Serbien: Klarer Wahlsieg für Premier Vucic

Als erster Kandidat seit Slobodan Milosevic vor 25 Jahren erreicht Vucic bereits im ersten Durchgang die nötoge Mehrheit.

Mit einem klaren Sieg im ersten Wahlgang kann Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic ins Amt des Präsidenten wechseln. Der 47-Jährige ließ bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag die Kandidaten der zersplitterten Opposition weit hinter sich und erreichte einer Hochrechnung des Belgrader Zentrum für Freie Wahlen und Demokratie (CESID) zufolge rund 56,40 Prozent der Stimmen.

Es gebe kaum noch die Möglichkeit, dass Vucic unter 50 Prozent der Stimmen lande, erklärte CESID-Chef Bojan Klacar dem TV-Sender "B-92". Mit dem Erreichen der absoluten Mehrheit kam er um eine Stichwahl in zwei Wochen herum. Vucic gehört zur konservativ-wirtschaftsliberalen Serbischen Fortschrittspartei (SNS) und führt die Regierung seit 2014. Früher gab er sich als serbischer Ultranationalist. Inzwischen verfolgt er das Ziel, sein Land in die EU zu führen.

Auf Platz zwei der Präsidentschaftswahl kam laut CESID der frühere Ombudsmann für Menschenrechte, Sasa Jankovic, auf den knapp 15 Prozent der Stimmen entfielen. Jankovic war als unabhängiger Kandidat der Mitte ins Rennen gegangen. Im Wahlkampf hatte er sich als liberale Alternative zu Vucic präsentiert, dem er autoritäre Tendenzen vorwarf. An dritter Stelle lag der Komiker Luka Maksimovic (Ljubisa Preletacevic Beli) mit 9,6 Prozent der Stimmen. Maksimovic nahm im Wahlkampf die Korruption und die Politiker des Landes aufs Korn.

Opposition zersplittert

"Wir können sagen, dass Vucic zum Präsidenten gewählt wurde", erklärte auch der Demoskop Marko Uljarevic vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos in Belgrad. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 55 Prozent. Zur Wahl aufgerufen waren zusammen mit den im Ausland lebenden Serben etwa sieben Millionen Stimmberechtigte.

Neben Vucic bewarben sich zehn Kandidaten der zersplitterten Opposition um das fünfjährige Mandat - unter ihnen der frühere Außenminister Vuk Jeremic und der Ultranationalist Vojislav Seselj, die laut Ipsos jeweils mit fünf bis sechs Prozent der Stimmen rechnen können.

Seine Gegner werfen Vucic vor, Serbien autoritär regieren zu wollen. Vucic wies derartige Vorwürfe als "lächerlich" zurück. "Ich werde die serbische Verfassung achten", sagte er bei seiner Stimmabgabe. Beobachter gehen davon aus, dass das normalerweise repräsentative Amt des serbischen Präsidenten unter Vucic mehr politischen Einfluss bekommen könnte.

Es bleibt in der Partei

Vucic soll im Präsidentenamt die Nachfolge seines Parteifreunds Tomislav Nikolic antreten, der seit 2012 im Amt ist und nicht erneut kandidiert. Der frühere ultranationalistische Hardliner Vucic hatte sich von Seseljs Serbischer Radikaler Partei (SRS) gelöst und einen EU-freundlichen Kurs eingeschlagen.

Viele Serben rechnen Vucic an, dass es seit seinem Amtsantritt als Ministerpräsident 2014 mit der Wirtschaft bergauf geht. Im vergangenen Jahr betrug das Wachstum 2,8 Prozent, jedoch zählen die Monatseinkommen der Serben mit durchschnittlich 330 Euro noch immer zu den niedrigsten in Europa.

Zum Ärger der Opposition widmeten die Medien dem Regierungschef im Vorfeld des Urnengangs mehr Sendezeit als den Oppositionskandidaten. Und am Donnerstag veröffentlichten fast alle großen Tageszeitungen gekaufte Werbeseiten, auf denen zur Wahl Vucics aufgerufen wurde.

Vucic ist nach 25 Jahren der erste Präsident Serbiens, der bereits im ersten Durchgang die notwendige Stimmenmehrheit erhielt. Zuletzt war dies 1992 Slobodan Milosevic gelungen, der später wegen Kriegsverbrechen angeklagt wurde.

