"Sunaks Albtraum": Wieso Nigel Farage so gefährlich für die britischen Konservativen ist

"Sunaks Albtraum": Wieso Nigel Farage so gefährlich für die britischen Konservativen ist
Der Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage hat sich am Montag in einer Kehrtwende als neuer Spitzenkandidat der rechten Partei "Reform UK" präsentiert. England wählt am 4. Juli seinen neuen Premierminister.

Er muss doch mitmischen.

Eigentlich hatte der britische Populist Nigel Farage am 23. Mai „nach reiflicher Überlegung“ auf X bekannt gegeben, nicht als Spitzenkandidat der früheren Brexit-Partei Reform UK in den englischen Wahlkampf zu ziehen. Er wollte ja eigentlich Donald Trump bei dessen Wiederwahl in Amerika helfen. Doch vergangenen Sonntag hat er – beim Spaziergang mit  Hund, beim Fischen und im Pub, wie er schildert – dann noch ein bisschen reiflicher überlegt. Und anschließend eine politische Kehrtwendung vollzogen. 

Und so wird Nigel Farage nun doch bei den britischen Parlamentswahlen am 4. Juli kandidieren - im südostenglischen Wahlkreis Clacton. Und auch für mindestens fünf Jahre die Partei führen. 

Er hatte „schreckliche Schuldgefühle“ bekommen, und das Gefühl, seine Anhänger „im Stich gelassen“ zu haben, erklärte er zu Wochenbeginn vor Journalisten.

"Sunaks Albtraum": Wieso Nigel Farage so gefährlich für die britischen Konservativen ist

Während Premier Rishi Sunak bereits ohne Farages Auftritt vor der Gefahr stand, als erster amtierende Premier der britischen Geschichte eine Wahl zu verlieren, hat er für diese Premiere nun noch wahrscheinlichere Karten. 

„Existenzielle Gefahr“ 

Das Umfrageinstitut More in Common hatte den Torys schon zuvor eine vernichtende Prognose ausgestellt. Sie könnten von aktuell 43,6 Prozent auf 29 Prozent der Wählerstimmen herunterrasseln. „In Anbetracht dieser Prognose“, meinte Luke Tryl von More in Common auf X, „kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass seine (Farages, Anm.) Entscheidung eine existenzielle Gefahr für die Tory-Partei darstellt.“ 

Reform UK wurden bis dato rund acht Prozent der Wählerstimmen, aber keine Parlamentssitze prognostiziert. Doch Patrick English, Direktor von YouGov, sieht durch Farages Ankündigung die Chancen für Reform UK erheblich erhöht: Im Independent stellt er der Partei nun bis zu vier Sitze in Aussicht. 

„Sunaks schlimmster Albtraum“, titelten also sowohl der konservative Spectator, der rechtsgerichtete Sender GB News, als auch die liberale Plattform Politico diese Woche. Und um diesem Titel gerecht zu werden, fokussierte sich Nigel Farage auch just auf jenes Thema, das die Konservativen besonders schmerzen dürfte: die Zuwanderung.

Farage möchte eine „Nullsaldo-Migration“. Konkret will er, dass die Zahl der Einwanderer gleich hoch wie die der Auswanderer ist. Details, wie er das erreichen möchte, verriet er nicht, aber donnerte: „So kann es nicht weitergehen. Das (die aktuelle Migrationssituation, Anm.) ist eine Katastrophe und spaltet unser Land.“

Knackpunkt Zuwanderung

Zum Hintergrund: Die Briten leiden besonders unter der Lebenskostenkrise. 14,4 Millionen Menschen leben bereits in Armut, davon sind 4,2 Millionen Kinder. Das hat viel mit Privatisierung und fehlenden Sozialleistungen zu tun, mit den scharfen Klassenunterschieden, die eine Monarchie mit sich bringt, und einer Regierung, die sich vor allem am Wirtschaftswachstum misst.

Doch die Zuwanderung wurde so erfolgreich zum Sündenbock hochstilisiert, dass mittlerweile nicht nur die illegale Einwanderung auf den schmalen Schlauchbooten gestoppt wird, sondern auch jene am Kommen gehindert werden sollen, die ein Arbeitsvisum haben. 

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Doch hier steht das Vereinigte Königreich vor einem Dilemma. Denn in den vergangenen zwei Jahren gab es 685.000 sowie 745.000 Netto-Zuwanderer (also Zuwanderer abzüglich der Auswanderer). Das war ungewöhnlich hoch. Zum Vergleich: 2019 waren es 184.000. 

Doch viele der Zuwanderer wurden explizit ins Land geholt, um den chronischen Personalmangel vor allem im Gesundheitssystem zu beheben. 2023 hat das Innenministerium 350.000 Gesundheits- und Pflegevisa ausgestellt.

Weitere 39 Prozent des Anstiegs von Nicht-EU-Zuwanderern entfielen auf internationale Studierende und deren Angehörige. Das Vereinigte Königreich bemüht sich explizit darum, mehr Studierende aus dem Ausland anzuwerben. 

Der achte Versuch

Nigel Farages Versuch bei dieser Wahl, ins britische Unterhaus zu kommen, ist übrigens bereits der achte. Sieben Mal ist ihm das bis dato verwehrt geblieben. „Ich kann mir kaum eine andere unabhängige Persönlichkeit vorstellen, die so oft und so erfolglos kandidiert hat“, schrieb Anne McElvoy im i. 

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Dass Farage im Wahlkreis Clacton kandidiert, ist außerdem kein Zufall. Das war jener Wahlkreis, in dem seine Pro-Brexit Unabhängigkeitspartei UKIP 2014 immerhin eine Abgeordneten stellen konnte. 

Wenn Farage also nicht dort gewinnen kann, an dem die Reformer schon fast Kopf an Kopf mit den amtierenden Konservativen liegen, urteilte das i newspaper - dann können sie nirgendwo gewinnen. 

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