Krieg im Sudan: "Nirgendwo ist es mehr sicher" für Frauen

Von Franziska Trautmann
„Dann schlugen sie uns und vergewaltigten uns direkt auf der Straße, in aller Öffentlichkeit. Es waren neun RSF-Männer. Sieben von ihnen vergewaltigten mich. Ich wollte danach mein Gedächtnis verlieren", erzählte eine 17-jährige Überlebende dem Team von Ärzte ohne Grenzen. Sichere Orte gibt es mittlerweile nicht mehr.
Seit April 2023 herrscht im Sudan Bürgerkrieg, der nach Angaben der Vereinten Nationen die weltgrößte humanitäre Krise auslöste. Der eskalierende Konflikt zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) hat besonders verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen ist dabei eine gezielte Kriegsstrategie der paramilitärischen Gruppen.
Frauen im Sudan: "Vergewaltigung ist unvermeidbar"
Immer öfter kommt es zu Überfällen auf Häuser, bei denen die Kämpfer zuerst die Männer töten, bevor sie die Frauen vergewaltigen und foltern. In vielen Fällen passiert das vor den Augen Familienangehöriger – körperliches und psychisches Trauma bleiben als Folge zurück.
Ärzte ohne Grenzen betreute allein in der Region Süd-Dafur zwischen Jänner 2024 und Juni 2025 1.200 Überlebende sexueller Gewalt. Fast 25 Prozent der Opfer waren jünger als 18 Jahre, mehr als 2 Prozent sogar unter 5 Jahren. Landesweit geht man von tausenden Opfern aus, die Dunkelziffer ist unvorstellbar.
Vor allem RSF-Kämpfer setzen in Städten und Dörfern sexuelle Gewalt ein, um Gemeinden zu demütigen, zu kontrollieren und zu vertreiben. „Viele Frauen erzählten mir, dass sie sich in ihren Häusern gefangen fühlen, weil sie das Gefühl haben, dass Vergewaltigung unvermeidbar ist“, sagt Sarah Clowry, Mitarbeiterin für humanitäre Angelegenheiten bei Ärzte ohne Grenzen. Sie selbst war bereits zweimal in Süd-Dafur und konnte mit Überlebenden reden. RSF-Kämpfer vergewaltigen Frauen und Mädchen, oft in Gruppen und in der Öffentlichkeit. Sie verstümmeln sie mit Messern und übergießen sie mit heißen Flüssigkeiten, unheilbare Wunden bleiben zurück, um an die Demütigung zu erinnern.
RSF: Sexuelle Gewalt als Mittel zur Kontrolle
Ein paar Überlebende teilen ihre Geschichten anonym mit Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder Amnesty International. Sie wollen Gehör finden. „Vier RSF-Soldaten kamen in mein Haus. Einer der Männer packte mich und sagte, er wolle mich vergewaltigen. Ich versuchte, mich zu wehren, aber er schlug mich mit seinem Gewehr und sagte, er würde meine kleine Tochter vergewaltigen, wenn ich mich wehren würde. Dann fesselten zwei von ihnen meine Hände und zogen mich aus. Drei von ihnen vergewaltigten mich, während meine Tochter zusah“, erzählte eine 30-jährige Überlebende Amnesty International.
Auch junge Mädchen werden vergewaltigt, geschlagen und misshandelt. „Vor drei Monaten wurde ein kleines Mädchen mit 13 Jahren von drei Männern vergewaltigt. Sie haben sie gefangen und vergewaltigt und dann im Tal ausgesetzt. Sie riefen einige Leute, die das Mädchen ins Krankenhaus brachten. Ich war einer von ihnen", erzählte ein Mann Ärzte ohne Grenzen.
Angst vor sozialen Folgen
Die meisten Überlebenden haben kaum Zugang zu medizinischer Hilfe, rund 80 Prozent der Krankenhäuser sind nicht funktionsfähig. Für viele ist auch die Angst vor sozialen Folgen ein Grund, keine Gesundheitseinrichtungen aufzusuchen. „Sie fürchten eine Stigmatisierung. Sie haben die Sorge, von ihrer Familie oder von der Gemeinschaft noch mehr gedemütigt zu werden“, erzählt Clowry. Viele Frauen hätten auch Angst davor, für die erlittene sexuelle Gewalt körperlich bestraft zu werden oder sogar ihren Täter heiraten zu müssen.
Ärzte ohne Grenzen ist eine private Hilfsorganisation, die medizinische Nothilfe in Krisen- und Kriegsgebieten leistet. Die Organisation hilft Menschen im Sudan indem sie:
- Verletzte versorgt und Operationen durchführt.
- Krankheiten behandelt.
- mobile Kliniken für Vertriebene im Sudan und in den Nachbarländern betreibt.
- Wasser und sanitäre Einrichtungen bereitstellt und Medikamente sowie medizinisches Material an Gesundheitseinrichtungen spendet.
- Mädchen und Frauen mit speziellen Programmen zur Frauengesundheit unterstützt.
Diese Aktivitäten können durch Spenden unterstützt werden.
Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen können nur medizinische Notversorgung leisten, laut Clowry bräuchte es aber mehr, um Überlebende sexuellen Missbrauchs zu unterstützen. „Was wir mit dem Ausbruch des Konflikts erlebt haben, ist eine Art Zusammenbruch der humanitären Hilfe im Sudan. Überlebende bräuchten Dinge wie finanzielle und langfristige psychologische Unterstützung oder auch Nahrungsmittelhilfe.“
Seit Kriegsbeginn verschlimmert sich die Lage für Frauen im Sudan, Besserung ist in ihren Augen unmöglich, solange der Krieg weitergeht. „Wenn ich Frauen in Süd-Darfur die Frage stellte, wie diese Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufhören könnte, sagten sie oft, die einzige Lösung sei ein Ende des Konflikts.“
Kommentare