Schwarzenberg: „Politik ist ein blödes Geschäft“

Interview Karel Schwarzenberg im Hotel VIVA in Maria Woerth, 24. Juli 2013. Foto: Daniel Raunig
Fit für die nächste Wahl: Der Fürst und scheidende Außenminister kurt in Kärnten.

Als die Regierung in Prag nach einem Abhörskandal geplatzt war, ging eines der ersten Telefonate des scheidenden Außenministers Karel Schwarzenberg (75) nach Wien. Seine Kanzleichefin Gerda Neudeck möge für ihn eine Fasten-Kur in Maria Wörth buchen, um für den bevorstehenden Wahlkampf fit zu sein. Den total abstinenten Hocharistokraten traf der KURIER am Wörthersee zum Plausch.

KURIER: Wenn Sie nicht gerade beim Abnehmen sind, welche Küche bevorzugen Sie?

Karel Schwarzenberg: Die lokale, egal wo. Ich habe mich zum Beispiel für die Rettung des böhmischen Knödels eingesetzt, der muss geknetet werden und nicht industriell hergestellt. Für mein seinerzeitiges Restaurant in Wien sammelte ich 24 Knödelrezepte, die ich ins Deutsche übersetzte. Kochen kann ich aber nicht gut.

Warum kuren Sie nicht in Tschechien?

Dort gibt’s auch hervorragende Kurhäuser, aber im Urlaub will ich weit weg vom Arbeitsplatz sein. In Böhmen und Mähren, auch in der Slowakei kennen mich zu viele Menschen.

Schwarzenberg: „Politik ist ein blödes Geschäft“
Interview Karel Schwarzenberg im Hotel VIVA in Maria Woerth, 24. Juli 2013. Foto: Daniel Raunig
Im Herbst ziehen Sie als Spitzen-Kandidat Ihrer Partei TOP 09 in den Wahlkampf?

Selbstverständlich.

Was treibt Sie so an?

Die natürliche Lust, in das öffentliche Leben einzugreifen sowie der Opposition eins auszuwischen.

Einige Beobachter meinen, Präsident Milos Zeman setzte eine eigene Regierung ein, nur um Sie, seinen Rivalen bei der Präsidentenwahl, loszuwerden ...

... sicherlich ein willkommener Nebeneffekt.

Ihre wenigen Monate Amtszeit unter Zeman waren hart ...

Er hatte schon im Wahlkampf versprochen, ein sehr aktives Staatsoberhaupt zu sein, und betont, dass er die Verfassungs-Gepflogenheiten idiotisch finde und er sich nur an die Buchstaben der Verfassung halten werde. Wenn man aber den Geist der Verfassung nicht achtet, endet man in einer Teufelsgasse. Die historische Wahrheit ist, dass sich mehrere Herrschaften des 20. Jahrhunderts an die Verfassung hielten und erfolgreich Diktaturen eingeführt hatten, so wie Klement Gottwald 1948 (die KP-Diktatur) oder ein gewisser Adolf Hitler 1933.

Botschafter, die Sie ernannten, wollte Zeman nicht akzeptieren, weil er seine Leute durchsetzen wollte. 30 Posten blieben leer.

Bis jetzt war es Usus, dass die Regierung auf Vorschlag des Außenministers die Botschafter ernennt, die dann der Präsident betraut. Zwischen Betrauen und Ernennen ist ein Unterschied.

Nun hat Ihr Nachfolger Zemans Wunschkandidaten ernannt.

Und die unerfahrene Frau des Ex-Präsidenten, Livia Klausova, die Zeman im Wahlkampf heftig unterstützte, wird Botschafterin in Bratislava. Die neue Regierung ist ausschließlich dazu da, Zemans Wünsche zu erfüllen.

Wird diese Regierung, die – entgegen den Gepflogenheiten – von Zeman eingesetzt wurde, die Mehrheit im Parlament bekommen?

Ich glaube nicht, aber möglich ist alles, der Präsident arbeitet emsig daran, dass sie das Vertrauen bekommt.

Viele Tschechen behaupten, sie haben das Rennen um die Prager Burg verloren, nur weil Sie in einer TV-Debatte sagten, Präsident Benes (der für die Vertreibung der Sudetendeutschen verantwortlich war) und seine Regierung würden heute vor dem Haager Tribunal landen.

Diese Aussage hat sicher die Wahl beeinflusst, aber nicht entschieden. Ich würde es wieder sagen. Wissen Sie, wenn man älter ist – wie ich – und einiges vergisst, sollte man immer bei der Wahrheit bleiben.

