„In Zeiten der Globalisierung können wir uns nicht abschließen“

A-Moallimi zog sich extra für das Foto ein Kopftuch an
Amal Yahya al-Moallimi ist das Gesicht des modernen Riad - sie spricht übers Autofahren, Kopftücher und Social Media

Elegant, modern, westlicher Style. Nicht einmal ein Kopftuch trägt Amal Yahya al-Moallimi, als sie zum Interview in Wien erscheint, ganz zu schweigen von der Abaya, jenem bodenlangen Überkleid, das in ihrer Heimat Saudi-Arabien jede Frau trägt. Die Vize-Generalsekretärin des Zentrum für den Nationalen Dialog in Riad ist das moderne Gesicht des sich rasch wandelnden Königreiches.

„Wir haben schon Veränderungen erwartet, aber dass so viel in so kurzer Zeit passiert, damit haben wir nicht gerechnet“, sagt die 52-Jährige im KURIER-Gespräch. Sie steht voll hinter den Reformen, die der junge Kronprinz Mohammed bin Salman, 32, der starke Mann Saudi-Arabiens, angestoßen hat. „In Zeiten der Globalisierung und Sozialen Medien können wir uns gar nicht abschließen und in einer anderen Welt bleiben“, so die Mutter von fünf Kindern, die längere Zeit in den USA lebte. Das ginge auch deswegen nicht, „da wir prozentuell die höchste Zahl an Usern auf YouTube und Twitter weltweit haben“.

„Fahre seit Jahren Auto“

Die aktuellste Modernisierung: König Salman hat am Samstagabend den Startschuss für den Bau eines riesigen Freizeitparks gegeben. Außerdem wurde kürzlich in der Hauptstadt Riad das erste Kino nach rund drei Dutzend Jahren eröffnet („eine große Sache für meine Kinder“, sagt al-Moallimi), und demnächst dürfen auch Frauen in Saudi-Arabien Autofahren – keine große Sache für die 52-Jährige, „ich lenke seit 30 Jahren Kraftfahrzeuge – im Ausland“.

Für viel wichtiger hält sie die Tatsache, dass Frauen nun vieles ohne Zustimmung ihres Mannes oder Bruders bewerkstelligen können. Etwa Geschäfte eröffnen, selbstständig eine Arbeit suchen oder um Stipendien ansuchen.

Dies sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass MbS, wie der Kronprinz genannt wird, das Königreich am Golf mit seiner Vision 2030 in eine andere Liga führen wolle – weg vom Öl-finanzierten Wohlstand, hin zu einer breit aufgestellten Volksökonomie. „Dafür ist es unerlässlich, dass man auf dem Arbeitsmarkt nicht die Hälfte der Bevölkerung, eben die Frauen, draußen lässt. Zumal sie sehr gut, oftmals auch im in den USA oder Großbritannien, ausgebildet wurden. In meiner Heimat stellen sie 57 Prozent aller Studenten“, analysiert al-Moallimi. Derzeit seien 25 Prozent der Frauen in den Arbeitsmarkt integriert, in zwei Jahren sollen es bereits 35 Prozent sein.

Immer mehr Bewegung

Die Trennung der Geschlechter ist freilich auch dort noch ein Thema – ebenso wie in Fußballstadien oder Restaurants. „Doch ich denke, hier wird sich auch bald etwas bewegen“, meint die eloquente Akademikerin, die viel auf (internationaler) Achse ist, um den Wandel in ihrer Heimat zu „verkaufen“.

Wenn die Rede auf brutale Strafen – etwa Handabhacken bei Dieben – kommt, wird die wortgewaltige Frau plötzlich einsilbig. Man bemühe sich um humanere Vorgangsweisen, „so weit dies im Rahmen der Sharia-Gesetzgebung möglich ist“.

Und dann, als der Fragesteller ein Foto machen will, zieht sie doch noch ein Kopftuch über. „Weil ich die saudischen Frauen repräsentiere, also eine öffentliche Funktion innehabe. Im Privatleben aber mache ich, was ich will.“

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