G-20-Treffen im Banne Syriens

epa03852229 Russian President Vladimir Putin (L) shakes hands with US President Barack Obama (R) during welcome ceremony for participants arriving for the first working session of G20 summit in St. Petersburg, Russia, 05 September 2013. EPA/SERGEY GUNEEV/ POOL
Keine Annäherung: Russland lehnt eine internationale Militäraktion gegen Syrien weiter ab.

Zum Auftakt des zweitägigen G-20-Gipfels in St.Petersburg hielt Wladimir Putin als Gastgeber eine lange Ansprache. Alles drehte sich um Wirtschaftsthemen wie Steuerfragen. Erst am Schluss ließ der russische Präsident kurz das Wort Syrien fallen – mit der Bitte, das Thema links liegen zu lassen und erst beim Abendessen zu besprechen. Doch auch dabei gab es keine Annäherung. Das Abendessen habe die "Spaltung" der Gipfelteilnehmer "bestätigt", teilte der italienische Regierungschef Enrico Letta via Twitter mit.

Angesagt hat sich auch der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für Syrien, Lakhdar Brahimi. Er soll die Teilnehmer offenbar bei der Suche nach einem Kompromiss unterstützen und die geplante zweite Syrien-Konferenz retten, die nach einem Militärschlag keinen Sinn mehr hätte.

Tauziehen Putin/Obama

Die Chancen dazu tendieren aus russischer Sicht gegen Null. US-Präsident Barack Obama, warnten Experten, stehe zu Hause unter massivem Druck und müsse Stärke zeigen. Den Gipfel, twitterte der Chef des Auswärtigen Duma-Ausschusses, Alexei Puschkow, werde Obama daher dazu nutzen, die Notwendigkeit von Gewaltanwendung in Syrien zu begründen und nach Verbündeten zu suchen. Putin dagegen werde eben dort für eine Allianz der Unwilligen wie beim Irak-Krieg 2003 werben.

Die Szenarios damals und jetzt, kritisierte das russische Außenamt, ähneln sich verblüffend. Gemeint sind die Massenvernichtungswaffen, über die Diktator Saddam Hussein angeblich verfügte. Wasserdichte Beweise dafür stellten sich später als Luftnummer heraus. Moskau wurmt daher besonders, dass die USA nicht einmal gewillt sind, die Untersuchungsergebnisse der Proben abzuwarten, die UN-Chemiewaffenexperten nach dem Giftgasanschlag Ende August östlich von Damaskus zogen. Sie werden derzeit in Den Haag analysiert. Während die USA das Assad-Regime zu 100 Prozent für den Massenmord verantwortlich machen, gab eine hochrangige Assad-Beraterin am Donnerstag der Terrorgruppe El Kaida die Schuld. Friedensnobelpreisträger Obama will sich, wie Putin mit ätzender Ironie kritisierte, den Militär-Einsatz schon am Montag vom Kongress genehmigen lassen. Noch am Tag davor wird Syriens Außenminister Walid al-Muallim zu Beratungen in Moskau erwartet. Ein klares Signal, auf welche Seite sich Russland auch weiterhin stellt.

Dass der Beginn der Operation zeitlich nicht mit dem Gipfel zusammenfällt, kann Moskau dennoch als diplomatischen Erfolg verbuchen. Washington, so russische Experten, sei nicht an einer weiteren Eskalation der Spannungen mit Russland interessiert. Das Verhältnis sei so schlecht wie seit Zeiten des Kalten Krieges nicht mehr: Der Streit um Washingtons Raketenabwehr und Asyl in Russland für US-Whistleblower Edward Snowden sind nur die Spitze des Eisbergs. Der Streit um das Vorgehen in Syrien würde die Kluft weiter vertiefen.

Tonalität und Ergebnisse der Unterredung Putin-Obama dürften auch entscheiden Einfluss auf die Ergebnisse des Gipfels haben.

