St. Gallen: Julia Nawalnaja appelliert an junge Generation
Die russische Putin-Kritikerin Julia Nawalnaja hat während ihrer Rede am St. Gallen Symposium am Freitag über die Arbeit ihres verstorbenen Mannes und Oppositionsführers Alexej Nawalny gesprochen.
Im Gegensatz zu Putin habe er versucht, Leute für die Politik zu begeistern. Der russische Präsident Wladimir Putin versuche, junge Leute von der politischen Partizipation abzuhalten, sagte Julia Nawalnaja am St. Gallen Symposium an der Universität St. Gallen (HSG).
Generationenwechsel in der Politik funktioniere nicht mehr
"Ein Diktator, der für immer an der Macht bleiben will, muss alles versuchen, um junge Leute von der Politik fernzuhalten", sagte Nawalnaja. Ihr Mann hingegen habe mit seinem Engagement immer versucht, vor allem junge Leute für die Politik zu begeistern. "Je mehr, desto besser", sagte Nawalnaja. Seine Ziele habe Alexej Nawalny in einem System von Diktatur, Zensur und Repression verfolgt. Die Vorstellung vieler junger Menschen in der Politik wiederum habe Putin Angst gemacht, so Nawalnaja.
Junge Leute in Russland könnten Festivals genießen, an Konzerte gehen oder sogar eine eigene Firma gründen. Auch die Landesgrenzen seien offen, sodass Russinnen und Russen die Welt erkunden könnten. "Aber wenn sie versuchen, an der Politik teilzunehmen, ändern sich die Dinge", so Nawalnaja. Dann würden junge Menschen eingeschüchtert.
Die Repression in Russland habe zudem dazu geführt, dass der Generationenwechsel in der Politik nicht mehr funktioniere, sagte Nawalnaja. Ihr Mann habe sich auch dafür eingesetzt, einer neuen Generation von Politikern die Übernahme von Verantwortung zu ermöglichen. Denn: "Ohne den Wechsel der Generationen stirbt die Demokratie", beendete Nawalnaja ihre Rede mit einem Appell an die junge Generation, sich politisch zu engagieren.
Westen fehle oft Wissen über Russland und Putin
Im anschließenden Gespräch mit dem Fernsehmoderator und Journalisten Ali Aslan sprach Nawalnaja über die Zeit seit dem Tod ihres Mannes. Für sie sei relativ schnell klar gewesen, dass die "großartige Arbeit" ihres Mannes nicht vergessen gehen dürfe. Deshalb habe sie sich entschieden, das Engagement ihres Mannes weiterzuführen. "Es ist natürlich eine große Tragödie für mich. Aber es geht hier nicht um mich und meinen Mann, sondern um mein Land", betonte Nawalnaja.
Ihre Hauptaufgabe sehe sie darin, die Menschen in Russland dazu zu ermutigen, ihre Stimmen zu erheben, sagte Nawalnaja im Gespräch mit Aslan weiter. Sie sei überzeugt, dass es in Russland viele Gegner von Putin und des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gebe. Die Repression hindere sie aber am Aussprechen von Kritik.
Dem Westen fehle es oftmals an Wissen über Russland und über Putin, so Nawalnaja weiter. Die von westlichen Staaten verhängten Sanktionen seien zwar wichtig. Aber die aktuellen Sanktionen würden nicht richtig funktionieren und Putin und seiner Entourage nur wenig schaden.
Nawalnys Angehörige sprechen von Mord
Wenig optimistisch zeigte sich Nawalnaja hinsichtlich eines baldigen Endes des Krieges in der Ukraine. Klar sei für sie aber: "Der Krieg muss sofort enden."
Julia Nawalnajas Ehemann, der russische Oppositionelle Alexej Nawalny, starb am 16. Februar nach Behördenangaben in einem Straflager in Sibirien. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt.
Der durch einen Giftanschlag 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Alexej Nawalny soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von "natürlichen" Ursachen die Rede. Nawalnys Angehörige sprechen von Mord.
Ihre Rede hielt Julia Nawalnaja am St. Gallen Symposium. Dieses findet jährlich statt und wird vom International Students Committee (ISC) organisiert, einem studentischen Verein der Universität St. Gallen. Es bringt nach eigenen Angaben seit 1970 führende Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen.
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