Südtirolwahl: Der Biedermann und die Populisten
Es gibt Speck und Wein. What else? Die Südtiroler Volkspartei (SVP) hat sich am Donnerstagmorgen mit einem Wahlkampfstand im Zentrum von Bruneck aufgebaut. Wer keine Zeit hat, bekommt ein hölzernes Jausenbrett in die Hand gedrückt. So auch Luise Lechner. Wo die 78-Jährige an diesem Sonntag ihr Kreuzerl macht, ist für sie aber ohnehin keine Frage: „Bei der Volkspartei. Die habe ich schon immer gewählt.“
Über Jahrzehnte waren absolute Mehrheiten für die SVP selbstverständlich. 2013 ging sie beim ersten Antreten von Arno Kompatscher, Nachfolger von Langzeit-Landeshauptmann Luis Durnwalder, verloren. Der Partei für die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler droht trotz brummender Wirtschaft und praktisch Vollbeschäftigung heute wieder ein Minus.
„Eine Watschn“, wie sie die CSU in Bayern kassiert habe, wünschte Österreichs Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) der SVP am Montag in Bozen bei einem Wahlkampfauftritt für die Schwesterpartei, die Südtiroler Freiheitlichen. Die schwächeln laut Umfrage jedoch ähnlich wie die SVP.
Die Erhebung stammt freilich aus dem Sommer. Frische Daten gibt es nicht. Kompatscher versuchte das Minus in den vergangenen Tagen mit einem Wahlkampfmarathon durch die autonome italienische Provinz in Grenzen zu halten. Und so werden in Bruneck beim Speckfrühstück eifrig Hände geschüttelt.
Anders als die CSU
Der zumeist lächelnde 47-Jährige wirkt im Vergleich zu seinem rustikalen Vorgänger Durnwalder wie ein Biedermann. Dabei wählt der weltoffene Jurist zwar bedachte, aber klare Worte. Und der Vergangenheit ist er weit weniger verhaftet, als dem konservativen und volkstümelnden Flügel seiner Partei lieb ist.
Der Kontakt mit den Wählern und Wählerinnen fällt Kompatscher aber sichtlich leicht. Einen Absturz, wie ihn die bayerische CSU erlebt hat, befürchtet der Landeschef nicht. Über 40 Prozent will er kommen. „Ich glaube, dass wir das schaffen“, sagt er und sieht auch klare Unterschiede zur CSU-Strategie: „Wir schielen nicht nach rechts. Und wir laufen nicht den Populisten hinterher.“
Davon gibt es in diesem Landtagswahlkampf zur Genüge. Mit einer laut Eigendefinition sozial-liberalen Liste tritt Paul Köllensperger, ein Abtrünniger der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung, an. Im rechten deutschsprachigen Lager fischen die Freiheitlichen und die „Süd-Tiroler Freiheit“. Beide Listen setzen auf die Themen Migration und Sicherheit. In Politdebatten ging es zuletzt aber vor allem um Gesundheit und Verkehr.
Doppelpass
Der von Türkis-Blau in Österreich geplante Doppelpass für deutschsprachige Südtiroler hat sich nicht als Wahlkampfheuler erwiesen. Vielmehr kommt das Projekt den rechten italienischen Parteien zupass. Brachialpopulist Matteo Salvini von der Lega nutzt ihn zum Mobilisieren seiner Wählerschaft.
„Es kann nicht sein, dass die österreichische Regierung in Südtirol Pässe verteilt. Es ist Italien, das für die Italiener entscheidet“, sagt er Donnerstagabend bei einer Rede in Bozen in einem italienisch-dominierten Stadtteil. Das kommt bei seinen Anhängern genauso an, wie das Wettern gegen Migranten und die „Herren in Brüssel“.
Der Platz, auf dem Salvini vor sich hinpoltert, ist Giacomo Matteotti gewidmet, einem sozialistischen Politiker, der 1924 von den Faschisten ermordet wurde. Da mutet es wie Hohn an, wenn Salvini ausgerechnet hier den Lega-Fans zuruft, sie sollen „die Linke nach Hause schicken“.
Die Linke, das ist der in ganz Italien im Tief steckende Partito Democratico (PD). Zehn Jahre lang hat er in Südtirol mit der SVP koaliert. Das Autonomiestatut sieht die Einbindung einer italienischen Partei vor. Und die Lega hat beste Chancen, in diesem Spektrum Nummer eins zu werden. Mit seinem scharfen Anti-Migranten-Kurs punktet Salvini nicht nur bei italienischsprachigen Südtirolern. „Ich kenne viele, die ihn wählen und tendiere auch dazu“, sagt die 37-jährige Kellnerin Kathrin Waschgler.
Koalition mit Lega?
Die Stärke der Lega könnte den europafreundlichen Kompatscher zu einem Spagat zwingen. Er will mit einer italienischen Partei koalieren, „die einen legitimen Vertretungsanspruch hat“. Er fordert aber ein Bekenntnis zu Europa ein. Mit der EU steht die Lega freilich auf Kriegsfuß.
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