Spalten, hetzen, lügen: Übler Wahlkampf in Israel geht zu Ende

Plakataktion der israelischen Protestpartei „Yashar“ nach schmutzigem Wahlkampf
Am Dienstag entscheidet sich, ob Premier Netanjahu trotz Anklage im Amt bleibt. Der Wahlkampf war so schmutzig wie nie.

Auf Israels Straßen ist der Wahlkampf kaum spürbar. Dafür gibt es viel Sex, Schlamm, üble Nachrede und Vulgärsprache in den Netzwerken. „Verräter“, „Triebtäter“, „geistig unzurechnungsfähig“ – auch der überspannteste Vorwurf findet im Internet ein Plätzchen. Wobei der Schlamm fast immer von rechts gegen links geschleudert wird. Der Herausforderer des seit 2009 amtierenden rechtsnationalen Premiers Benjamin Netanjahu, Benny Gantz, schafft es dabei, ruhig zu bleiben. Spalten, hetzen, lügen – wenn es Stimmen bringt.

Laut Umfragen ist alles klar: Gantz’ Mitte-Bündnis „Blau-Weiß“ wird stärkste Partei. Und Netanjahu wird Premier. Wieder. Denn nicht die stärkste der 42 zur Wahl antretenden Parteien bildet die Regierung, sondern der größere der beiden Blöcke – der linke oder der rechte. Beide sind seit Jahrzehnten (fast) gleich groß. Doch der rechte ist meist etwas größer.

Wichtige Kleinparteien

Allerdings sind 20 der 120 Sitze im Parlament bei Umfragen kaum erfassbar. Eine ganze Reihe kleinerer Parteien balancieren auf der Mindesthürde für den Einzug in die Knesset. Und die gehören fast alle zu den Rechten. Schon vier verlorene Sitze wären entscheidend für den Block. Netanjahu sorgt sich: „Nur wenn alle rechten Wähler wählen, verlieren wir nicht.“

Er drängte sogar eine der radikalen Rechtsparteien in ein Bündnis mit einer bisher geächteten und offen rassistischen Gruppierung. Gegen Kritik von links wie rechts verteidigte er sich: „Keine Stimme für den Block darf verloren gehen.“

Der Linksblock hingegen verzichtet freiwillig auf 5 bis 10 Mandate, indem er die arabischen Wähler außen vor lässt. Um bei rechten Wechselwählern attraktiv zu bleiben, erklärte Gantz, keine Koalition mit arabischen Parteien einzugehen. Doch der Vorsprung zum Likud wuchs nicht. Im Gegenteil.

Araber als Spielball

Thabet al-Rass, der die arabischen Bürger zu einem Boykott der Wahlen aufruft, sagte: „Auf dem Spielfeld treten links wie rechts auf den Ball ein. Und der sind wir.“

Statistisch könnte die arabische Minderheit 20 Mandate stellen und Zünglein an der Waage sein. Doch ihre Wahlbeteiligung ist niedrig. Meist knapp über 50 Prozent. Diesmal könnte es weniger sein.

Netanjahus Rechte führt, obwohl die Wahlkampf-Choreografie mehrfach aus dem Tritt kam. Gegen den Premier schwebt eine Anklage in drei Korruptionsfällen. Sie könnte eine neue Amtszeit abrupt beenden. Zwei weitere Verdachtsmomente kamen vergangene Woche hinzu.

Raketenangriffe

Netanjahus Freude über die jüngst erfolgte US-Anerkennung der israelischen Annexion der Golan-Höhen wurde durch palästinensische Raketenangriffe aus dem Gazastreifen beendet. Netanjahu ließ sich aber nicht zu schweren militärischen Gegenschlägen hinreißen. Einen Tag nach neuen Raketen-Einschlägen in Israel ließ Netanjahu die Grenzübergänge zum Gazastreifen wieder öffnen. Für mehr Waren als zuvor. Ein Schritt, der seinem Image als Staatsmann zuträglicher war als der Gang auf roten Teppichen in Moskau und Washington.

Auch seine Herausforderer konnten bisher kein glaubhaftes Konzept gegen Angriffe aus Gaza vorweisen. So feierte sich Netanjahu als „erfahrener Politiker mit dem Mut zum Wagnis“. Er erwähnte nicht, dass Sicherheitsberater ihm schon vor Jahren und vor den jetzt zunehmenden Angriffen eine Aufweichung des Boykotts zugunsten der Zivilbevölkerung in Gaza empfahlen. Netanjahu fehlte da aber noch der Mut zum Wagnis. Wieder einmal hat nun ein rechter Premier in Israel Erfolg. Mit linker Politik.

Bot und Pot

Gleichzeitig agierte Netanjahu fast schon panisch mit seiner alten Methode: Angst verbreiten. Vor den Anderen. Alle, die sich gegen ihn stellten, seien links. Also schwach, also keine Juden.

Gantz, der Ex-Armeechef, wurde in den Netzwerken zum Verräter stilisiert, der mit Arabern und iranischen Ajatollahs kollaboriere. Zum Teil geschah das durch künstliche „Bots“, die mit gefälschten oder illegal übernommenen Profilen Fake News in Umlauf setzen. Zum Bot kam dann noch Pot (Haschisch). Als ein rechter Konkurrent Stimmen anzog, indem er die Freigabe von Cannabis versprach, zog Netanjahu mit der „Zusage“ nach, er werde eine Freigabe „erwägen“.

Wenn dieses Wochenende Israels veraltetes Wahlgesetz die Veröffentlichung neuer Umfragen sowie Werbung in den klassischen Medien beendet, wird der Kampf in den neuen Medien erst recht losgehen. Wobei Netanjahu, der immer im letzten Moment einen Trumpf aus dem Ärmel zieht, auch rechte Parteien ins Visier nehmen könnte. Solche, die nicht knapp an der Mindesthürde stehen.

In Last-minute-Interviews war Netanjahu jedenfalls nicht bereit, auf eine konkrete Frage zu antworten – auch nicht mit einer Lüge: Wird er nach einem erneuten Sieg ein Gesetz einbringen, das es untersagt, einen gewählten und amtierenden Premier vor Gericht zu stellen? Die Zeitung Haaretz analysiert: „Für ihn geht es nicht nur um die Zukunft, sondern auch um die Freiheit.“

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