Mueller zu Trump: „Der Bericht spricht Sie nicht frei“
Es sollte aus Sicht der Demokraten eine Live-Lektion in Demokratie und Rechenschaftspflicht bis ins höchste Staatsamt werden. Heißt: bis zu Donald Trump. Es wurde nach Urteil vieler US-Kommentatoren ein über fast fünf Stunden zähes, für den Laien am Fernseher schwer zu verdauendes Schattenboxen mit den Republikanern, an dessen Ende kaum neuer Erkenntnisgewinn stand. Aber möglicherweise ein Punktsieg für Trump.
Was gewiss auch an ihm lag: Robert Mueller, Sonder-Ermittler in der Russland-Affäre um Donald Trump, sah am Mittwoch mit tiefen Ringen unter den Augen schon beim ersten Teil der Anhörung im Justizausschuss des Kongresses ausgelaugt aus.
Fragen-Gewitter
Das hielt den Top-Fahnder nicht davon ab, eine Duftmarke zu hinterlassen, die den US-Präsidenten in ein denkbar schlechtes Licht rückt. Während Trump seit Vorlage des 448 Seiten starken Abschlussberichts vor drei Monaten die Lesart ausgibt, dass Mueller ihn komplett freigesprochen habe („keine Konspiration mit Russland, keine Justizbehinderung“), konterte der ehemalige FBI-Chef mit einer kurzen Revision: “Das ist nicht, was der Bericht sagt.“
Stattdessen deutet die 22-monatige Aufklärungsarbeit seines Teams in relevanten Aspekten auf das Gegenteil hin, schreiben US-Zeitungen. Diese führte vor allem deshalb nicht zu einer Anklage, weil US-Präsidenten bis Ende ihrer Amtszeit Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung genießen. Zur Auffrischung: Mueller hatte keine strafrechtlich relevanten Belege für illegale Geheimabsprachen zwischen Trumps Wahlkampfteam und Moskau gefunden, obwohl es zig Kontakte zwischen beiden Seiten gab.
Vom Verdacht strafbarer Justizbehinderung entlastete der Ex-Vietnam-Kämpfer den Präsidenten jedoch nicht. Aus dieser Lücke Antriebsstoff für ein Amtsenthebungsverfahren zu filtern, Mueller live beglaubigen zu lassen, was bereits verschriftlicht ist, war die Idee der Demokraten.
Allein, Mueller entzog sich den Versuchen beider Seiten, ihn zum Kronzeugen für ihre Fantasien zu machen.
Der frühere FBI-Chef bewegte sich in seinen ultraknappen Antworten so vorsichtig wie ein Bergsteiger auf der Schluss-Etappe zum Gipfel des Mount Everest. Weit über 100 Mal sagte er “ja“, “nein“, “korrekt“, “wahr“. Und ebenso oft verweigerte er mit Verweis auf Geheimhaltungsvorschriften oder noch laufende Verfahren die Aussage. Donald Trump hatte früh seine Sorgen vor der Sprengkraft der Anhörung überwunden und flüchtet sich in Sarkasmus. Nachdem sein Haussender Fox News von einem “Desaster“ für die Demokraten und für Mueller persönlich sprach, bedankte sich Trump bei der Opposition via Twitter.
Dass die parlamentarische Nabelschau die Dynamik der Russland-Affäre zu Lasten Trumps verschiebt, erscheint unwahrscheinlich. Zwar sind mittlerweile 90 von 235 demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus für die Absetzung Trumps. Allerdings ist die Fraktionsspitze unverändert gegen ein “impeachment“. Sie hat dabei laut Umfragen mehr als 60 Prozent der Amerikaner hinter sich.
Gleichwohl hält es Mueller für erwiesen, dass Russland auf “weitreichende und systematische Weise“ die US-Wahl 2016 “beeinflusst hat“. Russlands Umtriebe gehörten zu den “schwersten Herausforderungen“ für die amerikanische Demokratie gehören, “die ich bisher gesehen habe“, betonte er. Donald Trump spielt die Intervention des Kreml bis heute herunter und beruft sich dabei auf einen bekannten Wir-waren-es-nicht-Kronzeugen: Wladimir Putin. Der nächste Wahlgang in Amerika ist in 15 Monaten.
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