Sicherheit statt Terror und Flucht

Diese jungen Rekruten der malischen Armee sind die Hoffung Europas
Das Bundesheer entsendet vermehrt Militärberater nach Afrika.

Während Europa und auch Österreich viel Energie für den Kampf gegen Schlepperorganisationen aufwenden, schwört angesichts der Flüchtlingsthematik Verteidigungsminister Gerald Klug, SP, das Bundesheer auf eine steigende Zahl von Afrika-Ensätzen ein. Wer Österreich schützen wolle, müsse dort für Sicherheit sorgen, wo die Krisen entstehen.

Mittwoch nahm Minister Klug gemeinsam mit der deutschen Amtskollegin Ursula von der Leyen und dem spanischen Kollegen Pedro Morenés Eulate an einer Kommandoübergabe der europäischen Stabilisierungsmission EUTM in Mali teil. Diese Militärberatermission hat den Auftrag, die malischen Streitkräfte fit zu machen für die Übernahme der Verantwortung im westafrikanischen Land. Es ist ein höchst ambitionierter Pilotversuch der Europäer, der Erfahrungswerte für weitere Stabilisierungsoperationen in Afrika bringen soll.

Kolonialpolitik

Der 1,24 Millionen Quadratkilometer große Staat Mali mit seinen etwa 17 Millionen Einwohnern ist ein typisches Beispiel der unseligen Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts. Das zeigt ein Blick auf die Landkarte mit schnurgeraden Grenzen, die von Kolonialherren mit dem Lineal quer durch Stammes- und Weidegebiete sowie Handelswege gezogen wurden. Hier wurden Völker zum Zusammenleben gezwungen, die unterschiedlicher nicht sein können: im Norden nomadisierende Wüstenstämme wie Tuareg, im Süden sesshafte Bauern schwarzafrikanischer Herkunft.

Es gibt kein Staatsvolk mit einer malischen Identität, sondern 30 verschiedene Ethnien mit unterschiedlichen Sprachen – sowie dazugehörige Milizen. Dem gegenüber steht eine Zentralregierung mit einer schwachen Armee. Die malische Armee wurde von den Politiken aus Putschangst ausgehungert. Das hat aber auch den Nachteil, dass diese schlecht ausgerüstete Armee die Interessen der Regierung insbesondere im Norden nicht durchsetzen kann.

Diese Schwächen versuchten islamistische Milizen im Jahr 2012 auszunützen und starteten im Norden eine Offensive. Den Franzosen gelang es, die Islamisten zu stoppen.

Der wichtigste Wirtschaftsfaktor ist Geld, das ausgewanderte Malier nach Hause schicken. Nach offiziellen Schätzungen haben dieses Jahr 14.000 Malier das Land verlassen. Vor Ort schätzt man viel mehr. So hätten sich mit Touristenvisa für Verwandtenbesuche alleine nach Frankreich 20.000 Personen abgesetzt. Der Rest träumt davon, hinterherzureisen, wie eine Marktfrau in der Hauptstadt Bamako dem KURIER erzählt. Das Problem seien nur die Kosten. Da heißt es eben sparen für die Schlepper. Die Kleinbeträge, die von den Angehörigen in Europa geschickt werden, kommen in die Reisekassa.

Aufbau-Mission

Die Eskalation in ganz Afrika zwingt die EU zum Handeln. Nachdem Versuche der USA gescheitert waren, die malische Armee zu restrukturieren, versucht es die EU durch einen breiteren Ansatz. Ein Paket zum Aufbau und Entwicklung von Rechtstaatlichkeit, Verwaltung-, Wirtschafts- und Sozialstrukturen bis hin zum Katastrophenschutz soll das Land stabilisieren. Nachdem nun eine demokratisch gewählte Regierung an der Macht ist, sehen die Europäer auch eine neue Chance für den Aufbau der Armee gekommen.

570 Soldaten mit 200 Lehrern aus 22 EU-Staaten sowie Montenegro und Serbien befinden sich als Militärberater im Land. Ihr Auftrag ist es nicht nur, den malischen Soldaten das Schießen beizubringen. Sie vermitteln auch Kriegsvölkerrecht und das Verständnis der Soldaten, dass sie auch humanitäre Verantwortung haben.

