Sanna Marin: Der finnische Polit-Star zu Besuch in Wien
Ein Selfie beim Autofahren, beim Joggen oder mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, Handshakes mit Regierungschefs aus aller Welt – Sanna Marin teilt ihr Leben gern online mit den Finnen. Jung, schön und durchsetzungsstark gilt die 37-Jährige als Prototyp einer modernen Politikerin.
Auch wenn Marin heute, Freitag, in Wien von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Präsident Alexander Van der Bellen empfangen wird, werden sich viele Kameras auf sie richten. Was die gekonnte PR der Sozialdemokratin nicht zeigt, ist die harte Arbeit, die sie seit ihrem Amtsantritt im Dezember 2019 leistet – Marin war damals jüngste Regierungschefin der Welt.
Hart gegen Russland
Kurz nach der Angelobung ihrer Mehrparteienkoalition kam die Corona-Pandemie, die Finnland im Vergleich mit anderen Ländern gut meisterte, vor einem Jahr griff Russland die Ukraine an.
Als Nachbarland, das einst Teil des russischen Reiches war und im Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion überfallen wurde, sah sich Finnland durch den Überfall selbst bedroht.
Im Vorjahr beantragte Marin trotz massiver Warnungen aus Moskau mit der damaligen schwedischen Premierministerin Magdalena Andersson nach Jahrzehnten der Bündnislosigkeit den Beitritt zur NATO. In Umfragen befürwortete eine große Mehrheit den Schritt.
Um den Konflikt mit Moskau dürfte es beim Treffen mit Nehammer auch gehen. Neben "sicherheitspolitischen Themen" stehen aber auch "Fragen des EU-Außengrenzschutzes" und "die gemeinsamen Interessen einer sparsamen EU-Budgetpolitik" auf der Agenda.
Werben für Wiederwahl
Nach ihrer Rückkehr nach Helsinki dürfte sich Marin dann wieder dem Wahlkampf widmen: Anfang April stehen Parlamentswahlen an.
Die Sozialdemokraten (SD), denen die Politikerin schon als Studentin beigetreten war und für die sie 2015 ins Parlament einzog, liegen derzeit in Umfragen hinter der liberal-konservativen KOK und den rechten Wahren Finnen. Hauptgrund sind die hohen Staatschulden, mit denen die SD laut Opposition das Sozialsystem gefährde.
Platz eins könnte sich dennoch immer noch ausgehen, sagen Beobachter, denn Marin ist klar die beliebteste Spitzenkandidatin im Land. Sie spreche neben der traditionell älteren Klientel der SD auch junge Menschen an, analysierte der Politologe Teivo Teivainen gegenüber Politico. Sie sei ebenso kompetent wie erfrischend, sagen Wählerinnen und Wähler.
Das liegt unter anderem daran, dass Marin schon vor Jahren öffentlich darüber sprach, in einer Regenbogenfamilie mit zwei Frauen aufgewachsen zu sein, oder dass sie ihren Mann für die Betreuung der gemeinsamen Tochter lobt.
Auch ihr Besuch beim Rockfestival Ruisrock, wo sich die Ministerpräsidentin in Lederjacke, Jeans-Short und festen Stiefeln zeigte, blieb ihren Fans in Erinnerung.
Häme im Netz
Diese offene Art stößt allerdings nicht immer auf Gegenliebe. Als sich Marin im Herbst 2020 tief dekolletiert in einem Magazin zeigte, ergoss sich erstmals ein Shitstorm über sie. Fans in aller Welt sprangen der Politikerin bei und zeigten sich ebenfalls mit tiefem Ausschnitt – auch Männer.
Noch stärker fiel die Kritik aus, als im Vorjahr mehrmals Fotos und Videos auftauchten, die Marin ausgelassen tanzend zeigten. Andere Bilder dokumentierten, dass Freundinnen in ihrem Amtssitz wild feierten, während Marin selbst Termine absolvierte. Sie habe die Sicherheit des Landes gefährdet, hieß es in beiden Fällen aus der Opposition.
Doch auch diesmal gab es viel Unterstützung. "Tanz weiter, Sanna", postete selbst Hillary Clinton.
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