Dominator, Superman, Übervater - wie soll man einen Politiker nennen, der mehr als jemals zuvor in der Geschichte Serbiens so viel Macht in seiner Hand vereint? Aleksandar Vucic ist Regierungschef, zukünftiger Staatspräsident, Koordinator aller Geheimdienste.

Er baut im Parlament auf eine satte Zweidrittelmehrheit, führt die mit Abstand größte Regierungspartei SNS, beherrscht die Medienlandschaft nach Belieben. Führende Richter und seine Kritiker bemängeln, dass Vucic auch die Justiz für seine Zwecke einspannt, was der 47-Jährige regelmäßig bestreitet.

Weder Freund noch Feind bestreiten hingegen, dass er das Maß aller politischen Dinge in diesem zentralen Balkanstaat ist. Jedenfalls trauten ihm die Wähler trotz vieler gebrochener Versprechen und der drastischen Kürzung von Renten und Gehältern im Öffentlichen Dienst zu, Serbien aus der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise zu führen.

Vorbild Putin

Eine beliebte These lautet, nur ein starker Führer könne Serbien modernisieren. Folgerichtig betrachtet Vucic auch Russlands Präsidenten Wladimir Putin oder Ungarns Regierungschef Viktor Orban als Vorbilder. Jetzt ist der Berufspolitiker, der sich in einem Vierteljahrhundert als Spitzenpolitiker von einem extremen Nationalisten und Extremisten zu einem glühenden Europäer gewandelt haben will, auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Mehr geht einfach nicht.

Was Vucic mit dieser absoluten Macht anfangen wird, ist weniger klar. Er hatte sich dem Wirtschaftsaufschwung verschrieben. Schon im letzten Jahr hatte er die folgenden fünf Jahre als "goldenes Zeitalter" für seine Heimat angekündigt. Doch die von ihm versprochenen höheren Löhne von 500 Euro im Monat sind noch in weiter Ferne. Auch der immer wieder angekündigte Kampf gegen die grassierende Korruption - die Bestechung von Politikern und Beamten, der Kauf von Diplomen und Doktortiteln bis zu groß angelegtem Betrug bei öffentlichen Ausschreibungen und bei der Kreditvergabe - lässt immer noch auf sich warten. Nicht ein führender Politiker oder Banker musste bisher für seine Missetaten geradestehen.

Vucic konnte seine einzigartige Karriere mit Unterstützung wichtiger ausländischer Politiker hinlegen. Russlands Putin favorisiert ihn offen, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel lud ihn in der heißen Phase des Wahlkampfs zum Abendessen nach Berlin. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder lobte demonstrativ "meinen Freund" bei dessen größter Wahlkampfveranstaltung.

Opposition fordert mehr Reaktion durch EU

Die zerstrittene und in die Bedeutungslosigkeit gefallene Opposition bemängelt seit Jahren, dass Brüssel und Washington Vucic innenpolitisch alle undemokratischen Schachzüge durchgehen lassen. Als "Gegengeschäft" müsse Vucic im Streit mit dem vor neun Jahren von Serbien abgefallenen und heute selbstständigen Kosovo Zugeständnisse machen.

Doch die Erfüllung dieses Teils der angeblich stillen Abmachung lässt weiter auf sich warten. Trotz jahrelanger Vermittlungsbemühungen der EU sind die Positionen Serbiens und des Kosovos weiter unvereinbar und unüberbrückbar geblieben. Serbische Sicherheitskräfte sind weiter in Nordkosovo tätig, wo die serbische Minderheit lebt. Belgrad finanziert seine Landsleute, die regelmäßig gegen die Regierung des fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovos Front machen. Die grenzüberschreitende Wasser- und Stromversorgung ist ebenso wenig geregelt wie die Integration des Kreisgerichts in der Serbenhochburg Mitrovica.

Erst im vergangenen Jänner kam es wieder zu neuen Spannungen, weil Belgrad einen neuen Eisenbahn-Triebwagen mit nationalistischen Parolen ins Kosovo schicken wollte. Vucic' Amtsvorgänger an der Staatsspitze, Tomislav Nikolic, drohte sogar mit Krieg.

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