Harsch ist bereits der Ton seitens der USA. Ungeachtet des mutmaßlichen Giftgasangriffs durch das Regime in Damaskus halte Moskau den Sicherheitsrat weiter „als Geisel“, sagte die UNO-Botschafterin der USA, Samantha Powers, am Donnerstag in New York. Die russische Regierung sei der „Schutzherr eines Regimes“, das eine „dreiste Chemiewaffenattacke“ verübt habe.

Russische Schiffe

Mehrere russische Kriegsschiffe haben unterdessen auf dem Weg zur syrischen Küste den Bosporus durchfahren. Das Aufklärungsschiff SSW-201 „Priasowje“ sei von zwei Landungsschiffen begleitet worden, berichteten türkische Medien. Offizieller Zweck: Der Schutz der russischen Marinebasis in der syrischen Hafenstadt Tartus. Russland hatte bereits vor einigen Tagen Kriegsschiffe verlegt, aber betont, sich an Kampfhandlungen in Syrien nicht beteiligen zu wollen.

Wenn eine militärische Intervention in Syrien vermieden werden soll, müssten US-Präsident Barack Obama und Russlands Wladimir Putin aufeinander zugehen: „Die USA und Russland müssen an ihre Verantwortung erinnert werden. Beim G-20-Treffen steht das Thema Syrien nicht auf der Tagesordnung, aber es gehört auf die Tagesordnung“, sagte der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher zum KURIER.

Wenn es um Menschenleben und darum gehe, schreckliche Ereignisse wie die in Syrien zu beenden, dann dürften die Probleme, die zur vorläufigen Absage des Treffens Obama-Putin geführt haben (die Affäre um NSA-Enthüller Ed Snowden, Anm.) „keine Rolle mehr spielen“, mahnte der legendäre Außenminister der Kabinette Schmidt und Kohl von 1974 bis 1992.

Ob ein Militärschlag gerechtfertigt sei, sei gar nicht das Thema: Ein Orakeln über die Richtigkeit eines Militärschlages würde eine Chance auf eine Einigung nur erschweren. Es gehe darum zu vermeiden, dass eine Intervention notwendig ist. „Ein Militärschlag kann immer nur das letzte Mittel sein“, sagte Genscher. Zumal die Beispiele des militärischen Eingreifens des Westens in der Geschichte, abgesehen vom Kosovo, „nicht gerade ermutigend sind, nehmen Sie Vietnam, Afghanistan, Irak“.

Das ausführliche Interview mit Hans-Dietrich Genscher über Nahost, Russland, die UNO und Europa lesen Sie im KURIER am Sonntag.

Die EU hat keinen Zweifel mehr darüber, dass im syrischen Bürgerkrieg Chemiewaffen eingesetzt worden sind. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte zum Auftakt von Beratungen mit den europäischen Außenministern in Vilnius am Freitag: "Niemand ist der Ansicht, dass dies keine Chemiewaffenattacke war."

Ashton sagte, die Diskussionen würden sich hauptsächlich um Syrien drehen. Sie bestätigte, dass US-Außenminister John Kerry am Samstag an den Beratungen der EU-Außenminister in Vilnius teilnimmt, "zweifelsohne, um über Syrien zu reden". Mit Kerry würden die EU-Minister aber auch über den Nahost-Friedensprozess, Ägyptens und Tunesien reden.

Der litauische Außenminister Linas Linkevicius forderte einen "koordinierten Ansatz" der EU zu Syrien. Die Welt müsse reagieren, der Einsatz von Chemiewaffen sei "inakzeptabel". Das kann nicht unverantwortet bleiben. Es müsse auch verhindert werden, dass so ein Angriff erneut passiere.

Der dänische Außenminister Villy Sövndal sagte: "Niemand hat zweifel darüber, dass chemische Waffen eingesetzt wurden." Am besten wäre es, wenn der UNO-Sicherheitsrat seiner Verantwortung nachkommen würde. Am schlimmsten wäre es, wenn die Welt jetzt wegschauen würde. Sövndal erwartet in den nächsten Wochen noch diplomatische Bemühungen, er schloss aber einen Militärschlag nicht aus, wenn in der UNO keine Lösung zum Schutz der Bevölkerung in Syrien gefunden werde.

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