Der Konflikt zwischen China und Taiwan, Nordkoreas atomare Aufrüstung – in Ostasien ist die Lage angespannt wie lange nicht. Einer der wichtigsten dortigen Verbündeten der USA und Europas ist Südkorea, dessen Premier Han Duck-soo ab Montagabend zu einem Besuch in Wien erwartet wird.
Anlass der Visite ist das 130-jährige Jubiläum der Aufnahme bilateraler Beziehungen zu Südkorea, das nach China und Japan Österreichs drittgrößter Handelspartner in der Region ist. Ein neues koreanisches Kulturzentrum in der Wiener Kärnter Straße soll diese Beziehungen vertiefen.
KURIER: Premier Han, die Spannungen zwischen China und Taiwan schüren Sorgen vor einem offenen Konflikt in der Region. Glauben Sie, dass die Lage sich zuspitzen wird?
Han Duck-soo: Klar ist, dass sich die Spannungen nicht nur auf die koreanische Halbinsel, sondern auch auf regionaler und globaler Ebene auswirken werden. Wir hoffen, dass Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße durch Dialog erhalten bleiben.
Wir betonen, dass einseitige Änderungen des Status quo durch Gewalt mit den Prinzipien der internationalen Gemeinschaft unvereinbar sind. Wir respektieren dennoch unverändert Chinas "Ein-China"-Politik.
Das Atomwaffenarsenal Chinas wächst, auch Nordkoreas Arsenal wird immer größer. Braucht Südkorea zur Abschreckung selbst Atomwaffen? Die öffentliche Meinung in Ihrem Land befürwortet das.
Die koreanische Regierung ist entschlossen, die Abschreckung (gegen eine nukleare Bedrohung durch Nordkorea, Anm.) innerhalb des Bündnisses mit den USA weiter zu verstärken.
Gleichzeitig werden wir unsere Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag einhalten. Korea und die USA haben sich kürzlich in der "Washingtoner Erklärung" auf konkrete Wege zur deutlichen Stärkung dieser Abschreckung geeinigt.
Korea hat volles Vertrauen in die Abschreckungsverpflichtungen der USA, einschließlich der nuklearen.
Japan hat seine militärischen Ausgaben jüngst verdoppelt. Wie bereitet sich Südkorea auf eine Verschärfung der Lage in der Region vor?
Es wäre unangemessen, sich zu hypothetischen Situationen zu äußern. Ich weise jedoch darauf hin, dass unsere Regierung vor kurzem mit der „Indo-Pazifik-Strategie“ die erste umfassende, überregionale Strategie überhaupt angekündigt hat.
Sie verfolgt das Ziel eines "freien, friedlichen und wohlhabenden Indo-Pazifik" und schlägt drei Prinzipien der Zusammenarbeit vor: Einbeziehung, Vertrauen und Gegenseitigkeit.
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Südkorea ist ein weltweit bedeutender Hersteller von Artilleriemunition. Aber bis jetzt haben Sie die Ukraine nicht mit Militärhilfe unterstützt. Warum nicht?
Die koreanische Regierung verurteilt den Einmarsch Russlands in die Ukraine aufs Schärfste als Verstoß gegen das Völkerrecht und die UN-Charta.
Korea hat im vergangenen Jahr humanitäre Hilfe im Wert von 100 Millionen Dollar geleistet und hat für dieses Jahr weitere 130 Millionen Dollar zur Unterstützung der Ukraine und ihrer Bevölkerung zugesagt.
Südkorea und Japan bemühen sich um einen Neuanfang in ihren historisch belasteten Beziehungen. Welche Schritte sollen unternommen werden?
Korea und Japan teilen Werte wie Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit und haben gemeinsame Interessen mit Blick auf internationale Sicherheit und Wirtschaft. Die koreanische Regierung bemüht sich um eine Lösung des Problems der Zwangsarbeit (während der Kolonialzeit, Anm.).
Im März fand das erste bilaterale Gipfeltreffen seit 12 Jahren statt. Dort wurde vereinbart, die Zusammenarbeit bei Außenpolitik, Sicherheit, Wirtschaft und Kultur zu verstärken. Regelmäßige bilaterale Besuche sollen das Vertrauen wiederherstellen. Der japanische Premier Kishida hat dieser Tage Südkorea besucht.
In Österreich haben Sie das neue „Korea Kulturzentrum“ eröffnet. Wie würden Sie die Beziehungen zwischen Südkorea und Österreich beschreiben?
Korea und Österreich haben in mehr als 130 Jahren starke bilaterale Beziehungen aufgebaut und diese 2021 in eine "Strategische Partnerschaft" umgewandelt - auf Grundlage gemeinsamer Werte wie Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Diese enge Beziehung zeigt sich auch im kulturellen Bereich.
Inwiefern?
Die Koreaner waren schon immer von österreichischer Musik und Kunst - Mozart, Schubert und Klimt - fasziniert. Es gibt eine Reihe koreanischer Studenten, die in Österreich Kunst studieren.
Kürzlich veranstalteten das Koreanische Nationalmuseum und das Kunsthistorische Museum Wien gemeinsam die Ausstellung "Sechs Jahrhunderte Schönheit im Habsburgerreich", die mit mehr als 300.000 Besuchern im vergangenen Jahr ein großer Erfolg war.
Andererseits ist das Interesse der österreichischen Jugend an koreanischer Kultur wie K-Pop oder K-Dramas auf dem Höhepunkt. Wir glauben auch, dass unser vielfältiges künstlerisches Angebot, das sowohl traditionelle als auch zeitgenössische Kunstformen umfasst, bei den Menschen in Österreich großen Anklang finden wird.
Und welche Vorteile versprechen Sie sich von dem neuen Zentrum?
Wir gehen davon aus, dass das neue koreanische Kulturzentrum in Wien eine zusätzliche Brücke zwischen den Herzen der österreichischen und der koreanischen Bevölkerung schlagen wird, indem es eine neue Plattform der Zusammenarbeit schafft und uns durch die Kraft der Kultur und der Kunst noch näher zusammenbringt.
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