Belgrad sucht Anschluss an Europa
Zeitmaschinen“ nennt der österreichische Freund der jungen Serbin Senka die öffentlichen Verkehrsmittel in und um Belgrad. Weil die Busse und Straßenbahnen aussehen, als kämen sie aus einer anderen Epoche. „Er liebt die Trolley-Busse im Zentrum Belgrads und will immer öffentlich fahren, wenn wir in Serbien sind“, erzählt Senka, die jetzt in Wien lebt. Auch wenn es für Senkas Freund wie ein Museumsbesuch ist, wenn er versucht, in Belgrad von A nach B zu kommen – den meisten anderen raubte es bis zuletzt den letzten Nerv. Bei vielen ist das mangelhafte öffentliche Verkehrsnetz das Erste, was ihnen zu Serbiens Hauptstadt einfällt. „Ich wusste nie, ob ich 20 oder 50 Minuten zu meiner Universität brauche“, erzählt Senka über ihre Studienzeit in Belgrad, die bis 2011 dauerte.
Hilfe für die Ärmsten
Das soll sich jetzt ändern. Mithilfe etwa von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, hat die Stadtregierung verkündet, sollen 400 neue Busse gekauft werden. 65 Millionen Euro hat die EBRD für neue Wagen und strukturelle Maßnahmen bereitgestellt, sagt deren Sprecher Axel Reiserer dem KURIER. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind eine von vielen Baustellen, an denen der Bürgermeister der Stadt, Dragan Dilas, angesetzt hat. Als er 2008 ins Amt kam, stellte er ein umfassendes Modell der öffentlichen Wohlfahrt vor. Nach seiner Wiederwahl vor einem Jahr sagte er, er wolle „weiter für ein besseres Belgrad kämpfen“. Das bedeutet für den Chef der Demokratischen Partei (DS), sich weiter seinem Wohlfahrtsmodell zu verschreiben, das sich laut Angaben der Stadtregierung für Kinder, Roma, Familien, ältere und kranke Personen einsetzt. „Für die Ärmsten in der Stadt“, die im Allgemeinen mit einer hohen Arbeitslosigkeit, einer langsamen wirtschaftlichen Entwicklung und einem schwachen Arbeitsmarkt zu kämpfen hat. 470 Euro verdiente ein durchschnittlicher Belgrader im Februar.
Zudem wurden für 650 bedürftige Familien Wohneinheiten gebaut. Ebenso für Romafamilien. Auch wenn die Umsiedlungen der Roma aus ihren Siedlungen – zuletzt aus dem Bezirk Vidikovac – in Containersiedlungen nie ohne Protest abläuft, versucht die Stadtregierung nach eigenen Angaben, sich möglichst gut mit der Zivilgesellschaft und den NGOs – begleitet von der Europäischen Union – auszutauschen.
Kritiker werfen der Stadtregierung aber vor, gewisse Viertel „säubern“ zu wollen. Zudem seien die Gebiete, in denen neue Romasiedlungen (mit EU-finanzierten Containern) gebaut werden „weitab vom Schuss“, sagt die Balkan-Beauftragte von Amnesty International, Sian Jones, zum KURIER.
Zur Person: Dragan Dilas, 46
Parteichef Der Maschinenbau-Ingenieur Dilas ist seit 2008 Bürgermeister von Belgrad. Zudem ist er seit November neuer Chef der Demokratischen Partei (DS). Er folgte Ex-Präsident Boris Tadic im Rahmen einer großen innerparteilichen „Aufräumaktion“ nach der Wahlschlappe vor einem Jahr im Vorsitz.
Medienbranche Der verheiratete Vater von vier Kindern hat die humanitäre Organisation „Nasa Srbija“ für Kriegswaisen gegründet. Zudem ist er Präsident des Serbischen Basketballverbandes und Mitbesitzer des Unternehmens „Direct Media“. Dilas stieg in den 1990ern als Journalist zum Medienunternehmer auf.
Zu Gast in Wien Über sein Wohlfahrtsmodell wird Dragan Dilas morgen, Dienstag, ab 18 Uhr im Institut für die Wissenschaft vom Menschen in Wien sprechen (9., Spittelauer Lände 3). Mit ihm auf dem Podium sind Alexander Van der Bellen, Gemeinderat und Beauftragter der Stadt Wien für Universitäten und Forschung, Ivan Krastev vom Centre for Liberal Strategies in Sofia und Karoline Krause vom KURIER.
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