Was sagen Sie den Menschen, die behaupten, dass der Beruf des Politikers noch nie so diskreditiert war wie jetzt?

Dass sie recht haben! Große Persönlichkeiten gehen nicht in die Politik. Es ist auch ein blödes Geschäft, keine Freizeit, schlechte Bezahlung. Wie ein Kollege bemerkte, ist man auf Korruption angewiesen, um zu überleben. Gott sei dank muss ich nicht von der Politik leben.

Orlik, Ihr Schloss an der Moldau, in dem Sie aufgewachsen sind, oder Murau, Sitz Ihrer Familie – welches ist Ihre Heimat?

Beides. Ich bin an mehreren Orten zu Hause.

Sind Sie in Ihrer Familie der einzige Tscheche?

Nein, meine Geschwister haben auch einen tschechischen Pass, mein Sohn Aki nur den der Schweiz.

Ist Edward Snowden für Sie ein Held oder Verräter?

Beides.

Wenn Snowden in Prag zwischengelandet wäre, hätten Sie ihm Asyl angeboten?

Nein, bei uns hat er nicht so viele Anhänger wie in Westeuropa, wo der Antiamerikanismus viel stärker ausgeprägt ist. Die USA haben Westeuropa ein halbes Jahrhundert vor den Sowjets geschützt. Uns nicht, in Folge dessen haben wir keine Komplexe und auch keine Aggressionen gegen die Amerikaner.

Sie sagten einmal in einem Interview, „bei faden Reden schlafen ich ein.“

Richtig.

War die Zeman-Rede vor dem Abgeordnetenhaus, bei der Sie eingenickt waren, fad?

Ja.

Die tschechischen Medien besprechen manchmal auch Ihre Garderobe. Jeans mit aufgeschlagenen Hosenbeinen werden kritisiert. Rote Socken, die Sie bei der Sicherheitskonferenz in Belgrad trugen, wurden dagegen ein Renner. Stimmt es, dass Sie beim Wiener Nobelschneider Knize (auf deutsch: Fürst), der auch in Prag einen Salon hat, nähen lassen?

Seit vielen Jahren nicht mehr, er ist mir zu teuer. Ab einem gewissen Alter soll man in die Eitelkeit nicht mehr so viel investieren.

Das Leiberl, das Sie tragen, ist das ein politisches Statement?

Nein. Im Urlaub trage ich die geschenkten Sachen.

Haben Sie dem Dramatiker Pavel Kohout, mit dem Sie in Dissidenten-Zeiten eng verbunden waren und der jetzt für Präsident Zeman Werbung macht, zum 85. Geburtstag gratuliert?

Jessas nein, ich habe total vergessen. Er hat mich zu seiner Geburtstagsfeier nicht eingeladen. Ich hätte ihm gratuliert. Jeder bewegt sich in der schlechten Gesellschaft, die ihm Spaß macht.

Was würden Sie gerne machen, wenn Sie aus der Politik ausscheiden?

Reisen. Südamerika. Brasilien. Seidenstraße, Russland.

(Fürst) Karel Schwarzenberg wurde am 10. Dezember 1937 geboren und wuchs in Böhmen auf. Als er 10 Jahre alt war, flüchtete seine Familie nach Österreich. Der politisch engagierte Gast- und Forstwirt unterstützte stets den Widerstand gegen KP-Regime. Nach der Wende 1989 kehrte er nach Böhmen zurück und wurde Kanzleichef bei Dichter-Präsident Vaclav Havel. Von den Grünen nominiert wurde er Außenminister. Später gründete er eine eigene Partei, die konservative TOP 09, die in der bisherigen Regierung vertreten war.

Nach einem Abhör- und Korruptionsskandal trat Premier Petr Necas Mitte Juni zurück. Gegen den Willen der Parlamentsmehrheit setzte Präsident Milos Zeman daraufhin eine eigene Experten-Regierung ein. Alle bisherigen Minister mussten gehen. Viele Tschechen bezeichnen die neue Regierung als „Kabinett der Freunde Zemans.“ Dass diese Regierung am 8. August im Abgeordnetenhaus das Vertrauen ausgesprochen bekommt, ist wenig wahrscheinlich. Die Folge davon könnte sein, dass es erneut zu einer komplizierten Regierungsbildung kommt. Doch spätestens im Frühling muss ein neues Parlament gewählt werden. Erwartet wird durchwegs ein Linksruck. Die Partei von Karel Schwarzenberg „TOP 09“ könnte laut Umfragen die stärkste konservative Kraft in Tschechien werden.

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