Li zeigte sich auf seiner ersten Auslandsreise als neuer zweitmächtigster Mann Chinas gelöst, lachte bei Gruppenbildern immer wieder laut auf, sprach von Deutschland als „wichtigstem Partner“ in Europa und erklärte, man solle die gemeinsamen Beziehungen „auf ein immer höheres Niveau bringen“.
Scholz dagegen wiederholte seinen Leitspruch, die deutsche Wirtschaft müsse das Risiko der Abhängigkeit von China minimieren („De-Risking“), dürfe sich aber nicht „abkoppeln“.
➤ Hier lesen Sie, wie stark Deutschlands Wirtschaft von China abhängig ist
Grüne und FDP treten China gegenüber deutlich kritischer auf
Mit Finanzminister Christian Lindner (FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck und allen voran Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) saßen eigentlich drei lautstarke Kritiker der chinesischen Regierung bei den Gesprächen mit am Tisch.
Baerbock hatte etwa erst im April nach einem Besuch in Peking über die Menschenrechtssituation in China gemeint, was sie gesehen habe, sei „zum Teil mehr als schockierend“ gewesen. Deutschland müsse daher den Druck erhöhen, wenn man „auf Dauer Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sichern“ wolle. Es brauche daher dringend eine gemeinsame Strategie der Ampel-Parteien zum Umgang mit chinesischen Offiziellen.
Die gibt es aber noch nicht – während Scholz also im Anschluss an den Gipfel erklärte, er habe an die chinesische Regierung appelliert, „ihren Einfluss auf den Aggressor Russland geltend zu machen“, demonstrierte vor dem Kanzleramt in Berlin ein Bündnis von Menschenrechtsorganisationen wegen jener Themen, die er nicht angesprochen hatte.
NGOs protestieren für Hongkong, Tibet und Xinjiang
Bei den Gesprächen müsste eigentlich „die verheerende Menschenrechtslage in China im Mittelpunkt stehen. Ansonsten drohen sie zum Sieg der chinesischen Propaganda zu werden“, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung, in der einzelne Organisationen zu ihren Kernthemen Stellung nehmen:
- Tibet etwa, wo „Hunderttausende Kinder in Zwangsinternaten ihrer Kultur abschwören müssen“ (Tibet Initiative)
- Oder Hongkong, wo Dissidenten seit 2019 „willkürlich festgenommen und ohne Prozess eingesperrt“ werden (Hongkonger in Deutschland)
- Sowie die landesweite Inhaftierung von Menschenrechtlern, die verfolgten Minderheiten angehören, etwa dem uigurischen Sacharow-Preisträger Ilham Tohti (Ilham Tohti Initiative)
➤ Mit Ilham Tohtis Tochter, der uigurischen Aktivisten Jewher Ilham, führte der KURIER vor einem Jahr ein ausführliches Interview
Am Mittwoch ist Li in München - dort leben EU-weit die meisten Uiguren
Besonders die Verfolgung der muslimischen Minderheit der Uiguren in Chinas größter Provinz Xinjiang dürfte am Mittwoch besondere Aufmerksamkeit erhalten. Deren inoffizielle Vertretung, der Weltkongress der Uiguren (WUC), sitzt nämlich in München, wo EU-weit die meisten uigurischen Flüchtlinge leben.
Weil auch Li Qiang am Dienstagabend in die bayrische Hauptstadt reiste, um von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) empfangen zu werden, rief der WUC zu Protesten auf. Millionen von Uiguren sitzen laut einem im Vorjahr veröffentlichten UNHCR-Bericht noch in sogenannten „Umerziehungslagern“, ohne je verurteilt worden zu sein.
➤ Mehr zum in letzter Sekunde veröffentlichten UNHCR-Bericht
Wenn Li sich mit Söder und den Firmenchefs von BMW und Siemens zum Mittagessen trifft, wird – wie zuvor in Berlin – über anderes gesprochen werden.
Kommentare