Steinbrücks Rückzug liegt in der Luft

Peer Steinbrueck, Social Demrocratic (SPD) top candidate for the 2013 German general elections laughs after his speech during an election campaign with Lower Saxony's Social Democratic top candidate Stephan Weil (not pictured) in Emden, January 4, 2013. State elections in Lower Saxony will be held on January 20. REUTERS/Fabian Bimmer (GERMANY - Tags: POLITICS)
Zehn Monate vor der Wahl stürzt Peer Steinbrück weiter ins Bodenlose. Die Partei sucht einen Ausweg.

Wie lange noch?“, wird erstmals in den Medien nach der Zukunft des Kanzlerkandidaten gefragt. Peer Steinbrück hat sich in den vier Monaten seit der Nominierung zum Herausforderer von Angela Merkel nicht nur um „Kopf und Kanzleramt“ (Spiegel) geredet. Er hat auch die SPD in Umfragen abstürzen lassen.

Wenn sie das am nächsten Sonntag den Machtwechsel in Niedersachsen kostet, liegt Steinbrücks Rückzug in der Berliner Luft. Wie jetzt schon Panik und Resignation der SPD. Denn Umfragen sehen einen massiven Meinungsumschwung: Merkel läge bei Direktwahl 25 Prozentpunkte vor Steinbrück. Vor einem Jahr war er noch zwei Prozentpunkte vorne. Rot-Grün lag da zehn vor Merkels Unions-FDP-Koalition, heute hat die drei Punkte Vorsprung.

„Geht’s noch tiefer?“

Steinbrücks eigene Werte sinken dramatisch: Er ist an die zehnte Stelle der Spitzenpolitiker gerutscht, sogar hinter Außenminister und Ex-FDP-Chef Guido Westerwelle, den Buhmann der Medien. Und das war noch vor dem Bekanntwerden von Steinbrücks Thyssen-Krupp-Aufsichtsratsmandat, mit dem er 170.000 Euro für nur acht Sitzungen kassiert hatte.

„Kann Steinbrück tiefer stürzen?“, fragte die Welt. Die Befürchtung in der SPD- Parteizentrale in Berlin und beim grünen Wunsch-Koalitionspartner ist: Ja, leider.

Ihre Gegenstrategien wirken improvisiert. Formal bestehen sie darin, Steinbrück so wenig auftreten zu lassen, wie gerade noch vertretbar. Die sonst so redselige Partei beschwieg seinen 66. Geburtstag am Donnerstag (Steinbrück ist der älteste deutsche Kandidat seit CDU-Kanzler Konrad Adenauer).

Zugleich startet man Versuchsballons: Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann redete Steinbrücks lose Zunge als „emotional“ und „menschlich“ schön, während Merkel „nur kalte Machtausübung“ könne. Der „konservative Seeheimer-Kreis“ der SPD beschuldigte die Medien einer Kampagne unter dem Titel „Es reicht!“ – womit er aber nicht die vielen Fettnäpfchen-Sprünge des Kandidaten meinte.

Inhaltlich geht die SPD jetzt auf noch schärfere Umverteilung. Der Spiegel errechnete die Kosten der jüngsten Versprechungen für die Unterschicht mit einem „mittleren zweistelligen Milliarden-Betrag trotz der SPD-Steuererhöhungen für Reiche und Mittelschicht“. Das Schuldenprogramm sei eine „Kehrtwende“ vom Parteitag vor einem Jahr, so das Magazin, das unfairer SPD-Kritik unverdächtig ist. Die FAZ schreibt: „Das teuerste Wahlprogramm seit Jahrzehnten.“

Rücktrittsszenario

Die SPD wollte Steinbrück deshalb als Kandidaten, weil er mit seiner im Kabinett Merkel I als Finanzminister erlangten Wirtschaftskompetenz ihr Wähler der Mitte abjagen sollte.

Die Umfragen zeigen anderes: Während sie ihre Wähler hält und bis weit in die SPD gewinnt, verliert Steinbrück sogar alte SPD-Anhänger.

Bleibt Niedersachsen nach den Wahlen in einer Woche schwarz-gelb, tauchen Szenarien für seinen Rücktritt auf. Den will schon jetzt ein Viertel der SPD-Wähler.

Eine der kolportierten Optionen ist ein radikaler Schwenk zu Parteichef Sigmar Gabriel: Auch nach einer Niederlage als Not-Kandidat bei der Bundestagswahl im Herbst könnte er sich, wie Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, von der „Linken“ in einer Minderheitsregierung tolerieren lassen. Um nach einem Jahr, in dem er „Wohltaten“ verteilt, bei Neuwahlen doch wieder so viel zuzulegen, dass sich eine Ehe mit den Grünen ausgeht. Auch Niedersachsens SPD-Kandidat will für sich dieses Szenario nicht ausschließen.

Kommentare