Referendum: Queen bricht ihr Schweigen

Britain's Queen Elizabeth leaves King Edward VII hospital in central London, March 4, 2013. The Queen left hospital on Monday a day after being admitted with symptoms of gastroenteritis, walking from the hospital entrance to a waiting limousine. REUTERS/Neil Hall (BRITAIN - Tags: POLITICS SOCIETY ROYALS)
Die königliche Familie bleibt unparteiisch, die Modedesignerin Westwood hingegen nicht.

Wenige Tage vor der Abstimmung über eine Unabhängigkeit Schottlands hat Queen Elizabeth II. ihr eisernes Schweigen zu dem Referendum gebrochen. Sie sagte am Sonntag beim Verlassen eines Gottesdiensts nahe ihrer schottischen Sommerresidenz Balmoral der Zeitung The Times zufolge zu Umstehenden, sie hoffe, dass die Menschen "sehr gut über die Zukunft nachdenken".

Abstimmung Sache der Schotten

Referendum: Queen bricht ihr Schweigen
epa04398429 A Unionist holds a sticker depicting Queen Elizabeth during a march of the Orange Order, a Protestant fraternal organisation, in a show of solidarity for the Union of Britain in Edinburgh, Scotland, 13 September 2014. Polls are showing that the Yes and No camps are neck and neck in the Scottish Independence referendum. Scots will vote wether Scotland should become an independent country 18 September. EPA/ANDY RAIN
Bisher hatte die Königin jegliche öffentliche Äußerung zu dem Referendum vermieden. Ein Mitarbeiter des Buckingham Palace, der nicht namentlich genannt werden wollte, erklärte, die Äußerung sei völlig unparteiisch und betone lediglich, das die Abstimmung einzig Sache der Schotten sei.

Es gilt als sicher, dass die Queen auf einen Verbleib Schottlands im Vereinigten Königreich hofft. Sie dürfte jedoch auch im Falle einer Abspaltung Staatsoberhaupt von Schottland bleiben. Die Queen fühlt sich Schottland persönlich stark verbunden: Ihre Mutter war Schottin und sie verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit dort. Zudem reist sie im Sommer noch immer am liebsten nach Schottland.

Westwood: "I hate England"

Als unparteiisch kann man die Aussage der Modedesignerin Vivienne Westwood nicht bezeichnen. "Ich bin so aufgeregt", verkündet Westwood bei der Fashion Week in London. Sie unterstützt das Unabhängigkeitsbestreben der Schotten gänzlich. Ihre Finger seien bereits gekreuzt, denn wenn sie gewinnen würden, dann wäre das ein Schwenk zu einer besseren Welt, erklärt die gebürtige Engländerin.

Damit ihre Meinung auch in der öffentlichen Wahrnehmung sichtbar ist, hat sie jedem Model am Laufsteg ein "YES"-Abzeichen mitgegeben - nur um auf Nummer sicher zu gehen.

Referendum: Queen bricht ihr Schweigen
epa04400703 British designer Vivienne Westwood holds a 'Yes' badge in reference to the Scotland independence referendum campaining after presenting the Spring/Summer 2015 collection by Vivienne Westwood Red Label during the London Fashion Week, in London, Britain, 14 September 2014. The presentation of the Women's collections runs from 12 to 16 September. Scots will vote wether Scotland should become an independent country 18 September. EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA

“I hate England. I like Scotland because somehow I think they are better than we are. They are more democratic.”

Sie hasst England, mag aber Schottland. "Ich denke, dass die Schotten besser sind als wir. Sie sind demokratischer", wird Westwood zitiert. Und jene Menschen, die am Donnerstag gegen die Unabhängigkeit stimmen, seien ängstlich und dumm.

Warum sie England hasst? Alle Politiker würden die Menschen noch tiefer in den Abgrund bringen. Dabei spiele auch das kapitalistische System eine große Rolle. Schottland sei da aber anders: "Wir hoffen Schottland kann ein Modell für die künftige Entwicklung werden", gibt sie gegenüber Journalisten preis. "Ein Staat, wo Demokratie vor dem Profit steht."

