Selmayr: Grüner Pass wird anfangs "Fleckerlteppich" sein

Selmayr: Grüner Pass wird anfangs "Fleckerlteppich" sein
Leiter der Kommissionsvertretung in Wien warnt: Impfzertifikat werde nicht sofort "überall perfekt funktionieren können".

Der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Martin Selmayr, hat sich am Montag "sehr zuversichtlich" darüber gezeigt, dass der "Grüne Pass" bis zum Sommer zur Verfügung stehen wird. Gleichzeitig warnte er vor überzogenen Erwartungen, denn das europäische Impfzertifikat werde nicht sofort "überall perfekt funktionieren können", sagte Selmayr vor Journalisten in Wien. Und anfangs werde es durchaus ein "Fleckerlteppich" sein.

Die Zuständigkeit bezüglich des Zertifikats, mit dem Reisen innerhalb der Union wieder quarantänefrei möglich sein sollen, liegt bei den Mitgliedsstaaten. "Was wir zur Verfügung stellen, ist der Rechtsrahmen", erklärte der Kommissionsvertreter. Jeder Geimpfte, negativ Getestete oder Genesene soll dann einen QR-Code haben, der sicherstellt, dass man "überall in Europa diskriminierungsfrei behandelt wird. Das ist dann ein Rechtsanspruch", so Selmayr.

Länder entscheiden zunächst selber

Die Länder selbst würden dann entscheiden, ob sie "von den europäischen Freiheiten einheitlich Gebrauch machen, oder ob sie selber Akzente setzen", meinte Selmayr. Spätestens dann, wenn die Grenzen wieder aufgehen, solle es aber eine einheitliche Regelung geben, forderte er. Derzeit gibt es noch unterschiedliche Auffassungen darüber, ab wann man als geimpft gilt und welche Impfstoffe zugelassen werden.

Für den Anfang rechnete Selmayr deshalb auch mit einem "Fleckerlteppich". "Wer glaubt, dass am 1. Juni jeder in Europa einen Grünen Pass am Smartphone hat, mit dem überall in Europa das Gleiche möglich ist - das wird nicht der Fall sein", dämpfte Selmayr die Erwartungen. Das "Grüne Zertifikat" werde auch nicht gleich überall perfekt funktionieren. "Wir sind manchmal mit uns selbst etwas zu kritisch". Manchmal müsse man "vielleicht auch die 80 prozentige Lösung wählen, nicht die 100 prozentige".

Sorge über Impfskepsis

Große Sorge bereite ihm neben der sehr geringen Impfrate, etwa in Afrika, die weitverbreitete Impfskepsis in der gesamten EU, Österreich sei hier ein "Vorreiter". Laut jüngster Eurobarometer-Umfrage wollen sich nur 32 Prozent der Österreicher "so schnell wie möglich" impfen lassen (EU-Durchschnitt 45 Prozent), 20 Prozent wollten sich gar nicht impfen lassen (EU-Durchschnitt 12 Prozent). Selmayr ortete diesbezüglich die Notwendigkeit von intensiver Überzeugungsarbeit.

Auch das Vertrauen in die EU lag im März in Österreich auf einem historischen Tiefstwert. Der deutsche Spitzendiplomat führte das unter anderem auf die schlechte wirtschaftliche Situation und die größere Abhängigkeit Österreichs vom von der Pandemie stark gebeutelten Tourismus zurück. In direkten Zusammenhang mit der von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) losgetretenen Debatte über Impfstoffverteilung wollte Selmayr das getrübte Bild der Österreicher von der EU nicht bringen. Es sei alles eine gemeinsame Leistung - wenn es gut läuft, aber auch "wenn es irgendwo mal hakt, ist das ein gemeinsames Werk".

Für den am Freitagabend eingereichten österreichischen Plan für den europäischen Wiederaufbauplan fand Selmayr Worte des Lobes. In den wesentlichen Punkten übertreffe Österreich die Mindestvorgaben, strich der Kommissionsvertreter Pläne für Ökologisierung und Digitalisierung hervor. Es gebe eine "bemerkenswerte Konvergenz" zwischen der Reformorientierung der türkis-grünen Regierung, den Plänen der Kommission und dem Zeitplan des Aufbauplans.

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