So tickt die Vorsitzende der Höchstrichter, die über Israels Justizreform urteilen

Höchstrichterin  Esther  Chayut
Esther Chayut steht vor der kniffligsten Entscheidung ihrer Karriere, die über Wohl und Wehe des Landes entscheidet. Denn manche sehen schon einen Bürgerkrieg heraufdämmern.

Israels Parlament, die Knesset, geht kommende Woche in den Urlaub. Hinter den Kulissen jedoch sollen die Vorbereitungen zur Ausweitung der Justizreform ungebremst weitergehen. Mit der weitgehenden Abschaffung richterlicher Einspruchsmöglichkeiten gegen Regierungsentscheidungen feierten die Betreiber der umstrittenen Änderungen letzte Woche einen Erfolg. Den die Opposition hingegen als Justizputsch wertet: Gegen Israels demokratische Gewaltenteilung.

Darum wollen auch die Demonstranten nach 30 Wochen Dauerprotest nicht in die Sommerpause. Sie versammeln sich jetzt auf dem Hügel gegenüber der Knesset. Vor dem Obersten Gericht. Dessen Richter sollen über die Angemessenheit der Reform entscheiden. Esther Chayut ist die Präsidentin des Gremiums. Das Urteil „in eigener Sache“ könnte die letzte Amtshandlung der 69-Jährigen vor ihrem Ruhestand sein. Eine undankbare Aufgabe. Sie könnte Israels Spaltung noch einmal vertiefen.

„Diese Reform macht einen Bürgerkrieg in Israel denkbar“, befand die Jerusalem Post. Vor allem deswegen, weil sich Premier Benjamin Netanjahu nicht bereit zeigt, sich zu einer Annahme des im September zu erwartenden Richterspruchs zu verpflichten. Stattdessen orakelte er: „Lehnen die Richter ab, betreten wir eine Grauzone.“ Schon jetzt sprechen Minister von einer „Richter-Junta“.

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Als Richterin meidet Esther Chayut das Rampenlicht – dabei stand ihr der Weg zur Bühne offen. Nach ihrem Armeedienst in einer beliebten militärischen Gesangsgruppe hätte sie auch Schauspielerin werden können. Die Sängerin Dorit Reuveni erinnert sich: „Ein hübsches und kluges Mädchen. Bis heute halten wir über unsere WhatsApp-Gruppe Kontakt.“ Doch Esther, das Kind rumänischer Holocaust-Überlebender, studierte stattdessen Jus. Als Richterin galt sie später als „genau und nicht bequem“. Für Angeklagte wie für Kläger. Ihr Spezialfach ist Wirtschaftsrecht.

2003 wurde sie ins Oberste Gericht berufen, wo ihre Urteile ebenfalls nicht leicht vorhersehbar waren. Jedoch war sie kein Trouble Maker. Ihre Urteile sind für ihre Sachlichkeit berühmt. „Ein Richter soll sich nicht zum Helden seiner eigenen Urteile aufspielen“, gibt sie jüngeren Kollegen mit auf den Weg.

„Justiz wird zum Feind“

Auffallend sind ihre Urteile zu Menschenrechtsfragen. Von der Leihmutterschaft bis hin zu Rechten von Terroristen in Gefängnissen. Das Individuum geht vor. Was auch für ihre Urteile gegen aktive Terroristen gilt. Hier sind ihr die Rechte der Opfer wichtiger.

Als sie 2015 Präsidentin des Höchstgerichts wurde, wollte die damalige Justizministerin dies verhindern. Sie wollte „eindeutig rechte“ Juristen. Chayuts wurde trotzdem berufen. Eine Kampagne gegen sie setzte ein. Lange blieb die Juristin ruhig.

"Warnschuss"

Erst nach direkten Angriffen von Ministern und Abgeordneten meldete sie sich in der aktuellen Reformdebatte zu Wort: „Wir stehen vor Plänen, die Justiz in einem zügellosen Angriff zu zerstören. Sie wird so zum Feind, den es zu vernichten gilt.“

Wie es nun weitergeht? Experten meinen, dass das höchste Justizgremium in Israel einen „Warnschuss“ abgeben und das Gesetz an das Parlament zurückverweisen könnte – wegen Formfehler.

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