Beckham dagegen

Westwood ist eine von vielen Prominenten, wie Sean Connery und Anni Lennox, die sich für eine Unabhängigkeit Schottlands stark machen. Auf der anderen Seite stehen Gegner, wie David Beckham und JK Rowling, eines unabhängigen Staates.

Referendum: Queen bricht ihr Schweigen
epa04400732 A model presents a creation during the Spring/Summer 2015 collection by Vivienne Westwood Red Label during the London Fashion Week, in London, Britain, 14 September 2014. The presentation of the Women's collections runs from 12 to 16 September. Some models wear a 'Yes' badge in their outfit making a reference to the Scotland independence referendum campaining. Scots will vote wether Scotland should become an independent country 18 September. EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA

Es ist sein bester Kilt, den Kenneth für diesen Spaziergang durch Edinburgh angezogen hat, die Jacke dazu feinster Tweed und der Patriotismus felsenfest. 14 Stück hat er von den passgenau gelegten und gegürteten Wolltüchern, und er trägt sie seit Kindheit an täglich, Winter wie Sommer.

Wer dem Siebzigjährigen zuhört, hat bald keine Zweifel mehr, dass ein Kilt das praktischste aller Kleidungsstücke ist – und dass Schottland in der kommenden Woche nur unabhängig werden kann. Einfach, weil es das in seinem Innersten immer schon war. "Was soll das eigentlich sein, Großbritannien", fragt der geprüfte Whiskyexperte, "außer der Rest eines untergegangenen Kolonialreichs?"

Der skandinavische Traum

Für Kenneth ist der kommende Donnerstag, an dem Schottland über seine Unabhängigkeit abstimmt, "die Chance unseres Lebens." So wie er sind die meisten Anhänger der Unabhängigkeit überzeugt, dass es Schottland im Alleingang nur besser gehen kann. Mit dem Öl aus der Nordsee, dem Whisky, den neuen Wind- und Gezeitenkraftwerken und vor allem mit der Überzeugung, dass das ferne London immer mehr genommen als gegeben hat, träumt man sich in eine Zukunft, die irgendwo zwischen Schweden und Island liegt.

Demo gegen die Unabhängigkeit:

Referendum: Queen bricht ihr Schweigen

A boy marches with a flute band during a pro-Union
Referendum: Queen bricht ihr Schweigen

Competitors take part in the Belgian Pipe Band Cha
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BRITAIN SCOTLAND REFERENDUM
Referendum: Queen bricht ihr Schweigen

A "Yes" campaign poster is displayed on the Isle o
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Members of the Orange Order march during a pro-Uni
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Men wear Union flag suits as they watch a pro-Unio
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BRITAIN SCOTLAND REFERENDUM
Referendum: Queen bricht ihr Schweigen

A supporter of the Orange Order holds a Union flag
Referendum: Queen bricht ihr Schweigen

A man, wearing pro-Union stickers, watches a rally
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Competitors in the Belgian Pipe Band Championship
Referendum: Queen bricht ihr Schweigen

A "Yes" placard sits on a hillside on the Isle of
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Loyalists march past a Union flag during a pro-Uni

Das skandinavische Modell ist das Leitmotiv für die regierende SNP und ihren Chef Alex Salmond. Wie eine Monstranz trägt der hemdsärmelige, nie um eine derbe Pointe verlegene Regierungschef dieses Ziel vor sich her: Ein sozialeres, ein gerechteres Schottland, als Gegensatz zum kalten, konservativen Großbritannien. Das lauteste Echo findet Salmonds Botschaft dort, wo die Gegenwart in Großbritannien wenig mehr zu bieten hat als die Wahl zwischen Sozialhilfe und elend bezahlten Dienstleisterjobs: In Hafenstädten wie Dundee, wo sich nur noch die Älteren an florierende Werften erinnern, oder in Glasgows Glasscherbenviertel Drumchappel, wo in vielen Familien zwei Generationen von der kärglichen britischen Sozialhilfe leben.

