Serbien-Politik ist die Mutprobe für Kurz
Die richtigen Schlüsse aus historischen Fehlentwicklungen zu ziehen, ist das Leitmotiv des großen Publizisten Hugo Portisch. So deponierte er zum 100. Jahrestag des Ausbruches des Ersten Weltkrieges einen Wunsch: „Das Richtige wäre genau das, was die Österreicher nicht wollen, nämlich dass Serbien in die EU kommt und damit Schluss ist mit den ganzen Balkanwirren und Balkankriegen, die nahezu bis in die heutige Zeit gehen“, sagte „Mister History“ in einem APA-Interview.
Portisch bringt es wie kein anderer auf den Punkt: Die EU sollte den Beitrittsprozess Serbiens und seiner Nachbarländer beschleunigen, weil die EU-Annäherung die Länder stabilisiert und reformiert. Dass die EU bei den Verhandlungen strenge Kriterien anlegen muss, hat sie nach der eiligen Aufnahme von Rumänien und Bulgarien auch gelernt. Serbien weiß das, es baut bereits seine Gesellschaft um, und in den innersten Belgrader Politik-Kreisen findet man sich längst damit ab, dass der Kosovo keine Provinz, sondern ein eigener Staat ist.
Außenminister Sebastian Kurz setzt mit seiner Priorität auf den Balkan fort, was vor ihm schon Ferrero-Waldner, Plassnik und Spindelegger machten. Der Erfinder der Balkan-Außenpolitik ist er nicht. Rhetorik allein wird auf Dauer nicht reichen, von Kurz werden Taten erwartet. Der Start der Beitrittsverhandlungen mit Serbien am Dienstag in Brüssel wäre ein Anlass für ihn, Serbien bei Investitionen zu helfen oder besseres Know-how für die Bekämpfung der Korruptionsseuche zu liefern. Er könnte Serbien auch ein Beitrittsdatum mit strengen Auflagen in Aussicht stellen. Ganz EU-konform ist das nicht, aber es wäre mutig und weitsichtig. Serbien ist die diplomatische Bewährungsprobe für Sebastian Kurz.
Kommentare