Stoltenberg: "Es ist mir nahegegangen wie allen anderen"

Norwegen gedenkt der Massaker-Opfer, Premier Stoltenberg zieht eine Bilanz.

In einer großen Zeremonie gedenkt Norwegen am Sonntag noch einmal der Opfer von Oslo und Utøya. Auch für Premier Jens Stoltenberg, der am Samstag Überlebende auf die Ferieninsel begleitete, waren es die schlimmsten vier Wochen seines Lebens. Nach dem Massaker von Anders Breivik hat der Sozialdemokrat die richtigen Worte gefunden, wie ihm von allen Seiten attestiert wird. Er hat Hunderte Menschen getröstet, an vielen Begräbnissen teilgenommen, den Weg des Landes aus der Schockstarre organisiert. In einem Interview mit der deutschen Tageszeitung Die Welt zog Stoltenberg jetzt Bilanz über ...

... seine Gefühle Ich erlebe es so, dass nun Seiten von mir benötigt werden, für die es vorher keinen Bedarf gab. Ich habe nicht aufgehört, mich um die Wirtschaft oder Arbeitsplätze zu kümmern. Aber nun waren menschliche Sorge und Wärme das Wichtigste. (...) Es ist mir nahegegangen wie allen anderen. Das wollte ich vermitteln. Ich sehe, dass die Hinterbliebenen das wertschätzen. Auf sie zuzugehen, mit ihnen über persönliche Dinge zu reden; es ist niemals falsch, das zu tun.

... anfängliche Anfeindungen von Muslimen nach den Anschlägen Ich habe viele Geschichten darüber gehört, wie Muslime sich verdächtigt und einige sogar verfolgt gefühlt haben an diesem Freitag. Das ist ein Warnzeichen. Das ist eine große Krux. Das zeugt von einem Gruppendenken, das wir bekämpfen müssen. Aber Taten werden nicht von Gruppen begangen, sondern von einzelnen Menschen.

... über den norwegischen Täter Als wir erfuhren, dass es höchstwahrscheinlich ein ethnisch-norwegischer Täter war, wusste ich, dass etwas nicht eintritt, was sonst vielleicht der Fall gewesen wäre, nämlich, dass wir mehr Hass auf die muslimische Minorität bekommen würden.

... warum er Breiviks Namen nie erwähnt Ich habe mir kein absolutes Verbot auferlegt, seinen Namen zu verwenden. Ich kann sagen: Anders Behring Breivik. Es wäre zu anstrengend, das zu einem absoluten Verbot zu machen. Aber ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, ihm und das, wofür er steht, nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig zukommen zu lassen.

... warum er das Image als neuer Landesvater ablehnt Weil ich glaube, dass die Aufmerksamkeit denen zukommen sollte, die sie verdienen. Wir dürfen nicht eine Sekunde vergessen, dass es sich um die dreht, die ihr Leben verloren haben, die schwer verletzt wurden, die grausame Dinge erlebt haben und alle Angehörigen. (...) Ich bin dankbar für die Wärme und Fürsorge, die die Leute zeigen, aber noch mal: Es geht hier nicht um mich.

... über die Folgen der Anschläge für Norwegen Wir haben bereits gesehen, dass das Volk für seine Grundwerte aufsteht. Es beweist große innere Stärke, dass das ganze Volk auf die Straße geht und sowohl Wärme als auch menschliche Sorge vermitteln kann. Es unterstützt Norwegen als demokratisches offenes Land, wo niemand sich fürchten muss und seine Meinung sagen kann.

... Folgen für den politischen Alltag Der Ton wird ein wenig behutsamer sein. In jedem Fall werden wir über Einwanderung und das multikulturelle Norwegen diskutieren. Davon abgesehen haben wir Demokratie als eine Selbstverständlichkeit hingenommen. Ich glaube, dass viele sie stärker wertschätzen und sich in ihr engagieren werden.

... Schuldgefühle Es gibt nur einen, der Schuld hat, das ist der Täter.

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