Menschenrechtler oder Terrorhelfer?
Nur einer weiß mit Sicherheit, ob Israels Premier oder Israels Außenminister am Dienstag dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel das bei offiziellen Besuchen obligatorische und bereits zugesagte persönliche Gespräch verweigerte. Beide heißen derzeit Benjamin Netanjahu. Dessen Motiv: Gabriel hatte auch Treffen mit Organisationen im Terminkalender, die die Politik der Regierung kritisch sehen. "Beides geht nicht", hieß es aus dem Amt des Premiers. Eine Verschärfung der Regierungskampagne gegen EU-finanzierte regierungskritische Organisationen in Israel. Aber auch ein unter Rechtswählern populärer Schritt - im noch inoffiziellen Wahlkampf, der seine Schatten vorauswirft.
"Nicht nur Regierung"
Offiziell verweigerten die Sprecher des Premiers jeden Kommentar. Sigmar Gabriel fand die Entscheidung "bedauernswert, aber kein Drama." Er sah sie nicht als Signal einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Seinen Terminplan änderte er nicht. "Es ist doch völlig normal auch oppositionelle Gruppen zu treffen. Ein rundes Bild verschafft man sich nicht allein mit Gesprächen in Regierungsbüros."
Was Israels Tourismus-Minister Yariv Levin nicht bestätigte. Er gilt als Netanjahus Sprachrohr in heiklen Angelegenheiten. "Völlig unnormal ist es, sich als Gast mit Gruppierungen zu treffen, die es als ihre Aufgabe ansehen, dem Ansehen des Gastlandes in aller Welt zu schaden." Er verglich dabei Gabriels Gesprächspartner mit den ETA-Separatisten in Spanien. "Was wäre in Spanien los, würde ein israelischer Gast mit Sympathisanten des ETA-Terrors sprechen?
Ein überzogener Vergleich. BeTselem, Israels Menschenrechtsorgansation, hat nicht die Unterstützung von Terror zum Ziel. "Wir decken Missstände auf, die nach fünf Jahrzehnten der Besatzung in Israel immer weniger wahrgenommen werden", meint Jessica Montal, die bis vor vier Jahren BeTselem leitete.
Auch Gabriels zweiter Termin, "Breaking the Silence", dürfte sich von Levins Terror-Vorwurf nicht getroffen fühlen. Es sind Ex-Soldaten, die gegen Terroristen kämpften. Mit Erlebnisberichten wollen sie auf die oft verdrängte Problematik der Besatzung aufmerksam machen
Geld für Hamas-Freunde
Die EU fördert solche Gruppen finanziell. Der Vorwurf gezielter politischer Einmischung kommt da nicht von Ungefähr. Doch mit europäischen Steuergeldern werden teilweise auch Gruppen finanziert, die gegen die offizielle EU-Politik arbeiten.
So sind einige für den wirtschaftlichen und kulturellen Boykott Israels. Bei anderen sind Sympathisanten der Hamas-Islamisten anzutreffen. Andere sprechen sich gegen eine Zwei-Staaten-Lösung aus. Auch in europäischen Hauptstädten wird der Ruf nach mehr Kontrolle lauter. Und noch ein Dilemma: Je mehr Regierungsgelder in zivile Organisationen fließen, desto suspekter werden diese in den Augen nicht nur der rechten Israelis.
Ein Treffen Sigmar Gabriels mit Staatspräsident Reuven Rivlin wurde nicht abgesetzt. Obwohl der sonst keine Gäste empfängt, die in Israels Außenministerium unerwünscht sind. Hinter den Kulissen gab es Vermittlungsversuche – etwa durch Österreichs Kanzler Kern (s.u.).
Netanjahu muss vorsichtig sein: Was bei rechten Wählern ankommt, kann die Mitte abschrecken. Vor allem wenn Beziehungen zu wichtigen Partnern auf dem Spiel stehen. Ein Oppositionssprecher erklärte es so: "Als es um Preisnachlässe für deutsche U-Boote und Hilfe bei Geiselbefreiungen ging, wurde mit Gabriel gesprochen. Der Premier wird seine Adresse schon nicht vergessen."
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