Schlimmer als Katar: Wie Marokko EU-Politiker mit Millionen schmierte

Schlimmer als Katar: Wie Marokko EU-Politiker mit Millionen schmierte
Nicht nur das Golf-Emirat Katar schmierte EU-Abgeordnete, auch aus Marokko flossen Millionen - und das schon viel länger.

Aus dem wunderbaren Silvesterabend und Afrikas Sternenhimmel wird doch nichts. Der ehemalige italienische EU-Abgeordnete und Lobbyist Pier Antonio Panzeri kann die Reise nach Marrakesch nicht antreten. Schließlich haben die Behörden in Italien bereits den Haftbefehl gegen ihn aus Belgien zugestellt bekommen, wie das deutsche Magazin "Spiegel" und die italienische Tageszeitung "La Repubblica" erfahren haben. Eine wohl herbe Enttäuschung, schließlich war das nobelste Hotel in der marokkanischen Königsstadt bereits gebucht, für Panzeri und natürlich auch Frau und Tochter, auf Rechnung der marokkanischen Regierung.

 

Schlimmer als Katar: Wie Marokko EU-Politiker mit Millionen schmierte

Haftbefehl: Pier Antonio Panzeri

 

Von Marokko eingerichtet

Nur das letzte Schlaglicht auf eine Affäre, die in den Wochen vor Weihnachten die EU massiv erschüttert hat - und das auch im kommenden Jahr noch tun wird: "Katargate" nannte man seither den Skandal rund um illegale Geldflüsse, die an die Griechin Eva Kaili, Vizepräsidentin des EU-Parlaments flossen. Doch mit den neuesten Erkenntnissen der Ermittler wird immer deutlicher: Nicht das Golfemirat Katar hatte die Schmiergeld-Transfers in Richtung des EU-Parlaments in Brüssel installiert, sondern das Königreich Marokko, nicht die Griechin Kaili ist mutmaßlich die Zentralfigur des Ganzen, sondern ihre italienischen Kollegen im EU-Parlament, allen voran Juan Antonio Panzeri, Abgeordneter der Linken. Der soll schon seit dem Jahr 2011 enge Geschäftsbeziehungen nach Marokko gepflegt. haben, reiste ebenso wie seine Kollegen wiederholt zu Treffen und  Besprechungen nach Marokko. In Brüssel spricht man bereits von "Marokkogate"

Geheimdienst am Werk  

Die Kontaktleute auf marokkanischer Seite waren Mitarbeiter des marokkanischen Geheimdienstes, sogar dessen Chef traf sich mit den EU-Vertretern. Gemeinsam besprach man eine engere Zusammenarbeit zwischen der EU und Marokko. posierte in bester Laune auf für gemeinsame Fotos. In den jetzt an die Öffentlichkeit gelangten Ermittlungen der belgischen Sicherheitsbehörden liest sich das deutlich besorgniserregender: Panzeri und seine Kollegen aus dem EU-Parlament seien vom marokkanischen Geheimdienst regelrecht "pilotiert" worden, hätten die Anliegen aus Marokko an einen ganzen Freundeskreis im EU-Parlament übermittelt.

Fischerei und Grenzstreit

Worum es Marokko bei seiner Schmiergeld-Connection nach Brüssel offensichtlich ging, waren erstens die umstrittenen Fischereirechte vor der marokkanischen Küste und zweitens der seit Jahrzehnten andauernde Konflikt mit der von Rebellen kontrollierten Region Westsahara, die Marokko ja als eigenes Territorium betrachtet, was aber international nicht anerkannt wird.

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marokkanische Fischer im Südatlantik

 

Auch für die EU sind die Beziehungen zu Marokko heikel, schließlich braucht man das Land ja, um die Flucht von Menschen aus Westafrika über das Mittelmeer besser kontrollieren zu können. Marokko wiederum ging es darum, dass die EU bei Menschenrechtsverletzungen, etwa gegen Flüchtlinge, ein Auge zudrückte.

Connection weitergereicht

Die lukrative Freundschaft funktionierte über Jahre, bis schließlich die Schlüsselfigur, Juan Antonio Panzeri, bei Wahlen aus dem EU-Parlament flog. Doch die Marokkaner setzten weiter auf ihn und seine guten Beziehungen. Panzeri gründete eine angeblich gemeinnützige Organisation, die aber nach Medienberichten vor allem dazu diente, weiterhin Geld aus Marokko zu waschen. Weil Panzeri nicht mehr ihm Parlament saß, reichte er auch seinen parlamentarischen Mitarbeiter weiter: Francesco Giorgi, Lebensgefährte von Eva Kaili, der bisherigen Zentralfigur der Affäre und nach vorläufigen Informationen ein wichtiger Verwalter der illegalen Geldflüsse, also auch großer Teile der 1,5 Millionen Euro, die der gemeinsamen Wohnung von Giorgi und Kaili gefunden wurden. Es war also mutmaßlich Marokkop, das das nun aufgeflogene Schmiergeld-Netzwerk mit den Italienern knüpfte - und Katar war, wie ein EU-Insider gegenüber dem "Spiegel" meint, lediglich "ein Trittbrettfahrer".

  

   

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