Schweizer Rechtsnationale erzielen historisches Ergebnis
Bei den Parlamentswahlen in der Schweiz geht die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP) als klare Siegerin hervor. Die schon bisher stärkste politische Kraft im Land baute ihren Stimmenanteil auf den Rekordwert von 29,4 Prozent aus, wie dem vorläufigen amtlichen Endergebnis am Montag zu entnehmen war. Nie seit dem Ersten Weltkrieg war eine einzelne Partei in der Schweiz auf einen so hohen Wert gekommen.
Die SVP, die seit 20 Jahren mit ausländerkritischen Parolen auf Stimmenfang geht, profitierte vor allem von der Flüchtlingskrise. Sie hat 11 Sitze dazugewonnen und kommt damit auf den historischen Höchststand von 65 Sitzen. Neu zu besetzen waren bei der Wahl auch die Mandate der zweiten Parlamentskammer, des Ständerates. Dort blieb ein Rechtsruck aus, doch ist noch vieles offen.
Im Nationalrat hat die SVP zusammen mit der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und den kleinen Rechtsparteien Lega und Mouvement Citoyen Genevois (MCG) nun mit 101 Sitzen die absolute Mehrheit. Die Sozialdemokraten (SP) büßten drei Sitze ein und haben nunmehr 43 Mandate. Auf die FDP entfallen 33 Abgeordnete. Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) verlor einen Sitz und verfügt nun über 28 Mandate.
Zu den großen Wahlverlierern gehören die Sieger der Wahlen im Jahr 2011. Hart traf es die Grünliberale Partei (GLP), die fünf Mandate verlor und nur noch sieben Sitze hat. Auf die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP), die Partei von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, entfallen mit sieben Sitzen zwei weniger als noch vor vier Jahren. Auch die Grünen verloren einige Mandate: Statt 15 entfallen nur noch zehn auf sie.
Erfolge feiern konnten dagegen kleine Linksparteien: "BastA!" konnte in Basel-Stadt einen Nationalratssitz erringen. Im Kanton Neuenburg hat sich die Partei der Arbeit (PdA) einen Sitz geholt. 48,41 Prozent der Wahlberechtigten haben sich laut Zählung der schweizerischen Nachrichtenagentur sda an den Nationalratswahlen beteiligt. Das sind etwas weniger als 2011 (48,5 Prozent) und etwas mehr als 2007 mit 48,3 Prozent.
Kein Rechtsruck in Zweiter Kammer
Im Ständerat ist ein Rechtsruck ausgeblieben. Damit könnte der Graben zwischen National- und Ständerat noch tiefer werden. Vieles entscheidet sich jedoch erst im zweiten Wahlgang im November: Ein solcher ist in insgesamt zwölf Kantonen nötig. 19 der 46 Sitze sind nach dem ersten Wahlgang am Sonntag noch nicht besetzt.
Bisher hat die FDP zwei Sitze dazugewonnen, die CVP büßte ein Mandat ein, und die GLP wird künftig nicht mehr vertreten sein. Vor allem für die SP ist noch vieles offen: Sie muss sechs Sitze in zweiten Wahlgängen verteidigen.
Obwohl die meisten Syrer und Iraker die Schweiz bisher meiden, war die Flüchtlingskrise das dominierende Thema des Wahlkampfs. Ein Ausländeranteil von fast einem Viertel weckt bei vielen Angst um einen Verlust von Job, Wohnung oder der eigenen Kultur. Neben der SVP setzt auch die FDP auf eine Begrenzung der Zuwanderung. "Ein Bevölkerungswachstum von gegen 100.000 Menschen pro Jahr verkraftet dieses Land nicht", erklärte FDP-Parteipräsident Philipp Müller. Das Wahlresultat zeige, dass die Bevölkerung dies nicht mehr akzeptiere. "Da muss ganz klar etwas passieren."
Kampf um Sitze
Der überwiegende Teil der Einwanderer in der Schweiz kommt aus Deutschland und Italien. Im Gegensatz zur SVP will die FDP aber weiterhin enge Beziehungen zur Europäischen Union pflegen, dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Bis 2017 muss die Regierung versuchen, die von den Schweizern beschlossene Begrenzung der Zuwanderung mit dem EU-Eckpfeiler der Personenfreizügigkeit in Einklang zu bringen.
Die Regierung (Bundesrat) wählt das Parlament erst im Dezember. Doch der Kampf um die sieben Sitze in dem Gremium ist bereits voll entbrannt. SVP-Präsident Toni Brunner meldete Anspruch auf einen zweiten Sitz für seine Partei an, Mitte- und Linksparteien halten dagegen. Seit 1959 sind die wichtigsten politischen Kräfte in einer Koalitionsregierung vertreten. Angesichts der Wähleranteile steht der SVP ein zweiter Ministerposten eigentlich zu.
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