Siegeszug der Partei von Emmanuel Macron

Präsident Emmanuel Macron
Die Präsidenten-Partei ging im ersten Wahlgang klar in Führung und wird nächsten Sonntag weit über die Absolute gelangen. Aber die Hälfte der Wähler enthielt sich. Die SP stürzte auf weniger als zehn Prozent ab.

Für Emmanuel Macron läuft alles wie geschmiert, der von Frankreichs Medien vorausgesagte „politische Urknall“ ist im vollen Gange: die erst vor einem Jahr gegründete Partei des neuen Staatschefs, die LRM („La République en marche“ – sinngemäß: die Republik auf dem Vormarsch) und ihre Bündnispartner, eine kleine Zentrumspartei, gingen im gestrigen, ersten Durchgang der Parlamentswahlen mit rund 32,3 Prozent klar in Führung. Allerdings erreichte die Wahlenthaltung einen Rekordstand von 51,29 Prozent.

Alle übrigen Bewerber wurden deutlich abgeschlagen: auf die konservative Partei LR („Die Republikaner“) entfielen 21,6 Prozent, der „Front National“ von Marine Le Pen stockte bei 13,2 Prozent, die Linksaußenbewegung LFI („La France insoumise“ -Unbeugsames Frankreich) von Jean-Luc Melenchon kam auf 11 Prozent, die ihnen nahestehenden Kommunisten auf drei Prozent. Die Sozialisten – eben noch Regierungspartei – sackten auf einen historischen Tiefstand auf 9,51 Prozent ab.

Nimmt man Österreichs Parlaments-Wahlsystem zum Maßstab, wären die 32,3 Prozent, die die Marcon-Partei gestern errang, ein eklatanter Erfolg aber noch kein Triumph. In Frankreich aber wird in zwei Durchgängen pro Wahlkreis nur ein Abgeordneter bestimmt, es gibt kein Reststimmenverfahren. Dadurch kann die relativ stärkste Partei des ersten Durchgangs im zweiten Wahlgang auf eine absolute Mandatsmehrheit gelangen, während sich die übrigen Parteien mit einer unterproportionalen Abgeordnetenzahl begnügen müssen oder gar leer ausgehen können. Die gestrige besonders hohe Enthaltung verstärkt diesen Ausleseprozess.

Katapulteffekt für Macrons Partei

Die Strategie von Macron dürfte jetzt diesen Katapulteffekt noch verstärken. Laut ersten Projektionen könnte die LRM im zweiten Wahlgang nächsten Sonntag eine Rekordmehrheit erringen: 400 bis 440 der insgesamt 577 Sitze der Nationalversammlung (dem französischen Unterhaus). Die konservative LR würde über die Hälfte ihrer bisherigen Sitze einbüßen. Die Sozialisten kämen auf 15 bis 25 Sitze. Die Linksaußenbewegung von Melenchon würde gemeinsam mit der KP auf 13 bis 23 Sitzen gelangen können. Der Front national würden mit zwei bis maximal 5 Mandaten nicht einmal eigene Fraktionen bilden können.

Der Grund: einerseits bedient Macron den unbändigen Wunsch der Bevölkerung nach Erneuerung: ein Drittel der Kandidaten seiner LRM haben noch nie ein politisches Amt ausgeübt. Andererseits sog er den pragmatischen Flügeln der SP und des bürgerlichen Lagers Persönlichkeiten und Ideen ab. Wähler dieser Parteien folgten schon jetzt dem Lockruf von Macron, im zweiten Wahlgang wird sich dieser Trend noch vervielfachen.

So hievte Macron bürgerliche Politiker nicht nur in strategische Positionen, er teilt auch ihr Uranliegen: die weitere Liberalisierung des Arbeitsmarkts. Dem konnten sich die konservative LR im Wahlkampf schwerlich widersetzen, sodass sich ihre Kandidaten bis zur Unkenntlichkeit aufsplitterten zwischen jenen, die gegenüber Macron eine „konstruktive Opposition“ anstreben, jenen die mit ihm eine Koalition eingehen wollen und jenen, die sich seiner Bewegung anschließen möchten.

Den moderaten SP-Anhängern bot Macron wiederum die von ihm angestrebte Ausdehnung sozialer Begleitmaßnahmen für einen flüssigeren Arbeitsmarkt nach Vorbild der skandinavisch-sozialdemokratischen „Flexi-Security“. Resultat: Die SP zerfiel zwischen ihren pragmatischen Wählern, die zu Macron neigen, und ihrem linken Flügel, der teilweise zum Linksaußen-Tribun Jean-Luc Melenchon driftete.

Drei Minister in Verdacht

Trotz ihres Siegeszugs könnte die neue Staatsführung sehr schnell in herkömmliche Schwierigkeiten geraten: gleich drei Minister der von Macron frisch ernannten Regierung stehen bereits im Visier der Justiz. Wobei ausgerechnet Justizminister Francois Bayrou, der Mittwoch eine Reform zur „Moralisierung der Politik“ im Ministerrat präsentieren soll, ebenfalls unter schiefes Licht geraten ist.

Gegen zwei Ministerinnen der Zentrumspartei von Bayrou ist eine Vorerhebung im Gange wegen des Verdachts, sie hätten zuvor, als Europa-Abgeordnete, im EU-Parlament Mitarbeiter scheinbeschäftigt: betroffen sind Verteidigungsministerin Sylvie Goulard und Europa-Ministerin Marielle de Sarnez. Justizminister Bayrou hat bei Medien interveniert, damit sie ihre diesbezüglichen Recherchen einstellen. Francois Bayrou und seine kleine Zentrumspartei „MoDem“ hatten sich knapp vor der Präsidentenwahl mit Macron verbündet, weshalb er und Parteikolleginnen in die neue Regierung bestellt wurden.

Außerdem wurde gegen einen engsten Vertrauten von Macron und vormaligen SP-Politiker, den Minister für Raumplanung Richard Ferrand, eine Erhebung der Justiz wegen dubioser Immobilien-Transaktionen eingeleitet.

Kommentare