Rücktrittsrufe an Regierungspartei werden lauter

Premier Rajoy soll Schmiergeld angenommen haben: In mehreren spanischen Städten wurde demonstriert.

Luis Barcenas – der Name wird in Spanien derzeit als ein Synonym für Korruption, Günstlingswirtschaft und Steuerhinterziehung verwendet. 48 Millionen Euro Schmiergelder soll der ehemalige Schatzmeister der konservativen Volkspartei (PP) am Fiskus vorbei auf Schweizer Konten gehortet haben.

Aber auch die Rücktrittsrufe an Premier Mariano Rajoy häufen sich: In mehreren spanischen Städten ist es am Donnerstagabend zu Protesten gekommen. Auslöser für die Massenproteste sind die Meldungen, dass Barcenas Dokumente veröffentlichte, die anscheinend beweisen, dass die Regierungspartei sich nicht nur über 20 Jahre illegal finanzierte, sondern auch hohe Parteimitglieder, darunter ehemalige Minister und eben Premier Rajoy, jahrelang Schmiergelder von Unternehmen akzeptierten.

"Das ist keine Regierung, das ist eine Mafia"

Unter dem Motto „Das ist keine Regierung, das ist eine Mafia“ versammelten sich vor der PP-Zentrale in Madrid nach Angaben verschiedener Radiosender bis zu 2.000 Demonstranten. Die Hauptzentrale der Partei in Madrid wurde von über 100 Polizisten weiträumig abgesperrt. Nach Polizeiangaben wurde ein Mensch festgenommen, sieben Polizisten und fünf Demonstranten seien verletzt worden.

Medienberichten zufolge haben sich auch in Valencia, Barcelona, Sevilla und Santander jeweils mehrere Hundert Demonstranten vor den jeweiligen Regionalbüros der konservativen Volkspartei versammelt.

Opposition fordert Rücktritt

Rücktrittsrufe an Regierungspartei werden lauter
epa03793271 Spanish Socialist Party leader, Alfredo Perez Rubalcaba, delivers his speech during the closing of the course 'Federal reform of Spain', organized by Jaime Vera Institute in El Escorial, outskirts of Madrid, Spain, 19 July 2013. EPA/ANGEL DIAZ EPA/ANGEL DIAZ
Wegen der Enthüllungen forderte Spaniens sozialistischer Oppositionsführer Alfredo Perez Rubalcaba (PSOE) am Donnerstag erneut den Rücktritt Rajoys. Bisher konnte die PP mit ihrer absoluten Parlamentsmehrheit aber sogar eine parlamentarische Debatte zur Schmiergeldaffäre verhindern. Rajoy streitet die Vorwürfe gegen ihn und seine Partei als falsch und haltlos ab. Oppositionsführer Rubalcaba droht unterdessen, ein Misstrauensvotum gegen Rajoy einzuleiten, sollte sich dieser nicht freiwillig dem Parlament für Erklärungen stellen.

Nun soll das Parlament über eine Anhörung von Ministerpräsident Mariano Rajoy entscheiden. Der Ständige Ausschuss des Parlaments werde dazu am kommenden Mittwoch eine Entscheidung treffen, kündigte die stellvertretende Regierungschefin Soraya Saenz de Santamaria am Freitag in Madrid an. Unabhängig davon werde Rajoy dem spanischen Volk weiterhin "jede Erläuterung geben", die er für nötig erachte, fügte sie an.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy gerät in der Korruptionsaffäre um den ehemaligen Schatzmeister seiner konservativen Volkspartei (PP) Luis Barcenas immer weiter unter Druck. Der wegen Steuerhinterziehung im "Fall Gürtel" in Untersuchungshaft sitzende Barcenas beschuldigt hohe Parteimitglieder, darunter ehemalige Minister und der aktuelle Premier Rajoy, jahrelang Schwarzgelder angenommen zu haben. Dutzende PP-Politiker mussten in der seit 2007 schwelenden Korruptionsaffäre bereits zurücktreten. Eine Chronologie:

Ende 2007: Ein ehemaliger Stadtrat der konservativen Volkspartei im Madrider Vorort Majadahona zeigt den Unternehmer Francisco Correa wegen Bestechung und Korruption an. Die spanische Polizei nimmt Ermittlungen gegen Correas Firmennetz auf, das Bürgermeister und Stadträte der PP im Gegenzug für lukrative Bauaufträge und Geschäfte Schmiergelder zahlt oder Luxusartikel schenkt. Als Deckname der Operation wird die deutsche Übersetzung für Correa ("Gürtel") benutzt.

6. Februar 2009: Starrichter Baltasar Garzon nimmt sich des "Falls Gürtel" an, der sich mittlerweile auf verschiedene Gemeinden in Madrid, Valencia und an der Costa del Sol ausgedehnt hat.

8./9. Februar 2009: Die Namen von drei involvierten PP-Politikern, einem Bürgermeister und zwei Stadträten aus der Region Madrid, werden der Presse bekannt. PP-Chef Rajoy wirft die unter Korruptionsverdacht stehenden Politiker aus der Partei.

25. Februar 2009: Die Justiz startet offizielle Ermittlungen gegen PP-Schatzmeister Luis Barcenas und zwei PP-Abgeordnete.

24. Juni 2009: Der Oberste Gerichtshof nimmt sich der Fälle Barcenas und Merino an.

6. April 2010: Ermittlungsakten werden veröffentlicht, die unter anderem neue Hinweise darauf enthalten, dass Barcenas illegale Provisionen kassierte. Die PP unterstützt ihn weiterhin und zahlt seine Anwaltskosten.

8. April 2010: Barcenas tritt aus der PP aus und legt sein Amt als Schatzmeister nieder

19. April 2010: Barcenas legt sein Mandat als Senatsmitglied nieder. Es kommt zum Bruch mit der Partei.

26. Mai 2010: Der Oberste Gerichtshof Madrid nimmt nach einem früheren Freispruch neue Ermittlungen gegen den Regionalpräsidenten von Valencia, Francisco Camps, wegen Günstlingswirtschaft und Wahlbetrug auf.

2010/2011: Fast monatlich werden die Namen der Korruption und Günstlingswirtschaft verdächtiger PP-Politiker bekannt.

20. Juli 2011: Camps tritt kurz vor dem Gerichtsverfahren als Regionalpräsident zurück.

20. November 2011: Wegen der schweren Wirtschaftskrise erleiden die regierenden Sozialisten (PSOE) eine schwere Niederlage bei der Parlamentswahl, die konservative PP erringt eine absolute Mandatsmehrheit.

25. Jänner 2012: Camps wird wegen fehlender Beweise erneut freigesprochen.

15. März 2012: Der Nationale Gerichtshof nimmt die Ermittlungen gegen Luis Barcenas wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption auf.

16. Jänner 2013: Die Polizei entdeckt Bankkonten Barcenas' in der Schweiz.

14. Juni 2013: Die Schweiz gibt Barcenas Vermögen mit 48 Millionen Euro an.

27. Juni 2013: Barcenas kommt in Untersuchungshaft.

9. Juli 2013: Die Tageszeitung "El Mundo" veröffentlicht Dokumente von Barcenas, die illegale Parteienfinanzierung beweisen sollen und beschuldigt, hohe Parteimitglieder, darunter Rajoy, Schwarzgelder angenommen zu haben.

14. Juli 2013: Die oppositionellen Sozialisten fordern den sofortigen Rücktritt Rajoys, was dieser ablehnt.

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