Schüler gegen Ausweisung von Migrantenkindern
Aus Protest gegen die Ausweisung zweier ausländischer Schüler aus Frankreich beteiligten sich Tausende Mittelschüler am Donnerstag in mehreren französischen Städten an spontanen Demonstrationen, die in Paris zum Schluss in Zusammenstößen mit der Polizei ausarteten.
Für Freitag wird mit einem weiteren Anschwellen der Proteste gerechnet, weil auch Studenten- und Lehrerverbände sowie diverse Parteien der Linken und Menschenrechtsvereine zu den Straßenkundgebungen aufrufen. Schon am Donnerstag-Vormittag waren dutzende Pariser Schulen auf Initiative linker Schülerverbände in einen Unterrichtsstreik getreten.
Außerdem wurde ein 19 jähriger armenischer Schüler, Khatchik Kachatryan, trotz heftiger Proteste am Flughafen in Paris, nach Armenien ausgewiesen. Kachatryan wollte ursprünglich dem Wehrdienst in Armenien entgehen.
Rebellion der Lehrer- und Elternverbände
Das Vorgehen der Behörden hat Eltern- und Lehrerverbände besonders aufgebracht, nachdem sich diese seit Jahren gegen die Festnahme und Ausweisung von Schulkindern gestemmt hatten. Unter ihrem Druck musste der vormalige bürgerliche Staatschef Nicolas Sarkozy von derartigen Maßnahmen Abstand nehmen. Dabei hatten sich etliche sozialistische Bürgermeister für diese Kinder im Rahmen von feierlichen „republikanischen Patenschaften“ engagiert. Gerade deswegen hagelt jetzt auch von Seiten sozialistischer Politiker Kritik.
Der SP-Parlamentspräsident Claude Bartelone warnt, die Linksregierung (Sozialisten und Grüne) „laufe Gefahr ihre Seele zu verlieren“. Unterrichtsminister Vincent Peillon bekräftigte das Verbot, Kinder in der Schule oder während Schulausflügen festzunehmen, und forderte die Rückkehr der betroffenen Familie aus dem Kosovo. Schließlich erklärte sogar Premier Jean-Marc Ayrault im Parlament: „Ich verstehe diese außerordentliche Emotion“. Die Regierung hat eine Untersuchung dieser Ausweisung angeordnet.
Innenminister Valls im Visier
Im Visier sowohl dieser Politiker als auch der Demonstranten steht vor allem der sozialistische Innenminister Manuel Valls, der die Ausweisung der Familie Dibrani in einer ersten Stellungnahme gerechtfertigt hatte. Valls hat sich als harter Ordnungspolitiker profiliert und gilt laut Umfragen als populärstes Regierungsmitglied. Seine Lieblingsformel lautet: „Wir müssen Standfestigkeit und Humanität verbinden“.
Valls hat tatsächlich einige Dekrete aus der Amtszeit von Sarkozy, die das Leben der Migranten erschwerten, wieder außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig hat er für die Polizei in allen Fällen nur Lob übrig und verkündet auf Schritt und Tritt neue Ordnungsmaßnahmen.
Kürzlich hatte er die Auflösung aller illegalen Lagerstätten von Roma-Migranten aus Osteuropa angekündigt. Annähernd 400 behelfsmäßig errichtete Siedlungen von Roma-Migranten sorgen stellenweise für Spannungen mit Anrainern, wobei Bürgermeister aller politischen Schattierungen deren Entfernung verlangen. Dabei hatte Valls der Mehrheit der Roma-Migranten aus Rumänien und Bulgarien ihre „Lebensart“ vorgeworfen und die Bereitschaft zur Integration in Frankreich abgesprochen – eine Behauptung die etliche Regierungskollegen des Innenministers mit offenen Unbehagen quittierten und Menschenrechtsorganisationen mit Verweis auf die elenden Existenzbedingungen der Roma zurückwiesen.
Präsident Francois Hollande hielt sich bisher in diesen Debatten bedeckt, er setzt aber auf Valls und seine harten Sprüche, um dem Sog der Nationalpopulistin Marine Le Pen entgegen zu wirken. Deren Partei „Front National“ hat gerade am vergangenen Sonntag bei einer Lokalwahl in Südfrankreich einen Sieg errungen und steuert bei den EU-Wahlen im nächsten Mai auf einen Durchbruch zu. Aber gleichzeitig wächst in der französischen Linken, sowohl unter den Wählern als auch unter den Parlamentariern, die Verbitterung über den Zentrumskurs der Staatsführung um Präsident Hollande. Für viele Anhänger der Linken ist dieser Kurs ein bloßes Nachgeben gegenüber dem Druck des Unternehmerverbands und der rechten politischen Kräfte.
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