Stimmabgabe: US-Wahl unter Beobachtung

Heerscharen von Anwälten und Beobachtern sollen Schwindel und falschen Vorwürfen vorbeugen.

Was in Österreich der Klebstoff bei Wahlkuverts ist, sind in den USA die Wahlmaschinen. Jene berüchtigten Stanzmaschinen, die im Jahr 2000 in Florida bei George W. Bush gegen Al Gore für ein Desaster beim Stimmenauszählen gesorgt hatten, sind mittlerweile zwar außer Betrieb. Aber auch Nachfolgemodelle machen Probleme, wie beispielsweise gestern in Washington County, Utah, in allen 37 Wahllokalen.

Ein zentrales, elektronisches Wählerregister gibt es in den USA nicht. Die Wahlmodalitäten sind außerdem Sache der Bundesstaaten, es gibt also 50 verschiedene Wahlregeln.

Zusätzlich zu möglichen technischen Pannen ist es in den USA an der Tagesordnung, dass die beiden großen Parteien, Demokraten und Republikaner, einander der Wahlmanipulation verdächtigen. Zu den üblichen Anschuldigungen seitens der Republikaner zählt der Vorwurf, die Demokraten würden Wähler in die Register eintragen, die es gar nicht gebe.

Wähler einschüchtern

Die Demokraten wiederum werfen den Republikanern vor, sie würden Schwarze und Hispanics – die überwiegend demokratisch wählen – mit bürokratischen Schikanen oder Einschüchterungen vom Wählen abhalten.

Daher rücken die Demokraten in "Swing States" mit knappen Mehrheiten in der Regel mit Heerscharen von Rechtsanwälten an, um "ihren" Wählern die Stimmabgabe zu ermöglichen bzw. beim Auszählen, wenn nötig, mit den Republikanern um jede einzelne Stimme zu streiten. Diesmal haben sich 70 Anwälte freiwillig gemeldet, um in North Carolina, wo ein Foto-Finish zwischen Hillary Clinton und Donald Trump erwartet wurde, unentgeltlich für die Demokraten juristische Wahlhilfe zu leisten.

Kurz vor dem Wahltag mussten die Demokraten eine juristische Niederlage beim Höchstgericht einstecken. Sie haben beim Supreme Court einen Eilantrag gestellt, um befürchtete Einschüchterungen von Wählern durch Trump-Anhänger hintanzuhalten.

Demnach hätte ein Gericht in Ohio (ebenfalls ein Swing State) untersagen sollen, dass Wähler vor den Wahllokalen befragt, verfolgt oder fotografiert werden dürfen. Doch das Gericht lehnte es ab, eine entsprechende Weisung zu erteilen. Daraufhin riefen die Demokraten den Supreme Court an, der nun aber dem Richter in Ohio recht gab.

Diesmal dürfte die politische Auseinandersetzung über die Gültigkeit des Wahlergebnisses besonders heftig ausfallen. Trump hat bereits mehrfach den Verdacht der Manipulation geäußert und offengelassen, ob er einen Sieg Hillary Clintons anerkennen wird. Trump: "Ich werde die Ergebnisse dieser historischen Präsidentschaftswahl völlig akzeptieren, wenn ich gewinne."

OSZE kritisiert Trump

Nicht nur um Schwindel, sondern auch um falschen Vorwürfen vorzubeugen, sind mehr als 400 internationale Beobachter der OSZE in die USA gereist. Eine von ihnen ist SPÖ-Abgeordnete Christine Muttonen (Bild), die auch als Koordinatorin der Wahlbeobachtungsmission in den USA fungiert. "Wilde Spekulationen über Wahlmanipulationen sind sehr schlecht für die Politik. Sie führen zu Politikverdrossenheit", sagte Muttonen in Ö1.

Die amerikanische Demokratie könnte auch durch den "polarisierenden Wahlkampf" Schaden genommen haben. "Demokratie wird immer beschädigt, wenn es um unfaire, hitzige Aussagen geht."

Die OSZE-Beobachter würden darauf achten, dass alle Menschen einen fairen Zugang zur Wahl haben. Allerdings sperren Texas und Arizona internationale Beobachter per Gesetz aus.

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Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Der amerikanische Starökonom Paul Krugman ist bekannt für seine zugespitzten Kommentare. "Wir hatten ja gute Nachrichten erwartet", schrieb er kürzlich in seinem Blog. "Aber jetzt stellt sich heraus, dass die US-Wirtschaft 2015 eine Party gefeiert hat, als schrieben wir 1999." Zur Erinnerung: Dieses Jahr war ein Ausreißer, die New Economy galt da noch als Wachstumsstory und nicht als Blase, die bald platzen würde.

Der Grund für den Überschwang des Nobelpreisträgers: Das Haushaltseinkommen einer typischen Familie hat im abgelaufenen Jahr um 5,2 Prozent zugelegt.

Eine mehr als willkommen Meldung. Denn zuvor hatten die Durchschnittsamerikaner wenig von der Erholung profitiert. Nicht einmal jetzt erreichen die US-Einkommen das Vorkrisenniveau, wenn man die Inflation einrechnet. Und das, obwohl sich die US-Wirtschaft dank der billigen Energie, des Fracking-Booms und üppiger staatlicher Konjunkturhilfen erstaunlich rasch von der Krise erholen konnte: Von 2008 bis 2016 ist die reale Wirtschaftsleistung um solide 11 Prozent gestiegen – während die Eurozone gerade erst das Vorkrisenniveau erreicht hat.

Neuer Schuldenrekord

Das Wachstum kommt aber nicht bei allen Bürgern an. Mit 4,7 Prozent Arbeitslosenquote haben die USA praktisch Vollbeschäftigung erreicht. Allein 2015 entstanden 2,65 Millionen Jobs. Der Arbeitsmarkt ist aber tief gespalten, wie ein Beispiel zeigt: Die niedrigste Arbeitslosigkeit unter Schwarzen gibt es im Bundesstaat Virginia. Der Wert (7,4 Prozent) ist aber deutlich höher als jener im Staat mit den meisten Arbeitslosen unter der weißen Bevölkerung (6,3 %, Tennessee).Kaum zur Sprache kamen im Wahlkampf zwei Herausforderungen, denen sich der nächste Präsident stellen muss. Die USA müssen massiv in die Bildung und in die marode Infrastruktur investieren. Und sie dürfen dabei den Finanzhaushalt nicht aus den Augen verlieren. In der Amtszeit von Obama wurde das Budgetdefizit zwar von 9,9 Prozent im Krisenjahr 2009 auf 2,9 Prozent gedrittelt. Die Staatsschulden sind aber mit 108 Prozent höher als die Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres – Tendenz weiter steigend.

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