Droht der Sudan zu zerfallen?
RSF-Milizen feiern die Einnahme der Stadt Al-Faschir.
Verifizierbare Informationen aus Al-Faschir sind derzeit so gut wie unmöglich zu finden, die Internet-Verbindung ist gekappt. In den sozialen Medien und in Berichten findet man grausame Videos, die Hinrichtungen auf staubtrockenen Straßen zeigen; Menschen, die auf der Flucht von Milizen den RSF von hinten erschossen werden. Die sudanesische Armee spricht von mindestens 2000 getöteten Zivilisten seit Sonntag.
Am Wochenende hatten die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) des ehemaligen Armee-Stellvertreters Mohamed Hamdan Dagalo erklärt, die letzte von der sudanesischen Armee (SAF) kontrollierte Großstadt Al-Faschir in der Region Darfur eingenommen zu haben. Der sudanesische Militärherrscher Abdel Fattah al-Burhan bestätigte den Rückzug am Montag. Die RSF hatten die Stadt über 18 Monate lang, fast 500 Tage lang belagert. Rund 260.000 Zivilisten saßen fest, die Hälfte von ihnen sind Berichten zufolge Kinder. Die RSF blockierte humanitäre Hilfe, Zehntausende sind verhungert. Nach Einnahme der Stadt sollen bereits mehr als 26.000 Menschen in ein rund 60 Kilometer von Al-Fashir entferntes Flüchtlingslager geflohen sein.
Massaker befürchtet
Die Weltöffentlichkeit warnt vor den Gräueltaten, die der Zivilbevölkerung nun drohten. Beobachter erinnern an die Massaker in Al-Dschunaina in Westdarfur, wo Tausende Menschen deshalb getötet wurden, weil sie einer nicht-arabischen Ethnie angehörten. Die Bevölkerung in Al-Faschir ist überwiegend afrikanischer ethnischer Abstammung, während die Milizen der RSF hauptsächlich arabisch sind. Sie gingen aus der muslimischen Dschandschawid-Miliz hervor, die schon im Konflikt in Darfur Anfang der 2000er-Jahre Gräueltaten gegen die Bevölkerung verübt hatte. Die USA werfen der RSF einen Genozid vor, die Afrikanische Union fordert einen Fluchtkorridor für die Zivilbevölkerung aus Al-Faschir.
Bereit einzugreifen und ein Massaker zu verhindern, ist so gut wie niemand. Vielmehr scheint die internationale Gemeinschaft mit einer erneuten Teilung des Sudans zu rechnen, nachdem sich 2011 der Südsudan mit seinen bedeutenden Erdölvorkommen abgespalten hat.
Der Krieg tobt zwischen den Streitkräften von General Abdel Fattah al-Burhan und den paramilitärischen RSF von al-Burhans ehemaligem Stellvertreter Mohammed Hamdan Dagalo. Die geplante Eingliederung von 100.000 RSF-Mitgliedern in die Armee hat Ende 2022 Spannungen zwischen den Kräften verschärft, 2021 hatten sie gemeinsam gegen die damalige Übergangsregierung geputscht. Seit Mitte April 2023 kämpfen die Gruppen gegeneinander.
Der ostafrikanische Staat mit rund 50 Millionen Einwohnern vor dem Krieg ist eines der rohstoffreichsten Länder des Kontinents und verfügt über Gold, Erdöl, Kupfer, Eisen und Uran.
Verhandlungen gescheitert
Ende vergangene Woche waren Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Washington gescheitert; die USA hatten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Ägypten und Saudi-Arabien dazu an Bord geholt. Zur Verhandlung standen eine dreimonatige Waffenruhe für humanitäre Hilfe sowie ein neunmonatiger Übergang zu einer zivil geführten Regierung. Radikale Gruppen sollen ausgeschlossen und regionale Einmischungen zurückgewiesen werden. In Washington befanden sich auch Delegationen der SAF und der RSF, die sich jedoch weigerten, miteinander zu sprechen. Zugleich lehnt die SAF die Teilnahme der Emirate ab: Sie liefern den RAF Waffen; die SAF sieht die VAE als Kriegspartei, bekommt selbst Waffen aus Ägypten, von Russland und dem Iran. Die VAE weisen die Behauptungen zurück. Jedoch wurden wiederholt Waffen aus britischer Produktion, die an die VAE exportiert wurden, in Kampfgebieten im Sudan gefunden.
Der sudanesische Militärherrscher Abdel Fattah al-Burhan.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte die RSF-Miliz und die sudanesischen Streitkräfte zu Verhandlungen auf. Die RSF haben schon lange erklärt, eine Gegenregierung im Südwesten des Landes errichten zu wollen. Andere Analysten sprechen davon, dass die RSF die Regierung im gesamten Sudan übernehmen wollen.
Geschätzt sollen mehr als 150.000 Menschen bei dem seit 2023 herrschenden Bürgerkrieg ums Leben gekommen sein, mehr als zwölf Millionen Menschen sind auf der Flucht. Mehr als 26 Millionen Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung, sind von Hunger bedroht. Die UN beschreiben die Lage im Sudan seit Monaten als die größte humanitäre Krise der Welt.
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