Brüchiger Friede von Vukovar

Kroatien, Vukovar
In der Grenzstadt ist die Versöhnung zwischen Kroaten und Serben in Gefahr.

Dušan B. redet laut auf seine Freunde ein: „Wozu haben wir für Kroatien gekämpft? Jetzt soll es zweisprachige Aufschriften geben? Ein kyrillisches Ortsschild? Ein serbischer Schriftzug? Unmöglich.“ 30.000 Einwohner hat die kroatische Stadt Vukovar, 35 Prozent bezeichnen sich als Serben, vor dem Krieg waren es viel mehr. Nach dem EU-Beitritt am 1. Juli sollen Ortstafeln und Hinweisschilder in beiden Sprachen, in Kroatisch und Serbisch, aufgestellt werden, so steht es in der Verfassung, und so hat es Kroatiens Premier Zoran Milanović versprochen. Auch die EU schaut genau darauf, ob Minderheitenrechte eingehalten werden.

In Vukovar leben Kroaten und Serben getrennt voneinander. Im Kindergarten gibt es separate Eingänge für serbische und kroatische Kinder, in der Volksschule und im Gymnasium sind die Schüler ebenfalls getrennt, es gibt keine gemeinsamen Bücher und Unterrichtsmaterialien. „Wir haben nicht die gleichen Rechte wie andere Minderheiten in Kroatien, wie Italiener oder Ungarn. Schulen und Unterricht regeln kommunale Politiker“, sagt Vojislav Stanimirović im Gespräch mit Vertretern der Europäischen Journalistenvereinigung (AEJ). Wenn der studierte Arzt bei Ministern in Zagreb gemischte Klassen verlangt, antworten diese, dass es kein Ansuchen lokaler Politiker gebe, erzählt der Serbe. „Es gibt eine Bürgerbewegung gegen Serben.“

"Friede, Arbeit, Liebe, Essen"

Brüchiger Friede von Vukovar
Kroatien, Vukovar
Die Kroatin Danijela Stanković hat eine andere Sichtweise: „Die Eltern wollen einen gemischten Kindergarten, die Serben-Partei ist dagegen. Sie besteht auf getrennte Klassen“, sagt die ausgebildete Pädagogin und Vizebürgermeisterin der Sozialdemokratischen Partei.

Željko Sabo will sich mit derlei Problemen gar nicht befassen: Der frisch gewählte Bürgermeister von Vukovar, der viele Stimmen von den Serben bekam, hat ein einfaches Rezept für den Sinn des Lebens: „Friede, Arbeit, Liebe und Essen. Was wollen die Menschen mehr?“

Sabo spricht etwas Deutsch. „Am Bau in Österreich gelernt.“ Im Krieg gelang ihm die Flucht zu einer Tante nach Wien. Mit Maurer-Arbeiten hat er sich und seine Familie, die wiederum bei Verwandten in Rijeka unterkam, durchgebracht. 1998 kehrte er nach Vukovar zurück und ging in die Politik.

Von der EU-Mitgliedschaft Kroatiens erwartet sich der Sozialdemokrat nur eines: „Geld für Investitionen.“ Eine Pellets-Fabrik für 200 Arbeitnehmer soll entstehen, der Donau-Hafen ausgebaut werden. Die ganze Region an der Außengrenze der EU braucht dringend attraktive Jobs. Viele Junge haben ihre Heimat schon längst verlassen.

Auch neue Straßen und Häuser braucht die Stadt. Viele Kriegsschäden sind beseitigt und moderne Wohnblöcke errichtet worden. Es gibt aber immer noch Gebäude, deren Fassaden durch die vielen Einschusslöcher einem Sieb gleichen. „Nur für kroatische Häuser gab es Geld, die serbischen sind noch Ruinen“, so Serben-Chef Stanimirović.

Der Krieg ist noch immer gegenwärtig, er bestimmt das Zusammenleben der Menschen. 1991 war Vukovar die Hölle. Die ethnisch gemischte Stadt wurde mehr als 90 Tage von serbischen Verbänden belagert, täglich schlugen bis zu 8000 Granaten ein, die von barocker Architektur geprägte Habsburgerstadt lag bald in Trümmern, der zerschossene Wasserturm ist heute noch das Zeichen für Zerstörung. Serben erorberten die Stadt und vertrieben die kroatische Bevölkerung, serbische Milizen töteten nach der Einnahme rund 200 Menschen. Für Kroaten ist Vukovar ein Symbol ihres Widerstandes und ihrer Staatswerdung.

Investoren anlocken

Brüchiger Friede von Vukovar
Kroatien, Vukovar
Der Krieg ist beendet, die Grenzen sind neu gezogen. Ein Riss geht durch die Bevölkerung von Vukovar, jeder weiß hier, wie schnell Nationalismus zu Hass und Krieg wird. „Nichts ist sicher, der Friede kann schnell zerbrechen, das haben die Balkankriege gezeigt“, sagt Milorad Pupovac, der außenpolitische Sprecher des Parlaments. „Mit dieser Erfahrung“, betont der kroatische Serbe, „gewinnt die EU-Mitgliedschaft Kroatiens eine andere Perspektive: Sie haucht dem Gründungsmythos der EU, das ,Nie wieder Krieg‘ lautet, neues Leben ein.

In Vukovar, der Grenzstadt, ist die EU willkommen. Ein Schild mit dem Sternenbanner weist darauf hin, dass Häuser der Altstadt aus der Habsburgerzeit mit EU-Mitteln renoviert und einige Straßen asphaltiert wurden. „Investoren, kommt zu uns!“, verabschiedet Bürgermeister Sabo die Gäste aus Wien.

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