Hier ist die "Yes"-Kampagne für die Unabhängigkeit das erste bisschen Hoffnung seit Langem. Da laufen Mindestpensionistinnen wie Mad, die seit Wochen mit den blauen "Yes"-Wimpeln die sechzehn Stockwerke in den Sozialbauten, in denen der Lift schon lange nicht mehr funktioniert, auf und ab. "Da erzählt mir einer wirklich, dass er Angst um seine 80 Pfund (90 Euro) wöchentliche Rente hat, wenn Schottland unabhängig werden sollte", schildert sie ihre Begegnungen an den Wohnungstüren: "Dann muss ich ihm versprechen, dass die sicher ist. Mehr als das haben viele hier ohnehin nicht mehr zu verlieren."

Die Jungen treibt hier vor allem die Wut auf ein Land an, das ihnen brutaler denn je zuvor klarmacht, dass man für sie keine Zukunft eingeplant hat. Das örtliche Arbeitsamt hat hier im Shoppingcenter mit Abstand die größte Auslage – und dort, rotzt es ein Jugendlicher, der gerade rauskommt, in grobem Schottisch heraus, "warten sie nur drauf, dass sie dir die Sozialhilfe streichen können, wenn du nur eine Minute zu spät kommst".

Und alle wollen das Pfund

Es sind eher jene, die mehr zu verlieren haben, die sich jetzt lieber auf das "No, thanks" zur Unabhängigkeit verlassen. Dort, wo in Edinburgh die Vorgärten ordentlich und die Autos gewaschen sind, hält man von Alex Salmonds Versprechen wenig. "Der will doch schon lange nur König von Schottland werden – und jetzt glaubt er, er hat es geschafft", scherzt ein älterer Herr mit nach eigener Auskunft stattlicher Beamtenlaufbahn. "Ich will das Vereinigte Königreich nicht gegen einen abenteuerlichen Alleingang tauschen."

Dass der Regierungschef verspricht, das auch bei Schotten bemerkenswert beliebte britische Pfund beizubehalten, will er nicht glauben. Das wäre man genauso schnell los wie die ganzen Firmen, die schnurstracks aus Schottland nach Süden abwandern würden.

Im Pub an der Ecke kann man sich hier jedenfalls umgehend jede Menge Einwände gegen diese Kleinstaaterei abholen. Die Schotten sind – anders als die Engländer – beim Bier ohnehin um einen Kommentar nie verlegen, und den gibt es ohnehin nur zu einem Thema: Dem Referendum am Donnerstag. Die Gegner geben sich meist gelassener als die oft überschäumenden Befürworter, und oft auch vorsichtiger. Mit dem Union Jack, der britischen Fahne, im Fenster habe es ihn seine Frau erst gar nicht probieren lassen, warnt einer, da seien angeblich anderswo schon Steine geflogen.

Angeblich, denn wirklich grob wird man in Schottland beim Fußball. Nicht aber, wenn es um Politik geht. Sogar laute Flüche hebt man sich lieber für die Besuche der obersten Politikerriege aus London auf. Labour-Chef Ed Miliband wurde vor wenigen Tagen in Glasgow mehr als unfreundlich empfangen. "Lügner" war da noch der harmloseste Zwischenruf. Von denen da unten, im Regierungsviertel in Westminster, hat man sich in Schottland noch nie gerne etwas sagen lassen.

Auch wenn die Politik, die auf den britischen Inseln traditionell erst nach Wetter und Fernsehprogramm kommt, auf einmal überall Tisch- und Bargespräch ist. Die Schotten tragen diese Debatte lieber mit Worten aus. Je länger die Argumente hin und her wandern, desto häufiger tauchen auf beiden Seiten Beteuerungen wie "Ich bin ein stolzer – patriotischer – überzeugter – Schotte" auf.

Brite zu sein, das kommt auch bei den Gegnern der Unabhängigkeit immer erst an zweiter Stelle. Die Befürworter wünschen sich die Engländer trotz allem auch weiterhin als gute Nachbarn. Auf einer Insel, darauf einigt man sich früher oder später, werde man ja auch weiterhin zusammenleben. "Nach Grönland", meint ein überzeugter Anhänger der Unabhängigkeit versöhnlich, "können wir uns ja trotzdem nicht verabschieden".

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