Sechs einigermaßen einsatzbereite Bataillone wurden geschaffen. Die Mission läuft offiziell im kommenden Frühjahr aus. Doch das sei zu früh, findet Minister Klug. Es wäre schade, auf halbem Weg stehen zu bleiben. Deshalb habe er sich mit der deutschen Kollegin darauf geeinigt, "aktiv" bei der EU eine Verlängerung des Mandates zu erwirken.

Österreicher

Unter den EUTM-Soldaten sind auch acht Ärzte und Sanitäter aus Österreich. Ihre Arbeitsbedingungen sind hart: Extreme Temperaturen, Giftschlangen wie Speikobra und Puffotter, Skorpione und höchst gefährliche Insekten. Doch wenn es um eine Einsatzverlängerung geht, wären sie sofort wieder dabei. Beispielsweise Stabswachtmeister Maria-Anna Bovenzi aus Tirol. Zu Hause in Absam ist sie Kommandantin eines Rettungs- und Bergzuges, aber hier im EUTM-Feldspital ist sie als Krankenschwester eingeteilt. Ein Beruf, den sie vorher im Zivilleben erlernt hat. Knapp vor dem KURIER-Interview hatte sie einen malischen Soldaten angeliefert bekommen, der sich irrtümlich in den Fuß geschossen hatten. Bovenzi: "Hier ist es aus medizinischer Sicht wesentlich anspruchsvoller als zu Hause." Aber trotz Schlangen und Malaria schwärmt sie vom besonderen Flair Afrikas. Sollte sie gefragt werden, checkt sie sofort wieder ein.

Minister Klug will das Kontingent auf bis zu 20 Soldaten mehr als verdoppeln. Aber Sanitätspersonal wird nicht mehr dabei sein. Bei der nächsten Runde sind Infanteristen für die Ausbildung von Unteroffizieren und Offizieren gefragt.

Schwierige "Heimatfront"

Ein Soldat in Afrika kostet das 2,5-fache eines Soldaten im Balkan-Einsatz. Aufgrund des Spardrucks beim Bundesheer ist die Stimmung in der Truppe so schlecht wie noch nie. Die größte Herausforderung für Verteidigungsminister Gerald Klug wird es sein, den eigenen Bediensteten die Notwendigkeit der Afrika-Einsätze zu erklären.
Als besonders schmerzlich wird in den Kasernen der Mangel an Mitteln für das Ausbildungspersonal empfunden. Überstunden können nicht mehr bezahlt werden. Das schlägt sich spürbar auf das Einkommen der Soldaten. Außerdem können die Rekruten nicht mehr adäquat ausgebildet werden. Dazu kommt noch ein eklatanter Mangel an Fahrzeugen, Munition und Ausrüstung.
Wenn nun ein Unteroffizier erfährt, dass der Mali-Einsatz im Jahr 2014 mit nur acht Soldaten 700.000 Euro kostete, fürchtet er, dass auch dieser Betrag über verschiedene Umwege aus seinem Börsel genommen wird.
Die erwartbaren Reaktionen kennt man aus dem Tschad-Einsatz: Der war außenpolitisch höchst erfolgreich. Immerhin gelang es 3700 Soldaten, 420.000 Flüchtlingen das Verbleiben im Tschad zu ermöglichen. Innenpolitisch war er aber ein Desaster. Unter anderem sprachen sich sogar Heeres-Personalvertreter wegen des Geldmangels öffentlich gegen den Einsatz aus.
EU-SkeptikerDazu kam noch eine Phalanx von EU-Skeptikern und Boulevard-Zeitungen. Sie wollten nicht akzeptieren, dass die ihrer Ansicht nach „unnötige“ EU in der Lage ist, eine erfolgreiche Mission durchzuführen. Minister Klug steht nun vor denselben Gegnern wie sein Vorgänger Norbert Darabos – mit dem Unterschied, dass die Budgetkrise heute noch dramatischer ist, als damals. Klug versucht zu beruhigen, durch zugesagte Gelder, mit denen in den kommenden Jahren Fahrzeuge und Ausrüstung für die Miliz beschafft werden sollen. Aber diese Beschaffungsvorgänge sind noch nicht einmal eingeleitet.

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