Auch in der Schweiz: Rechtspopulisten schüren Anti-Ausländer-Stimmung

Wahlveranstaltung der SVP in der Schweiz
Bei den Wahlen am Sonntag dürften wie fast überall in Europa auch in der Schweiz die Grünen verlieren und die Populisten zulegen. Und doch läuft in der Eidgenossenschaft einiges anders.
von Barbara Stäbler, Basel
 
Spitzenkandidaten? Gibt es nicht. Eine neue Regierung nach dem Urnengang? Gib es ebenfalls nicht.  Das Nicht-EU-Mitglied Schweiz gilt als Sonderfall in Europa - das zeigt sich auch bei den nationalen Wahlen. Während in den anderen europäischen Ländern Parteien ein parteipolitisches Zugpferd ins Rennen schicken und nach den Wahlen ganze Regierungen neu aufgestellt werden, ist das in der Schweiz anders:

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Gleichgültig, wer am Sonntag die Wahlen gewinnen wird, es hat keinen direkten Einfluss auf die Zusammensetzung der Regierung. Diese wird vielmehr durch die "Zauberformel" definiert - einer fixen Formel aus zwei Liberalen (FDP), zwei Rechtspopulisten (SVP), zwei Sozialdemokraten (SP) und einem Mitglied der konservativen Mitte-Partei.

Ende der grünen Welle

Kein europäischer Sonderfall ist hingegen beim Wahlresultat zu erwarten: Auch in der Eidgenossenschaft dürfte die grüne Welle abgeebbt sein. Sowohl die links angesiedelten Grünen (13,2 Prozent) wie auch die Grünliberalen (7,8 Prozent) werden wohl Sitze verlieren. Nicht der Klimawandel, sondern steigende Mieten und Krankenkassenprämien, die Finanzierung der Altersvorsorge sowie die hohen Migrantenzahlen belasten die Menschen.

Anders die rechtspopulistische SVP: Sie ist aktuell mit 25,6 Prozent die wählerstärkste Partei und soll Experten zufolge am Sonntag zulegen. Einmal mehr schlagen die Populisten politisches Kapital aus den hohen Migrations- und Flüchtlingszahlen: mit provozierenden Plakaten.

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Darauf prangen echte Zeitungsausschnitte in Übergrösse mit Textpassagen wie "Der Somalier trat ihn mit voller Wucht gegen den Kopf" oder "Algerier räumt Autos aus". Zwar kritisierte die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus die Kampagne scharf und bezeichnete sie als rassistisch, fremdenfeindlich und hetzerisch.

Das dürfte der SVP jedoch in die Hände gespielt haben. Sie inszenierte sich als Zensuropfer und passte ihre Kampagne an. Auf den Plakaten verdeckt nun ein Stempel mit rotem Schriftzug die Zeitungsausschnitte: "Achtung Zensur: Die Anti-Rassismus-Kommission will nicht, dass Sie dieses Inserat lesen", steht da geschrieben.

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Das Parlament in Bern

Nach der SVP auf Platz zwei folgen die Sozialdemokraten mit 16,8 Prozent. Auch sie dürften zulegen und ihren Platz verteidigen. Spannend wird hingegen, wer es auf Rang drei schaffen wird. Aktuell sind die Liberalen mit 15,1 Prozent drittstärkste Kraft, doch macht ihnen die Mitte-Partei diese Position streitig. Letztere rangiert mit 11,4 Prozent hinter den Grünen im Moment auf Platz fünf.

Traditionell tiefe Wahlbeteiligung

Angesprochen auf den Wahlsonntag, sagte ein junger Familienvater in der Basler Innenstadt: "Klar gehe ich wählen. Es ist schliesslich wichtig." Ein älteres Ehepaar ist gleicher Meinung: "Es gehört zur Bürgerpflicht", sagte der Mann. Und seine Frau erinnert daran, dass in anderen Ländern Menschen ihren Einsatz für Demokratie mit ihren Leben bezahlt haben.
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Damit zählen die drei zu jenen unter 50 Prozent, die sich traditionell an den Wahlen beteiligen. Während 2019 bei den Nationalratswahlen 75,6 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher an die Urnen gingen, waren es in der Schweiz gerade Mal 45,1 Prozent.

Ein Grund für die traditionell niedrige Wahlbeteiligung in der Schweiz könnte in den Volksrechten liegen. Die Eidgenossen stimmen in der Regel vier Mal im Jahr über Sachvorlagen ab - etwa über "eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz" (2006) oder über eine "Energie- statt Mehrwertsteuer" (2012).

In den vergangenen drei Jahren befanden die Stimmberechtigten über insgesamt 27 Sachvorlagen. Etwas salopp formuliert könnte man sagen: Es ist nicht so wichtig, wer im Parlament sitzt, denn der Stimmbürger kann korrigierend eingreifen.

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