Deutschland will "mehr Respekt" von den USA

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier
Oberster US-Geheimdienstmann von Berlin hinausgeworfen, US-Regierung schweigt, US-Freunde reden.

Angesichts der zwei innerhalb einer Woche aufgeflogenen mutmaßlichen Spionagefälle der USA in Deutschland fordert Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) von den USA mehr Achtung: "Diese Zusammenarbeit muss nicht nur von Vertrauen, sie muss auch von gegenseitigem Respekt getragen sein", sagte er in Berlin vor dem Abflug nach Wien. Eine Aufkündigung der Kooperation mit den USA lehnte Steinmeier ab. "Es wäre aber eine Illusion zu glauben, dass eine Entschärfung der Konflikte ohne enge Zusammenarbeit mit den USA gelingen könnte". Steinmeier, der einen für nächste Woche geplanten Washington-Besuch verschob, will einen Neuanfang der Beziehungen: "Wir sind dazu bereit."

Am Donnerstag hatte die Regierung in Berlin als erste offizielle Reaktion dem obersten US-Geheimdienstkoordinator in der US-Botschaft die rasche Ausreise ultimativ nahegelegt. Dies ist bei aufgedeckten Spionagefällen ein üblicher Vorgang, allerdings nicht bei engen Verbündeten.

Merkel: "Vergeudung"

Am Vorabend hatte schon Kanzlerin Angela Merkel die USA deutlicher als bisher kritisiert: "Mit dem gesunden Menschenverstand betrachtet, ist aus meiner Sicht das Ausspionieren von Verbündeten, von Alliierten, letztlich eine Vergeudung von Kraft. Wir haben so viele Probleme, und wir sollten uns, finde ich, auf das Wesentliche konzentrieren."

Deutschland will "mehr Respekt" von den USA
Karl-Theodor zu Guttenberg im Interview im Rahmen der Podiumsdiskussion Europa - USA: Neu alte Freunde? am 07.05.2013 in der Wiener Hofburg.
Inzwischen wird die Verschlechterung der Beziehungen wegen der permanenten US-Spionage in Deutschland auch aus Washington kommentiert, allerdings nicht von der US-Regierung, die weiter schweigt. Der vor zwei Jahren wegen seiner gefälschten Doktor-Arbeit zurückgetretene deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der jetzt an einem Washingtoner Politik-Institut arbeitet, forderte in Bild seine Landsleute auf, "platte Beschimpfungen und geifernde Pauschalkritik" an den USA zu unterlassen. Die Beziehungen seien zwar ein "Sanierungsfall", ließen sich aber "kitten". Jedoch "nicht durch illusorische Forderungen, wie keine US-Spione in unserem Land", sondern "mithilfe besonnener Persönlichkeiten auf beiden Seiten". Präsident Obama werde "seinen Stil der lächelnden Ahnungslosigkeit ändern müssen", wolle er nicht zum "Totengräber der transatlantischen Beziehungen" werden. Denn "der Antiamerikanismus in Deutschland floriert bereits so schon heftig".

Die FAZ räumte einem bekannten US-Journalisten prominenten Raum ein für dessen Verteidigung der US-Spionage: Berlin sei schon immer Brennpunkt west-östlicher Spionage gewesen, das Land gehe mit den Sanktionen gegen Russland und Iran lax um. Seine Bürger hätten größeres Verständnis für Russland, das mit der Krim als erstes seit 1945 in Europa ein Land annektiert habe, als die USA. Auch sei hier das Attentat von 9/11 jahrelang ungestört vorbereitet worden, so der Deutschland-Kenner.

Berlin erhält in seiner Kritik an den USA wegen deren Spionagetätigkeit auf deutschem Boden ungebetene Schützenhilfe aus Moskau. Ausgerechnet der ehemalige Agent des früheren sowjetischen Geheimdienstes KGB, Kremlchef Wladimir Putin, geißelte vor seinem Lateinamerika-Trip das Ausspionieren von Staatspräsidenten durch die Amerikaner: „Das ist auch ein direkter Angriff auf die staatliche Souveränität und eine Verletzung der Menschenrechte.“ Spionage zwischen Verbündeten sei zudem eine Falschheit und Heuchelei.

Putin dürfte es bei seiner Wortmeldung wohl auch darum gehen, die Kluft zwischen Deutschland und den USA zu verbreitern, die sich nach der US-Geheimdiensttätigkeit gegen den NATO-Partner aufgetan hat, die aber beide in der Ukraine-Krise geeint gegen Russland stehen.

In den USA gibt es 16 Organisationen oder nachrichtendienstliche Abteilungen von Ministerien und Behörden sowie das eigenständige Amt des Direktors der Geheimdienste. Zumindest sechs von ihnen sind auch in Deutschland aktiv. Nach Experteneinschätzung dürften es sogar fast doppelt so viele sein.

CIA: Die Central Intelligence Agency ist der Auslandsgeheimdienst. Er versorgt die US-Regierung mit Informationen, die sie für ihre Entscheidungen etwa im Kampf gegen den internationalen Terrorismus benötigt. Das Budget lag 2013 nach Recherchen der "Washington Post" bei etwa 14,7 Milliarden US-Dollar (etwa 11 Mrd. Euro).

NSA: Hauptaufgabe des militärischen Geheimdienstes National Security Agency ist die Erfassung und Auswertung elektronischer Daten weltweit und die Arbeit mit Verschlüsselungstechnik (Kryptologie). Das Budget soll sich auf etwa 10,8 Milliarden Dollar belaufen.

NRO: Das National Reconnaissance Office (Nationales Aufklärungsamt) ist das Auge und Ohr der USA im Weltraum. Es betreibt das Satellitenaufklärungsprogramm. Das Budget soll etwa 10,3 Milliarden Dollar betragen.

FBI: Die Bundesermittlungsbehörde Federal Bureau of Investigation hat neben der Verbrechensbekämpfung auch die Aufgaben eines Inlandsgeheimdienstes. Sie hat unter anderem terroristische Organisationen und ausländische Geheimdienste im Visier. Das Budget soll etwa 8,2 Milliarden Dollar betragen.

NGA: Die National Geospatial Intelligence Agency (Nationale Agentur für geografische Aufklärung) sammelt und erstellt Informationen über die Erde, die unter anderem für die nationale Sicherheit, militärische Operationen und humanitäre Hilfsanstrengungen genutzt werden. Das Budget soll bei etwa 4,9 Milliarden Dollar liegen.

DIA: Die Defense Intelligence Agency (DIA) koordiniert die Geheimdienste des US-Militärs. Sie hat nach eigenen Angaben weltweit mehr als 16.500 Mitarbeiter. Das Budget soll etwa 4,4 Milliarden Dollar betragen.

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