Die selbst ernannte „Gewerkschaft“ gilt als Agent Provocateur der spanischen Politik. Ihr Generalsekretär Miguel Bernad hat sich mit Anzeigen gegen das Königshaus, Unternehmer und Politiker immer wieder in das Tagesgeschehen eingemischt und wurde wegen Erpressung selbst zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Anzeige gegen Gómez stützt sich ausschließlich auf Presseartikel zweier rechtskonservativer Online-Medien. Spanische Juristen bezeichnen sich als „wenig substanziell“. Die Justiz hat dennoch Vorermittlungen aufgenommen.
Politische Schachzüge
Nun ist Pedro Sánchez kein Politiker, der sich von Schwierigkeiten einschüchtern lässt. Im Gegenteil: Der Sozialist gilt als Meister überraschender politischer Schachzüge. Mehrfach totgesagt, hat der studierte Wirtschaftswissenschaftler es zwei Mal an die Spitze seiner Partei geschafft und im vergangenen Herbst nach vorgezogenen Neuwahlen seine Linkskoalition erneuert. Gegen alle Prognosen, dank der Unterstützung fast aller regionalen Parteien, inklusive der katalanischen Separatisten.
Der Preis dafür, ein umstrittenes Amnestiegesetz, war hoch. Wochenlang wurde vor der Parteizentrale der Sozialisten demonstriert, „Verräter“ schäumten die konservativen und rechten Parteien. Doch letztlich hatte es Sánchez wieder mal geschafft, durchaus zur Freude seiner europäischen Bündnispartner.
Warum also diese Rücktrittsdrohung, ausgerechnet jetzt?
Dass Sánchez sich einfach nur des Rückhalts seines Lagers versichern will, scheint wenig plausibel. Vier Tage Bedenkzeit hat der Premier sich gegeben, das ist eine lange Zeit. Zu lange, um danach einfach zu sagen „Danke für eure netten Worten. Ich mache weiter“. Zumindest die Vertrauensfrage müsste er dem Parlament stellen. Aber die einfache Mehrheit, die er dazu bräuchte, hat er bereits jetzt hinter sich. Andererseits: Auch wer zurücktreten will, tut das in der Regel sofort.
Machtpolitiker Sanchez
Gut möglich also, dass der gewiefte Machtpolitiker diesmal tatsächlich tun will, was er sagt: Nachdenken. Seine Frau, seine Familie, schützen. Tatsächlich ist das politische Klima im Land so polarisiert, der Ton so rau, dass der Angriff auf sein privates Umfeld der berühmte Tropfen gewesen sein könnte, der das Fass zum Überlaufen brachte. Gerade weil er über die Justiz erfolgt und ins Private zielt. Denn seit Jahren zerren sich Spaniens Politiker wechselseitig vors Gericht.
Von „Lawfare“, also dem Missbrauch des Rechtssystems gegen politische Gegner, sprechen die katalanischen Parteien. Auch die linkspopulistische Podemos-Partei sah sich mehreren Klagen ausgesetzt, die im Nichts endeten und persönlichen Angriffen.
Die gesellschaftliche Debatte darüber hat Pedro Sánchez nun auf jeden Fall angestoßen. Sollte er am Montag tatsächlich zurücktreten, müsste das spanische Parlament einen neuen Premier wählen, vermutlich aus dem sozialistischen Lager. Neuwahlen könnten erst Ende Mai, ein Jahr nach den letzten, ausgerufen werden.
Dass Sánchez Ehefrau Begoña Gómez jemals juristisch belangt wird, ist unwahrscheinlich. Die Organisation „Manos Libres“ hat inzwischen eingestanden, dass ihre Anzeige teilweise auf Fake News beruht.
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