Die Wahl am Sonntag brachte keine Klarheit, alles wartet auf die Auszählung der Wahlkarten. Einzig der historische Erfolg der rechten Schwedendemokraten steht fest.
Die Wahlnacht war lang. Erst um Mitternacht trauten sich die Parteivorsitzenden in Schweden vor die Kameras, um ihre Einschätzung des Wahlresultats zu verlautbaren. Zu groß war die Unsicherheit, das Zittern um die Mandatsverteilung im schwedischen Reichstag. Selbst die sozialdemokratische Noch-Ministerpräsidentin Magdalena Andersson gab sich trotz des Wahlsieges (30,5 %) und eines Stimmenzuwachses von knapp 2,2 Prozent sehr zurückhaltend. Nach Feiern war ihr nicht zumute. Denn der Block der linken Parteien, der ihr eine zweite Amtszeit als Regierungschefin ermöglichen könnte, liegt, Stand Montagmittag, mit einem Mandat hinter einem möglichen Mitte-rechts-Lager zurück. Erst am Mittwoch soll es mithilfe der ausgezählten Wahlkarten ein Endresultat geben, das darüber entscheidet, wer die besten Aussichten auf das Amt des Ministerpräsidenten hat.
Die ausgelassenste Feier gab es Sonntagnacht bei den Schwedendemokraten (SD), die Rechtspopulisten wurden zweitstärkste Kraft. "Wir sind heute eine wirklich große Partei", sagte Jimmie Åkesson nach der geschlagenen Wahl zu seinen Anhängern. Seit 2005 hat er den Parteivorsitz inne, er hat die SD 2010 erstmals in den Reichstag geführt und unter ihm haben sie sich im politischen Alltag etabliert. Der Aufstieg der SD wird unmittelbar in Zusammenhang mit zunehmender Einwanderung gesehen, gegen die SD-Politiker Stimmung machen. Einen U-Bahn-Zug in Stockholm, der mit dem Logo der Partei überzogen war, betitelte ein Funktionär auf Twitter etwa als "Abschiebezug" mit "Einzelticket" und "nächstem Stopp: Kabul". Ein Tabubruch in Schwedens traditionell liberaler politischer Landschaft. Bei dieser Wahl dürfte ihnen auch die in Schweden grassierende Bandenkriminalität zusätzlichen Rückenwind verschafft haben. Allerdings ist weitgehend unklar, wo die Partei abseits der Asylpolitik steht. Während der Corona-Pandemie schrieb Åkesson auf Twitter, anders als andere europäische Rechtspolitiker, dass die Impfung der einzige Weg aus der Krise sei. Und als es im April dieses Jahres um die für Schweden historische Frage nach einem NATO-Beitritt ging, änderten die SD kurzerhand ihre skeptische Position und stimmten unter der Voraussetzung des finnischen Beitritts zu.
Obwohl die Schwedendemokraten nun die stärkste Kraft des Mitte-rechts-Lagers sind, ist nicht sicher, dass sie von den gemäßigteren rechten Parteien als Koalitionspartner geduldet werden würden. Damit steht Schweden aktuell vor der paradoxen politischen Situation, dass der Parteichef der drittplatzierten Moderaten Ulf Kristersson trotz seiner zweiten Verlustwahl nach 2018 als Ministerpräsident aus der Wahl hervorgehen könnte. Das Ziel: Eine konservative Regierung durch die Schwedendemokraten tolerieren zu lassen, ohne ihnen echtes Mitspracherecht zuzugestehen. Doch das deutliche Erstarken der SD bringt dieses Vorhaben ins Wanken, die Rolle als "Mehrheitsbringer" scheint damit nicht mehr attraktiv genug. "Unsere Ambition ist es, in der Regierung zu sitzen", gab Åkesson unmittelbar nach der Wahl aus. Am Montag nach dem "Wahl-Thriller" hat Jimmie Åkesson mit Ulf Kristersson zu Mittag gegessen. Was dabei besprochen wurde, ist nicht bekannt, die Vorbereitungen auf den Machtwechsel dürften aber in vollem Gange sein.
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