollwerk gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützten, und der gemeinsame Kampf gegen die Extremisten und ehemaligen Mitkämpfer al-Scharaas vorangetrieben werden; die syrische Armee soll an US-geführten Missionen teilnehmen. Bestätigt wurde das zuerst nicht; später am Abend schrieb der syrische Informationsminister auf X, Syrien habe kürzlich eine politische Kooperationsvereinbarung mit der internationalen Koalition zur Bekämpfung des IS unterzeichnet "und damit seine Rolle als Partner im Kampf gegen den Terrorismus und zur Unterstützung der regionalen Stabilität bekräftigt".

Wie zur Unterstützung hatte ein hochrangiger syrischer Sicherheitsbeamter vor dem Treffen behauptet, al-Scharaa soll in den vergangenen Monaten mehrmals Ziel von – vereitelten Anschläge des IS gewesen sein.

Auch Syriens Verhältnis zum Nachbarn Israel war Thema: Offiziell befinden sich beide Länder im Kriegszustand; Israel hat nach Assads Sturz syrische Militärstützpunkte angegriffen – mit der Begründung, die Drusen im Süden des Landes zu beschützen. Al-Sharaa hat bei Weitem nicht alle militanten Gruppierungen in Syrien unter Kontrolle, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Angriffen auf Minderheiten. Trump drängt auf ein Friedensabkommen mit Israel – ein weiteres, mit dem er sich rühmen könnte.

Jedoch schloss al-Scharaa direkte Gespräche zur Normalisierung der Beziehungen mit Israel vorerst aus. Angesprochen auf den Wunsch von Trump, dass auch Syrien den Abraham-Abkommen für eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten beitreten sollte, wies al-Scharaa auf Israels andauernde Besetzung der Golanhöhen hin.

Im Gespräch mit dem US-Fernsehsender Fox News sagte er weiter, die Bedingungen für Damaskus seien daher andere als für jene Staaten, die sich den Abkommen bereits angeschlossen hätten. "Syrien hat eine Grenze zu Israel, und Israel besetzt seit 1967 die Golanhöhen. Wir werden derzeit keine direkten Verhandlungen aufnehmen", sagte al-Sharaa laut Übersetzung des Senders. "Vielleicht kann die US-Regierung unter Präsident Trump uns dabei helfen, eine solche Verhandlung zu erreichen."

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