Schicksalstag für Sanders

Bernie Sanders Anhänger sind jung und liberal - und sie misstrauen der früheren Außenministerin Hillary Clinton
Die Vorwahlen im Bundesstaat New York heute könnten Bernie Sanders politische Zukunft entscheiden.

„If you can make it here, you make it anywhere – it’s up to you, New York, New York.“

Für gleich drei Favoriten im Kampf um die US-Präsidentschaftskandidatur steht heute in New York ein Heimspiel an: Bernie Sanders wurde in New York geboren, Hillary Clinton als frühere Senatorin und Donald Trump als New Yorker Immobilienmilliardär. Ihn sehen die Umfragen auf Seiten der Republikaner auch ganz deutlich vor seinen Rivalen Ted Cruz und John Kasich. Doch auch bei einem Sieg in New York wäre die Vorentscheidung bei den Republikanern noch nicht gefallen.


Hingegen könnte sich die politische Zukunft für den Demokraten Bernie Sanders entscheiden. Denn im Falle einer deutlichen Niederlage bei den Vorwahlen im Bundesstaat New York gegen seine favorisierte Rivalin Clinton wird es rechnerisch für den 74-jährigen Senator aus Vermont nahezu unmöglich, für die Demokraten als Kandidat für die Nachfolge von Barack Obama nominiert zu werden.

Löwenanteil für Clinton

Sanders hat zwar die letzten sieben von acht Vorwahlen für sich entschieden. Aber das macht ihn nur zum Schein-Riesen. Nicht Bundesstaaten zählen, sondern allein Delegierte. Und hier liegt die frühere Außenministerin und First Lady mit knapp 700 Stimmen vorn. Holt sie sich den Löwenanteil der 291 in New York zu verteilenden Wahlmänner- und Frauen und legt sie eine Woche später, am 26. April, in fünf weiteren Staaten im Nordosten noch zu, worauf Umfragen hindeuten, wäre Sanders bereits weit vor dem Parteitag Ende Juli in Philadelphia geschlagen. Die Hürde liegt bei 2383 Delegierten.


Um nicht resignativ zu erscheinen, blendet der Sohn polnisch-jüdischer Einwanderer die mathematische Seite der Materialschlacht um die Kandidatur öffentlich aus. Seinen Hunderttausenden Anhängern, die sich vor allem aus jüngeren Wählerschichten zwischen 20 und 30 rekrutieren, vermittelt der weißhaarige Senior vehement den Eindruck, dass die von ihm ausgerufene „politische Revolution“ gegen das „bürgerferne Washington“ bereits im Gange sei. Was in gewisser Weise auch stimmt.
Anziehungskraft Sanders“ Anziehungskraft ist gewaltig. Seine Themen sind vom Rand in die Mitte gerückt. Unter dem programmatischen Druck des selbst ernannten Sozialisten, der den großen Banken mit Zerschlagung droht und das von Milliardären dominierte System der Wahlkampffinanzierung abschaffen will, ist bei Hillary Clinton ein Linksrutsch unverkennbar.

Freihandelsabkommen

Seit Sanders – übrigens ähnlich wie der republikanische Kandidat Donald Trump – den Freihandel als Quelle für viele Verwerfungen und Missstände in der amerikanischen Gesellschaft ausgemacht hat, ist Clinton bei Obamas Leib-und Magen-Thema „Trans-Pazifische Partnerschaft“ (TPP) umgeschwenkt. Das Handelsabkommen, mit dem sich die USA gemeinsam mit elf Staaten von Australien bis Vietnam gegen den Riesen China wappnen wollen, steht seit kurzem auch bei ihr unter dem Generalverdacht des drohenden Arbeitsplatzabbaus.

Ehrlichkeit

Sanders großes Plus ist nach wie vor Clintons mäßige Vertrauenswürdigkeit. Nur knapp 60 Prozent der demokratischen Wähler halten die in Chicago geborene Anwältin für „ehrlich“. Dass Clinton die Manuskripte ihrer Reden, die sie nach ihrer Zeit als Außenministerin für sechsstellige Summen vor Wall Street-Bankern gehalten hat, partout nicht veröffentlichen will, ist das aktuelle Sinnbild ihrer Geheimniskrämerei. Sanders dagegen trauen fast 90 Prozent über den Weg. Würde er ins Weiße Haus einziehen, fänden das 33 Prozent „aufregend“. Clinton reißen unter Sympathisanten der Demokraten nur 14 Prozent vom Hocker.


Dass sich in New York für Sanders trotzdem kaum Honig daraus saugen lässt, liegt an einer Besonderheit im demokratischen Vorwahl-Prozess. Anders als in anderen Bundesstaaten dürfen in „NY“ keine unabhängigen Wähler, sondern nur registrierte Demokraten ihre Stimme abgeben. Das Gros unterstützt ganz klar Clinton, die von 2001 bis 2009 für den Bundesstaat New York im Senat in Washington saß.

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