Scholz liefert Chinas Premier genau die Bilder, die der haben wollte

Scholz liefert Chinas Premier genau die Bilder, die der haben wollte
Beim Gipfeltreffen zwischen deutscher und chinesischer Regierung in Berlin schwieg Scholz zur Menschenrechtssituation in China. Und blieb damit der angenehme Gesprächspartner, als der er in Peking gesehen wird.

In China wird seit Beginn seiner Amtszeit deutlich wohlwollender über Olaf Scholz’ Führungsstil berichtet als in Deutschland, wo er oft als zögerlich kritisiert wird. Die Staatsmedien der Volksrepublik zeichnen dagegen das Bild eines rationalen Ruhepols, dem es immer wieder gelinge, die aufmüpfigen Koalitionspartner einzubremsen.

Die Bilder, die Scholz beim Empfang des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang in Berlin sowie den anschließenden Regierungskonsultationen mit je zehn Ministern auf beiden Seiten lieferte, werden sein Image in beiden Ländern festigen.

Li zeigte sich auf seiner ersten Auslandsreise als neuer zweitmächtigster Mann Chinas gelöst, lachte bei Gruppenbildern immer wieder laut auf, sprach von Deutschland als „wichtigstem Partner“ in Europa und erklärte, man solle die gemeinsamen Beziehungen „auf ein immer höheres Niveau bringen“.

Scholz dagegen wiederholte seinen Leitspruch, die deutsche Wirtschaft müsse das Risiko der Abhängigkeit von China minimieren („De-Risking“), dürfe sich aber nicht „abkoppeln“.

➤ Hier lesen Sie, wie stark Deutschlands Wirtschaft von China abhängig ist

Grüne und FDP treten China gegenüber deutlich kritischer auf

Mit Finanzminister Christian Lindner (FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck und allen voran Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) saßen eigentlich drei lautstarke Kritiker der chinesischen Regierung bei den Gesprächen mit am Tisch.

Baerbock hatte etwa erst im April nach einem Besuch in Peking über die Menschenrechtssituation in China gemeint, was sie gesehen habe, sei „zum Teil mehr als schockierend“ gewesen. Deutschland müsse daher den Druck erhöhen, wenn man „auf Dauer Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sichern“ wolle. Es brauche daher dringend eine gemeinsame Strategie der Ampel-Parteien zum Umgang mit chinesischen Offiziellen.

Die gibt es aber noch nicht – während Scholz also im Anschluss an den Gipfel erklärte, er habe an die chinesische Regierung appelliert, „ihren Einfluss auf den Aggressor Russland geltend zu machen“, demonstrierte vor dem Kanzleramt in Berlin ein Bündnis von Menschenrechtsorganisationen wegen jener Themen, die er nicht angesprochen hatte.

NGOs protestieren für Hongkong, Tibet und Xinjiang

Bei den Gesprächen müsste eigentlich „die verheerende Menschenrechtslage in China im Mittelpunkt stehen. Ansonsten drohen sie zum Sieg der chinesischen Propaganda zu werden“, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung, in der einzelne Organisationen zu ihren Kernthemen Stellung nehmen:

  • Tibet etwa, wo „Hunderttausende Kinder in Zwangsinternaten ihrer Kultur abschwören müssen“ (Tibet Initiative)
  • Oder Hongkong, wo Dissidenten seit 2019 „willkürlich festgenommen und ohne Prozess eingesperrt“ werden (Hongkonger in Deutschland)
  • Sowie die landesweite Inhaftierung von Menschenrechtlern, die verfolgten Minderheiten angehören, etwa dem uigurischen Sacharow-Preisträger Ilham Tohti (Ilham Tohti Initiative)

➤ Mit Ilham Tohtis Tochter, der uigurischen Aktivisten Jewher Ilham, führte der KURIER vor einem Jahr ein ausführliches Interview

Am Mittwoch ist Li in München - dort leben EU-weit die meisten Uiguren

Besonders die Verfolgung der muslimischen Minderheit der Uiguren in Chinas größter Provinz Xinjiang dürfte am Mittwoch besondere Aufmerksamkeit erhalten. Deren inoffizielle Vertretung, der Weltkongress der Uiguren (WUC), sitzt nämlich in München, wo EU-weit die meisten uigurischen Flüchtlinge leben.

Weil auch Li Qiang am Dienstagabend in die bayrische Hauptstadt reiste, um von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) empfangen zu werden, rief der WUC zu Protesten auf. Millionen von Uiguren sitzen laut einem im Vorjahr veröffentlichten UNHCR-Bericht noch in sogenannten „Umerziehungslagern“, ohne je verurteilt worden zu sein.

➤ Mehr zum in letzter Sekunde veröffentlichten UNHCR-Bericht

Wenn Li sich mit Söder und den Firmenchefs von BMW und Siemens zum Mittagessen trifft, wird – wie zuvor in Berlin – über anderes gesprochen werden.

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