Saudi-Arabien: Empörung nach Massenexekution

In Teheran wurde die saudi-arabische Botschaft angegriffen.
Unter den 47 Hingerichteten auch ein prominenter schiitischer Kleriker - Angriff auf die Botschaft in Teheran.

47 Hinrichtungen an einem einzigen Tag – ausgeführt in zwölf Gefängnissen Saudi-Arabiens. Tod durch Erschießen oder durch Köpfen. Diejenigen Exekutierten, die durch Kugeln starben, wurden anschließend auch noch am Galgen aufgehängt – die härteste Strafe, die Verurteilte laut Saudi-Arabiens praktizierter Scharia-Gesetzgebung erfahren können. Laut der höchsten religiösen Autorität des Landes, Großmufti Scheich Abdul Aziz Alal-Sheikh, stehen die Massenhinrichtungen vom Samstag im Einklang mit dem Islam: „Es war eine Gnade für die Gefangenen, denn es rettete sie davor, weitere Schandtaten zu begehen.“

Saudi-Arabien: Empörung nach Massenexekution
(FILES) - A file picture taken in the Yemeni capital Sanaa on October 18, 2014, shows a protester taking part in a demonstration outside the Saudi embassy against the death sentence on Saudi Shiite cleric and anti-government protest leader, Nimr al-Nimr (portrait), after he was convicted by Saudi authorities of sedition. Saudi Arabia on January 2, 2016, executed 47 people convicted of "terrorism", including the prominent Shiite cleric, the interior ministry said. AFP PHOTO / MOHAMMED HUWAIS
Was die Exekutionen noch brisanter macht und eventuell zu weiteren, gefährlichen Spannungen zwischen den Todfeinden Saudi-Arabien und dem Iran führen könnte: Unter den Hingerichteten befand sich eine zentrale Figur des – in Saudi Arabien sofort im Keim erstickten – Arabischen Frühlings: der 56-jährige schiitische Kleriker Nimr al-Nimr.

Auch im sunnitischen Saudi-Arabien war man sich offenbar bewusst, dass die Exekution des angesehenen Scheichs in der gesamten schiitischen Welt für heftige Empörung sorgen würde. Also „entledigte“ man sich des unbequemen Predigers (und drei anderer schiitischer Verurteilter) indem man ihn zusammen mit mehr 40 Extremisten hinrichtete, die in Saudi-Arabien in den vergangenen zehn Jahren Terrorakte im Namen der El Kaida und Dutzende Tote zu verantworten hatten.

Proteste der Schiiten

Scheich Nimr war bereits 2012 verhaftet worden. Er hatte das saudische Königshaus offen, aber stets friedlich, dafür kritisiert, dass dessen Polizeieinheiten im benachbarten Bahrain schiitische Proteste mit aller Gewalt niedergeschlagen hatten. Auch in Saudi-Arabien hatte es Proteste der schiitischen Minderheit (knapp 15 Prozent der Landesbevölkerung) gegeben – für die Riad sofort Al-Nimr verantwortlich machte. Im vergangenen Oktober verurteilte ihn ein Sondergericht wegen „Aufwiegelung“ zu Tode.

Der Iran – schärfster Rivale Saudi-Arabiens in der Region – hat die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen sofort heftig verurteilt. „Anstatt sich mit den IS-Terroristen zu beschäftigen, die die Region und die ganze Welt gefährden, lassen die Saudis eine Persönlichkeit wie al-Nimr hinrichten“, sagte Außenamtssprecher Jaber Ansari und tobte über „die irrationale und verantwortungslose Politik der Saudis“. Die Hinrichtung werde für das Königreich Konsequenzen haben, drohte Teheran. Samstag Abend stürmten Demonstranten dann Riads Botschaft in Teheran. Teile des Gebäudes gingen in Flammen auf.

Heute sollten vor der saudischen Botschaft in Teheran große Protestdemonstrationen stattfinden. Wütender Protest kam gestern auch von der – schiitisch dominierten – Regierung im Irak und der Hisbollah-Miliz im Libanon. Auch in Bahrain demonstrierten Schiiten gegen das saudische Königshaus, ebenso wie in der saudischen Provinz, aus der der exekutiert Al-Nimr stammte.

Stellvertreterkrieg im Jemen

Für dessen Hinrichtung, der im Iran als ungeheuerlicher Affront aufgefasst wird, könnten nun vor allem die Menschen im Jemen bitter bezahlen.Dort führen Teheran und Riad einen Stellvertreterkrieg – der Iran unterstützt die schiitischen Houthi-Rebellen, während Saudi-Arabien auf Seite der sunnitischen jemenitischen Staatsmacht kämpft. Internationale Friedensbemühungen, zuletzt vor Weihnachten in der Schweiz, hatten nur auf dem Papier zu einer Waffenruhe geführt.

Schiiten sind in dem sunnitisch geprägten Königreich Saudi-Arabien eine Minderheit. Bis zu 15 Prozent der mehr als 27 Millionen Saudis sind schiitisch. Die meisten leben in den ölreichen Ostprovinzen Katif und Al-Ahsa.

Die Schiiten werden im Königreich wegen ihres Glaubens diskriminiert. Sunniten sprechen ihnen ab, wahre Muslime zu sein. Die Spaltung der Muslime in Schiiten und Sunniten begann im siebenten Jahrhundert mit einer Auseinandersetzung um die Nachfolge des Propheten Mohammed.

In der Vergangenheit haben die saudischen Behörden schiitische Moscheen geschlossen und Zwangskonversionen versucht. Geistliche wurden gar wegen "Hexerei" verhaftet. Immer wieder kam es zu blutigen Zusammenstößen von Schiiten mit Sicherheitskräften. 2015 gab es zudem mehrere Anschläge auf schiitische Moscheen - Dutzende Gläubige starben.

Als sich im Jahr 2000 Schiiten erstmals nach vielen Jahren zu einer öffentlichen Feier des für sie zentralen Ashura-Festes versammelt hatten, verhaftete die Religionspolizei mehrere Imame. Bei anschließenden Ausschreitungen wurden rund 40 Menschen getötet.

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